Rund 600 Fahrzeuge des Bonifatiuswerks sind in Deutschland unterwegs

Wo Kirchengemeinden ohne den "Boni"-Bus Schwierigkeiten hätten

Veröffentlicht am 26.07.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Paderborn ‐ Mit den Boni-Bussen unterstützt das Bonifatiuswerk Pfarrgemeinden und kirchliche Gemeinschaften. Sie fahren in 21 der 27 (Erz-)Bistümer und gewähren einen Blick auf das kirchliche Leben in der katholischen Diaspora.

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Mobilität ist eines der großen Themen unserer Gesellschaft: Fahrverbote, vollgestopfte Großstädte, verspätete Züge und ein schwacher öffentlicher Nahverkehr im ländlichen Raum. Es ist ein Thema, das auch die Kirche betrifft. "Christen bringen Menschen mit Gott und untereinander in Beziehung. Und um in Beziehung zu treten, muss man zusammenkommen", sagt Thomas Twents. Er leitet die Verkehrshilfe des Bonifatiuswerks, die jährlich Fahrzeuge für Pfarrgemeinden, Ordenshäuser und kirchliche Einrichtungen fördert.

Gut 600 sogenannte "Boni"-Busse fahren mittlerweile in rapsgelb durch Deutschland, schätzt Twents. Die genaue Zahl kennt er allerdings nicht. Das liegt daran, dass das Bonifatiuswerk den Kauf der Fahrzeuge zwar mit zwei Dritteln des Preises fördert, die Busse danach jedoch der Kirchengemeinde oder der jeweiligen kirchlichen Einrichtung gehören. Deshalb ist nicht erfasst, welcher Bulli tatsächlich noch fährt und welcher nicht. Twents stellt die Kalkulation auf, dass das Werk jährlich den Kauf von rund 40 Bussen unterstützt. Wenn die Busse im Schnitt rund 15 Jahre lang gefahren werden, macht das aktuell knapp 600 Busse.

Das Bonifatiuswerk, das komplett durch Spenden finanziert wird, ist von der Deutschen Bischofskonferenz dazu beauftragt, die Diaspora-Seelsorge in Deutschland, Skandinavien, Island und dem Baltikum zu fördern. So unterstützt das Werk katholische Christen, die in ihrer Heimat in der absoluten Minderheit sind. "Keiner soll alleine glauben" – so das Motto. Das Hilfswerk stellt Geld für den Bau von Kirchen, Gemeindezentren und Jugendhäusern bereit, hilft dabei, missionarische Glaubensprojekte zu realisieren, und sendet junge Erwachsene zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Kirchengemeinden Nordeuropas. 15,4 Millionen Euro hat das Hilfswerk im Jahr 2018 ausgegeben – das jährliche Budget für die Verkehrshilfe beträgt 800.000 Euro.

Thomas Twents
Bild: ©Patrick Kleibold/Bonifatiuswerk

Thomas Twents leitet die Verkehrshilfe des Bonifatiuswerks.

Davon profitieren auch die Gemeinden von Pfarrer Torsten Brettmann in Ostfriesland, in denen zwei der "Boni"-Busse fahren. Sie sind in den zehn Kilometer voneinander entfernten Orten Rhauderfehn und Flachsmeer stationiert. 9.500 Katholiken wohnen in dem ländlichen Gebiet, das ein typischer Einsatzort für die Busse ist. Die Jugend wird damit zur Firmvorbereitung gefahren. Die Mitglieder der Frauengemeinschaft und Kolpingfamilie erreichen mit den Bussen regionale Treffen in Ostfriesland und im Emsland. Und die Senioren werden von Ehrenamtlichen mit den Bussen zu den Gottesdiensten gebracht. 35.000 Kilometer sind die beiden Neunsitzer seit November 2017 bereits gefahren. "Die Fahrzeuge sind ein Segen, ohne sie hätten wir eine ganze Reihe an Schwierigkeiten", sagt Brettmann. Schwierigkeiten ohne ein kirchliches Fahrzeug? Anhand der "Boni"-Busse wird deutlich, dass das klassische Gemeindeleben – ein Pfarrer, eine Kirche und beides vor der Haustür – seltener, das kirchliche Angebot aber vielfältiger wird. Denn um eine Jugendvesper zu feiern, fahren die Katholiken aus Rhauderfehen und Flachsmeer auch schon einmal 100 Kilometer durch Ostfriesland.

Busse durch die Diaspora

So unterschiedlich die Orte sind, an denen die 600 "Boni"-Busse fahren – sie verbindet die Situation einer Diaspora-Gemeinde. Denn Voraussetzung dafür, dass das Bonifatiuswerk einen Bulli fördert, ist, dass der Katholikenanteil auf dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde oder der kirchlichen Gemeinschaft bei weniger als 20 Prozent der Bevölkerung liegt. In 21 der 27 deutschen (Erz-)Bistümer sind die Busse unterwegs - hauptsächlich fahren sie im Norden und Osten Deutschlands, wo die Katholikenzahl prozentual am geringsten ist. Aber auch in den ansonsten sehr katholisch geprägten (Erz-)Diözesen Regensburg, Augsburg und Paderborn gibt es einzelne Gemeinden, die ein Fahrzeug gefördert bekommen, da dort nicht mal jeder fünfte Einwohner zur katholischen Kirche gehört.

Ihren Ursprung haben die "Boni"-Busse im Engagement von Pater Paul Schulte, der 1949 die "Motorisierende innerdeutsche Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft" gründete. Er stellte damals den Frauen und Männern in der Missionsarbeit Fahrzeuge zur Verfügung, damit sie auch die Menschen an entlegeneren Orten erreichen konnten. Die gleichzeitig gegründete österreichische MIVA macht noch heute Priester, Schwestern, Entwicklungshelfer und medizinisches Personal weltweit mobil.

MIVA
Bild: ©Bonifatiuswerk

Pater Paul Schulte gründete 1949 den Vorläufer der heutigen Verkehrshilfe des Bonifatiuswerks.

"Das ist die Situation, aus der auch die Verkehrshilfe im Bonifatiuswerk gegründet wurde", sagt Twents. Doch statt Fahrrädern, Motorrädern und Autos wie früher unterstützt das Werk heutzutage Gemeinden mit ihren Bullis. Schließlich könnten sich zumindest in unseren Breitengraden Priester nun selbst ein Auto leisten.

Konstant hohe Nachfrage

Die Nachfrage nach den Boni-Bussen sei konstant hoch, sagt Twents. Gut 45 Kirchengemeinden fragten jedes Jahr einen "Boni"-Bus an. Der Projektleiter sagt, dass nur wenige Anträge abgelehnt werden müssten. Wie die Busse in den Gemeinden dann tatsächlich genutzt werden, kontrolliert er aber nicht. Das sei auch nicht nötig. Die Kosten für Wartung und Versicherung seien zu hoch, als dass die Gemeinden die Busse in der Garage stehen lassen.

Eine Entwicklung, die Twents beobachtet: Die Pfarreien, die einen Bus anfragen, werden von der Fläche her immer größer. Wenn Pfarreien und damit auch das pastorale Angebot zusammengelegt werden, verlängern sich die Fahrwege. "Da werden die Herausforderungen, die Gläubigen vor Ort zusammenzubringen, umfangreicher und zeitintensiver", sagt Thomas Twents. Zudem seien neue Abnehmer der Busse hinzugekommen, zum Beispiel die Gemeinschaft "Familie der Hoffnung" oder das Projekt "Glauben ohne Grenzen" des Erzbistums Berlin, dass das Miteinander zwischen Deutschen und Polen fördert.

Boni-Busse
Bild: ©Patrick Kleibold/Bonifatiuswerk

Bereit zur Abfahrt: Fünf "Boni"-Busse vor der Dresdener Hofkirche.

Klaudia Wildner-Schipek ist als Referentin für das Projekt zuständig, das nicht nur einen "Boni"-Bus, sondern auch weitere Unterstützung vom Bonifatiuswerk erhält. Ihre Aufgabe ist es, die polnischen Christen, die seit 2007 vermehrt in das Gebiet ziehen, in die bestehenden Kirchengemeinden zu integrieren. "Besonders in Löcknitz, wo wir keine eigene Kirche haben, blüht das katholische Leben gerade auf", sagt sie. Jeden Tag sei der Boni-Bus im Einsatz, um die Menschen zu den Angeboten im gesamten pastoralen Raum zu fahren. Dazu zählt ein deutsch-polnischer Integrationsnachmittag in der Osterzeit, zum Ende der Fastenzeit die Speisenweihe, die aus der polnischen Tradition stammt, die Kommunionvorbereitung und die religiöse Kinderwoche. Die acht Kirchen des Pastoralen Raums sind zum Teil über 50 Kilometer voneinander entfernt. Mit öffentlichem Nahverkehr sind die Orte kaum zu erreichen. Wildner-Schipek spricht davon, dass die Lücke ohne den Boni-Bus nicht schließbar wäre.

Und auch in den Großstädten Hamburg und Berlin, in denen der öffentliche Nahverkehr im Vergleich zum Land luxuriös ausgebaut ist, fahren Boni-Busse. In Hamburg holen die katholischen Schulen damit ihre Schulkinder ab. In Berlin nutzt die Gemeinde St. Matthias den Bus für die Wege, die mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn deutlich schwerer wären. Regina Kasper, Sekretärin der Gemeinde mit 10.000 Mitgliedern bei einem Katholikenanteil von acht Prozent, sagt, dass mit dem Bulli der Blumenschmuck zu den Kirchen gefahren, die Mikrofonanlage für die Fronleichnamsprozession befördert und Essen in die Suppenküche der Franziskaner gebracht werde. Das Fahrzeug sei im Monat an acht bis zehn Tagen unterwegs, derzeit läge der Kilometerstand bei 23.000 Kilometern. Kasper spricht von "harter Arbeit", die der Pfarrer, die beiden Kapläne und viele Ehrenamtliche leisteten, um die Menschen anzusprechen. "Aber wir müssen auch trotz Personalmangel als Kirche nach draußen gehen und Angebote machen. Denn unsere Erfahrung ist, dass die Menschen – selbst in einer so überfütterten Stadt wie Berlin – dann Interesse zeigen und kommen."

Von Tobias Schulte