Gerhard Feige: Wortstarker Oberhirte mit ökumenischer Weite
Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige ist für seine unverblümten Worte bekannt. Bei der Einführung des evangelischen mitteldeutschen Bischofs Friedrich Kramer räumte er am Wochenende ein, "dass sich das Erscheinungsbild unserer Kirchen dramatisch verändert". Das bedeute aber "nicht unbedingt ihren Untergang", betonte Feige zugleich. Erneut erwies er sich als jemand, der aus den Realitäten immer das Beste zu machen versucht. Seit seiner Bischofsweihe am Mittwoch vor 20 Jahren hat er dies immer wieder unter Beweis gestellt.
"Kirche ist nicht an bestimmte Verhältnisse gebunden", erklärte Feige in seinem Grußwort für den neuen evangelischen Bischof. Sie könne "überall – auch unter schwierigsten Umständen – Wurzeln schlagen, sich entfalten und ihrer Sendung gerecht werden, ja, sie muss sich sogar verändern und immer wieder erneuern, um lebendig zu bleiben und nicht als Museum zu enden". Dabei sei Kirche "nicht irgendwelche Amtsinhaber", sondern alle Christen. "Keine und keiner der Getauften kann sich dieser Herausforderung entziehen und auf andere verweisen."
Indes sind die Herausforderungen nicht gering: Sinkende Katholikenzahlen (aktuell rund 81.000) im schon weitgehend kirchenfernen Sachsen-Anhalt, prekäre Kirchenfinanzen, immer mehr rechtspopulistische Tendenzen in der Gesellschaft und große Aufgaben bei der Integration der Zuwanderer. Doch leicht hatte es auch der in Halle/Saale geborene Feige selbst nie.
Benachteiligt in der DDR
Als Katholik wurde er unter dem SED-Regime wie alle Christen vielfältig benachteiligt. Er studierte in Erfurt Theologie und wurde 1978 in Magdeburg mit 26 Jahren zum Priester geweiht. Dann führte ihn sein Weg rasch in die Wissenschaft. In Erfurt forschte und lehrte er schließlich als Professor für Alte Kirchengeschichte, Patrologie und Ostkirchenkunde. In dieser Zeit reifte sein Interesse für die Ökumene. Es blieb, als er 1999 nach seiner Bischofsweihe Weihbischof im Bistum Magdeburg wurde und 2005 Leo Nowak als Diözesanbischof nachfolgte.
In den interkonfessionellen Beziehungen zählt Feige zu den profiliertesten katholischen Experten. Er ist der "Ökumene-Bischof" der Deutschen Bischofskonferenz, den Papst Franziskus 2014 in den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen berief. In einer zunehmend kirchenfernen Gesellschaft sitzen evangelische und katholische Christen gleichsam "im selben Boot", stellt Feige "bei vielen ökumenischen Begegnungen in unserer Region" fest. "Haben wir uns früher über zwischenkirchliche Themen unterhalten, geht es jetzt zumeist recht existenziell um die gesellschaftliche Situation, in der wir uns befinden". Viele Zeitgenossen könnten mit dem christlichen Glauben "egal, ob katholisch oder evangelisch – überhaupt nichts mehr anfangen".
Ein profunder und wortstarker Analytiker ist Feige auch mit Blick auf die gesellschaftspolitischen Entwicklungen. So bilanziert er mit Blick auf den Stand der deutschen Einheit: "Noch immer gibt es große Unterschiede, viele im Osten fühlen sich um Lebensjahre betrogen, nicht ernst genommen." Er räumte ein, dass sie vielleicht "auch nicht so richtig in der Demokratie angekommen oder von ihr enttäuscht" seien. Zugleich warnt der Bischof aber davor, allein dies für die hohen Wahlerfolge der AfD verantwortlich zu machen: "Die AfD ist ein gesamtdeutsches Problem, kein reines Problem des Ostens."
Deutlicher als manch anderer Bischof rügt Feige die rechtspopulistischen Entwicklungen und macht deutlich, warum diese nicht mit christlichen Positionen vereinbar sind. Er ließ eine praxisorientierte Broschüre drucken zum Umgang mit dem Phänomen – auch in Kirchengemeinden. "Wacht und betet" (Vigilate et orate) lautet der bischöfliche Wahlspruch Feiges. Für ihn bedeutet das "engagierte Gelassenheit", die sich immer wieder bewähren muss.