Das "Freiwillige Ordensjahr" – eine monastische "Partnervermittlung"
An sich ist es nichts Neues, dass Ordensgemeinschaften für eine gewisse, meist kürzere Dauer, Gäste aufnehmen – Stichwort "Kloster auf Zeit". "Viele Leute möchten das aber intensiver und länger ausprobieren", weiß Schwester Maria Stadler von den Missionarinnen Christi (MC) in München. Deswegen hat die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) ein neues Projekt gestartet: das "Freiwillige Ordensjahr". Vor wenigen Tagen wurden es vorgestellt. "Es geht darum, den Alltag von den Schwestern und Brüdern mit all seinen Facetten kennenzulernen", so Stadler, die das Projekt koordiniert.
Das "Freiwillige Ordensjahr" richtet sich an Menschen, die ohne die bindende Perspektive eines Eintritts in die Ordensgemeinschaft bis zu einem Jahr in einem Kloster mitleben möchten. Die Mindestdauer beträgt drei Monate, in diesen Grenzen kann man den Zeitraum flexibel gestalten. Ein Einstieg ist jederzeit möglich. Die Zeit im Kloster soll den Teilnehmern die Chance bieten, an entscheidenden Punkten in der Biografie den eigenen Lebensweg zu überdenken und sich eventuell neu zu orientieren. Das Alter spielt dabei keine Rolle – man sollte nur mindestens 18 Jahre alt sein.
Bei der Begleitung des Projekts kann sich Maria Stadler auf mehrjährige Erfahrung aus dem Nachbarland Österreich stützen. Dort gibt es das "Freiwillige Ordensjahr" bereits seit 2016. Die dortige Koordinatorin ist eine "Kollegin" von Stadler: Schwester Ruth Pucher, ebenfalls von den Missionarinnen Christi. Ihr Zwischenfazit nach drei Jahren fällt positiv aus. "Die Idee ist ganz aufgegangen." Das Projekt sollte die Schwelle senken, mit dem Ordensleben in Berührung zu kommen. Das sei gelungen, findet Pucher.
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"Bisher musste man fast immer deklarieren, dass man in den Orden eintreten will oder sogar ein Postulat beginnen, um überhaupt in einer Gemeinschaft mitleben zu können", betont die Koordinatorin des österreichischen Projekts. "Da war ein Abbruch schon beinahe ein Scheitern." Mit dem "Freiwilligen Ordensjahr" habe man eine Möglichkeit geschaffen, eine gewisse Zeit bei einer Gemeinschaft zu sein – zwar mit einer gewissen Verbindlichkeit, aber ohne Endgültigkeit. "So macht man Erfahrungen – und anhand dieser entscheidet man sich danach, wie es mit dem eigenen Leben weitergeht."
Der Grad der Verbindlichkeit ist es auch, der das "Freiwillige Ordensjahr" vom "Kloster auf Zeit" unterscheidet. Letzteres nehmen viele Menschen in Anspruch, um sich eine Auszeit von ihrem Alltag zu nehmen – sie verbringen sozusagen einen Urlaub im Kloster. Sie können, müssen aber nicht an den Gebetszeiten teilnehmen. Beim "Freiwilligen Ordensjahr" hingegen sollen die Teilnehmer das Leben der Ordensleute in all seinen Ausprägungen kennenlernen – inklusive dem Aufstehen frühmorgens für die Laudes. Was in einem Konvent üblich ist, sollen die Teilnehmer mitmachen. Dazu brauche es durchaus eine gewisse Motivation, betont Maria Stadler, die Betreuerin des deutschen Projekts. Diese müssen die Teilnehmer vor dem Beginn des Ordensjahrs mit der Unterschrift unter einem Vertrag erklären.
Welche Gemeinschaft passt zum Kandidaten?
Der organisatorische Rahmen des "Freiwilligen Ordensjahrs" in Deutschland orientiert sich weitestgehend an dem erprobten österreichischen Modell. Das heißt, alle Interessierten melden sich bei der Koordinatorin und vereinbaren eine Art Bewerbungsgespräch. Dort versuchen beide Parteien herauszufinden, welche Gemeinschaft beziehungsweise welcher Standort zur Spiritualität oder zur persönlichen Situation des potentiellen Teilnehmers passt. Dabei müssen diese nicht zwingend katholisch sein. "Das Wesentliche ist das Interesse am geistlichen Leben, mit den Brüdern und Schwestern vor Ort miteinander zu beten, zu leben und mit ihnen zu arbeiten", erläutert Maria Stadler. Haben sich ein Kandidat und eine Ordensgemeinschaft gefunden, gibt es ein Schnupperwochenende am ausgesuchten Standort – erst danach wird eine Entscheidung getroffen.
In der "Sichtung" der Kandidaten hat Schwester Ruth Pucher bereits einige Erfahrungen gesammelt. Sie betreibe dabei eine Art "Partnervermittlung", wie sie selbst etwas humorvoll sagt. Grundsätzlich versucht sie dabei, die Wünsche der Interessierten zu berücksichtigen. Wenn sie sich eine Konstellation allerdings überhaupt nicht vorstellen kann, versucht sie, die Kandidaten von einem anderen Standort zu überzeugen, der in den Augen der Koordinatorin besser zu ihnen passt. "Da sehe ich es als meine Pflicht, die Gemeinschaften vor Unruhe zu schützen", erläutert Pucher. Manchmal rät sie auch komplett von einem "Freiwilligen Ordensjahr" ab – etwa wenn Menschen nach einem Schicksalsschlag unter einer großen psychischen Belastung leiden. "Sie sind so mit sich selbst beschäftigt, dass das für ein Kloster eine Zumutung wäre."
Linktipp: Nikodemus Schnabel: "Kloster auf Zeit" könnte das Zukunftsmodell sein
In Deutschland drohen viele Klöster auszusterben. Gibt es eine Möglichkeit, das monastische Leben attraktiver zu machen? Pater Nikodemus Schnabel von der Jerusalemer Dormitio-Abtei plädiert im Interview für ein Mönchtum auf Zeit. Doch das brauche einen verbindlichen Rahmen.In Österreich haben bislang knapp 30 Männer und Frauen ein "Freiwilliges Ordensjahr" absolviert. Von jung bis alt, von Abiturient bis Rentner war alles vertreten. Auch die Motive der Teilnehmer waren unterschiedlich. Doch vor allem jüngere sind laut Ruth Pucher mit der Frage angetreten, ob sie dauerhaft in einer Gemeinschaft leben wollen. Gerade diese seien froh über die Möglichkeit eines "Freiwilligen Ordensjahrs" gewesen. "Die sagen oft, sie hätten sich nicht getraut, ein Postulat zu beginnen. Aber ein Ordensjahr könne ja nicht schaden."
Aktuell machen 26 Frauen- und 14 Männergemeinschaften beim "Freiwilligen Ordensjahr" in Österreich mit. In Deutschland haben sich bislang knapp 30 Standorte bereit erklärt, davon drei Männergemeinschaften. In Deutschland wie in Österreich sind die meisten davon nicht kontemplativ, sondern apostolisch und sozial-karitativ. Für Außenstehende drängt sich der Verdacht auf, dass das Projekt ein Mittel sein soll, um Nachwuchs für die Ordensgemeinschaften zu rekrutieren – gerade weil es um die Zukunft der Orden nicht allzu gut bestellt zu sein scheint. Ruth Pucher gibt zu, dass sich in Österreich ein paar Gemeinschaften durchaus mit Blick auf mögliche Ordenseintritte am "Freiwilligen Ordensjahr" beteiligen. Doch sie warnt davor, das mit diesem Hintergedanken anzugehen. "Wer mitlebt und danach positiv von seinen Erfahrungen berichtet, macht Berufungspastoral. So bleiben die Gemeinschaften im Gespräch." Eine indirekte Wirkung auf Eintrittszahlen könne dadurch natürlich nicht ausgeschlossen werden.
Eine Steigerung der Eintrittszahlen sei ohnehin nicht das Ziel des "Freiwilligen Ordensjahrs". Vielmehr soll es einen Austausch geben, von dem sowohl die Teilnehmer als auch die Ordensgemeinschaften profitieren. Und gerade für Letztere sei der Gewinn enorm, hat Ruth Pucher festgestellt. "Plötzlich sind sie mit ganz anderen Themen, ganz anderen Menschen und deren Sichtweisen konfrontiert und haben die Chance, damit umzugehen. Das verlebendigt die Gemeinschaften sehr stark." Wenn diese durch neue Impulse von außen bereichert werden, sei das Projekt erfolgreich, sagt Schwester Maria Stadler, die die Teilnehmer in Deutschland betreuen wird. "Und auch dann, wenn Leute dem, was sie suchen, durch das Mitleben in einer ein Stück näher kommen."