Franziskaner leben am Bodensee zwischen Gastfreundschaft und Abgrenzung

Die Insel der fünf Brüder

Veröffentlicht am 05.10.2019 um 13:21 Uhr – Lesedauer: 

Stein am Rhein ‐ Die Klosterinsel Werd liegt bei Stein am Rhein – einem Ort in der Schweiz, der viele Touristen anzieht. Deshalb ist es für die dort lebenden Franziskaner nicht immer einfach, die nötige Ruhe zu bekommen. Ein Besuch auf der Insel der fünf Brüder.

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Die Insel Werd ist einer der reizvollsten Orte am Untersee, einer Ecke des Bodensees, die überaus reich an reizvollen Orten ist. Von der Brücke in Stein am Rhein kann man das Priesterhaus erkennen, weiß aufragend im Grün. Still und verwunschen liegt die Insel im Strom, über einen langen Holzsteg gelangt man hinüber.

Die Insel ist frei zugänglich, genau wie die kleine Kapelle. Nur ein Schild steht am Weg, es nennt die Gebetszeiten. Morgens um 7 Uhr ist Laudes, danach heilige Messe ("wenn ein Priester da ist"). Um 12 Uhr Mittagsgebet, abends um 18 Uhr Vesper. "Wir sind dankbar, wenn Sie während der Gebetszeiten nicht vor der Kapelle laut sprechen oder in die Kapelle hineinkommen", heißt es da. Seit 1958 lebt eine Gemeinschaft von Franziskanern auf der Insel, fünf Brüder sind es zurzeit.

"Nun, die Menschen sind neugierig"

Die Gemeinschaft ist auf Besucher eingestellt: Es stehen Bänke bereit, ein Labyrinth nach dem Vorbild der Kathedrale von Chartres lädt zum Wandeln ein. Es gibt Papierkörbe und den Hinweis auf eine Toilette, die sich hinter der Kapelle findet. Gepflegt wird sie regelmäßig von den Brüdern selbst.

Doch wird die Gastfreundschaft auch als solche wahrgenommen, werden die Gebetszeiten respektiert? Bruder Christoph Maria nimmt sich Zeit für ein Gespräch. Er öffnet die Tür zum Priesterhaus, um gleich wieder abzuschließen: "Nun, die Menschen sind neugierig", erklärt er. "Wenn etwas offen steht, gehen sie rein. Ob es da nun heißt 'privat' oder nicht."

Einmal fand er eine Gruppe Japaner in seinem Flur, die durch die Sakristei eingedrungen sei. Manchmal baden die Leute auf der Insel, obwohl das verboten ist. "Selbst wenn ich die Menschen auf Fehlverhalten hinweise, reagieren sie teils ohne Einsicht." Er erklärt das mit der Haltung des modernen Menschen, der glaube: "Alle Dinge stehen mir zu!" Der Mangel an Respekt und Achtsamkeit sei ein allgemeines gesellschaftliches Problem.

Bruder Christoph Maria vom Kloster Werd
Bild: ©epd-bild/Doris Burger

Bruder Christoph Maria lebt als Franziskaner mit seinen Mitbrüdern auf der Klosterinsel Werd bei Stein am Rhein (Schweiz), einem touristischen Hotspot am Bodensee.

Auch während der Gebetszeiten kommen Leute in die Kapelle. Andere wollen dabei sein, finden die Zeit aber dann zu lang und gehen wieder. "Während des Mittagsgebets ist die Spannung am größten", sagt Bruder Christoph Maria. Vor etlichen Jahren hätten sie zur Sext abgeschlossen, aber die Leute rüttelten dann doch an der Tür. Deshalb sei nun wieder offen. Die Brüder versuchen, diese Spannung auszuhalten. Denn es sei die theologische Spannung an sich: die Gleichzeitigkeit des "Schon, aber noch nicht". Oder anders formuliert: "Das Reich Gottes hat schon begonnen, aber die Vollendung lässt auf sich warten."

Doch sie sind Franziskaner, wie Bruder Christoph Maria betont: "Wir teilen die Schönheit gerne. Es darf ein Ort sein, der für viele Leute wichtig ist - die hier ihre Sorgen abladen, Kraft schöpfen." Viele Besucher bedanken sich auch, sie sind froh, dabei sein zu dürfen. Die Brüder wollen sich nicht abschotten und Zäune ziehen. Offene Grenzen bedeuten jedoch auch: "Wir können uns die Leute nicht aussuchen."

"Wir leben auf einer Insel, aber sind inmitten von allem"

Die Gegend um Eschenz ist seit über 8.000 Jahren besiedelt. Auch die Römer bauten ein Fort an der strategisch wichtigen Position. Drei Inseln liegen hier als "Ward", also als natürlicher Übergang im Ausgang des Untersees, darunter die Insel Werd. Die Kapelle wurde wiederum über dem leeren Grab des Heiligen Otmars errichtet, dem ersten bedeutenden Abt des Klosters St. Gallen. Verleumdet, zum Tode verurteilt und zuletzt verbannt, starb er am 16. November 759 auf der Insel.

Die Geschichte erzählt Helmut Fidler, Historiker aus Konstanz: "Nachdem die Intrige rund zehn Jahre später durch reuige Mönche aufgedeckt wurde, wollten sie den Abt heim ins Kloster holen. Sie öffneten das Grab, in dem Otmar völlig unversehrt lag, brachten ihn aufs Boot und ruderten schwer gegen den Strom. Ein Sturm brach los und tobte ringsherum, doch da, wo das Boot war, herrschte Ruhe. Ein Fässchen an Wein, zur Stärkung mitgeführt, ging nicht zur Neige, bis die Mönche das Ufer in Rorschach erreicht hatten." So die Überlieferung, deren Botschaft Fidler überträgt: "Wer reinen Glaubens ist, dem kann nichts passieren."

Bereits im Jahr 958 schenkt Kaiser Otto I. die Insel der Benediktinerabtei Maria Einsiedeln, der sie bis heute gehört. 1958 überlassen die Benediktiner dem Franziskanerorden die Insel: zum Wohnen - und zur Betreuung der Kapelle. Die kleine Gemeinschaft entsteht, und seit 13 Jahren lebt Bruder Christoph Maria hier, der sagt: "Wir leben auf einer Insel, aber sind inmitten von allem."

Von Doris Burger (epd)