Notker Wolf zur Zukunft der Orden: Müssen einen neuen Weg finden
Notker Wolf (79), emeritierter Abtprimas der Benediktiner, sieht in Klöstern heutzutage Zufluchtsorte für viele Menschen. "Dies merke ich an der großen Nachfrage nach Gesprächen, Vorträgen, Begleitung et cetera", sagte der Ordensmann im Interview für den Missionskalender 2020 der Erzabtei von Sankt Ottilien in Oberbayern. So kämen zu den Benediktinern zahlreiche Menschen, "die mit der Kirche nichts mehr am Hut haben". Diese blieben aber Suchende, die irgendwo noch die Nähe Gottes erfahren wollten. In diesem Sinne sollte ein Kloster ein Ort Gottes sein, so Wolf.
"Wir leben in einem enormen Umbruch"
Auf die Frage, ob Orden noch zeitgemäß seien, meinte der Benediktiner: "Wir leben in einem enormen Umbruch und müssen einen neuen Weg finden." Diesen sehe er etwa darin, dass ein Abt die Aufgabe habe, Probleme zu erkennen und aufzugreifen. "Er muss nicht alles selbst machen, aber er kann gute Ideen aufnehmen." Entsprechend der Benediktregel müsse der Abt bei allen wichtigen Anliegen sämtliche Brüder zusammenrufen. "Wir müssen in unseren Orden noch viel mehr darüber diskutieren, wie es weitergehen soll, wo die Zukunft liegt."
Wolf plädierte dafür, als Kloster auch einmal ein Experiment zu wagen. Allerdings müsse man anschließend unter Umständen auch den Mut haben zu sagen, es sei daneben gegangen. "Aber wer nichts probiert, der kommt zu nichts." Sorge bereite ihm, dass es auch im kirchlichen Bereich nur wenige gebe, die Begeisterung zeigten. Und wenn doch, kämen gleich Bedenkenträger, "die bereits ein Haar in der Suppe finden, bevor sie die Suppe sehen. Und das ist das große Problem."
Notker Wolf OSB war von 2000 bis 2016 neunter Abtprimas der benediktinischen Konföderation und damit oberster Repräsentant des Benediktinerordens. Daneben ist Wolf Autor zahlreicher geistlicher Bücher und tritt zudem als Musiker auf. Einer breiten Öffentlichkeit ist er auch als Gast in zahlreichen Talkshows im Fernsehen bekannt. (tmg/KNA)