Die Erlöserschwestern beweisen Mut zur Veränderung
Das Anwesen der Erlöserschwestern in der Ebracher Gasse in Würzburg ist seit Monaten schon nicht mehr das, was es einmal war. Es herrscht reger Betrieb, Baulärm dringt bis in die Räume, der Garten wird umgestaltet, der Hauseingang ist verlegt. Die Kirche soll in den Mittelpunkt des Areals gerückt werden. Das, was den Schwestern so viele Jahre so vertraut war, gibt es nicht mehr. Eine Herausforderung, denn das Durchschnittsalter liegt in der Kongregation der Schwestern des Erlösers bei über 82 Jahren.
Wofür als noch groß bauen, könnte man fragen? Hat diese Kongregation, zu der aktuell noch 196 Schwestern gehören, hat das Kosterleben überhaupt noch Zukunft? Für die erst im August wiedergewählte Generaloberin Monika Edinger aber ist dies keine Frage. "Viele Ordensgemeinschaften stellen sich darauf ein, dass es zu Ende geht", weiß sie. Ihr Fokus aber ist ganz und gar nicht auf ein mögliches Ende, sondern auf Zukunft hin ausgerichtet. Dabei ist sie einerseits durchaus realistisch: "So, wie Ordensleben im Moment ist, kommen keine jungen Leute mehr." Andererseits aber strahlt sie eine geradezu ansteckende Zuversicht aus. "Gott hat für uns eine Zukunft." Man brauche das Vertrauen, dass Gott einem Wege zeige, und dann die Bereitschaft diese auch zu gehen, erklärt sie.
Wichtig ist ihr, ihre Schwestern auf einem Weg in die Zukunft mitzunehmen. Die Bauarbeiten sind da eine kleine Unterstützung. Die Schwestern erleben hautnah, dass sich alles verändert, dass sie von alten Gewohnheiten Abschied nehmen müssen. Und Schwester Monika ist stolz auf ihre Mitschwestern. Es sei nicht einfach, aber sie ließen sich darauf ein. Die Erlöserschwestern wollen den Fokus auf das legen, was erhaltenswert ist. Und das sind nicht unbedingt nur Klosterschwestern, die in einer Gemeinschaft zusammenleben, sondern vielmehr die Werte, die diese repräsentieren und umsetzen.
Auch hier seien die ersten Schritte in Richtung Zukunft schon getan, berichtet Schwester Monika. "Wir versuchen verstärkt unsere Mitarbeiter für unsere Werte zu gewinnen", erklärt die Generaloberin. Es gelte den Geist der Kongregation zu erhalten, auch wenn die Schwestern einmal nicht mehr da sein sollten.
Allein in Deutschland hat die Gemeinschaft rund 1.000 Mitarbeiter, in den USA sind es sogar 5.000 Angestellte. Sie alle sind eingeladen, die Spiritualität der Schwestern zu teilen, an Bibelabenden teilzunehmen und sich allgemein mit der Frage auseinanderzusetzen: Was ist eigentlich ein christliches Verständnis von Gott und der Welt? "Unser Mitarbeiter sind die Multiplikatoren, die unsere Werte in die Welt tragen", erklärt Schwester Monika. Seit sie so eng mit einbezogen werden, setze sich auch die Gemeinschaft wieder intensiver mit ihren Werten auseinander, stellt sie fest.
"Das Ordensleben wird sich verändern"
Aber nicht nur Werte werden geteilt, sondern auch Verantwortung. Die Geschäftsleiter beispielsweise waren auch beim Generalkapitel dabei und haben mit beraten. "Das birgt eine ganz andere Dynamik und eine Chance, wir lernen voneinander", erklärt die Generaloberin. Auch nach außen öffnet sich die Gemeinschaft. "Das Ordensleben wird sich verändern", da ist sich Schwester Monika sicher. Es brauche neue Formen des Zusammenseins, mit unterschiedlicher Intensität und Verbindlichkeit.
So wird das Klosterleben auf Zeit wieder neu aufgestellt. Und es gibt die Gruppe der "Assoziierten". "Ein sperriges Wort", bemängelt Schwester Monika, "aber es ist uns noch kein besseres eingefallen." Zwei Jahre lang treffen sich Menschen sieben Mal für zwei Tage, um sich mit Fragen des Christseins auseinanderzusetzen. Danach entscheiden sie sich, ob sie dieser Gruppe zunächst für ein Jahr angehören wollen. In engem Austausch miteinander und mit den Schwestern leben sie dann ihr Christsein im Alltag.
Langfristig soll es auch die Möglichkeit des Zusammenlebens geben. Das Kloster solle für jeden offen sein, der Unterschied werde allein in der Intensität liegen, meint Schwester Monika. Sie weiß, dass sich ihre Mitschwestern das noch nicht wirklich vorstellen können. Aber wichtig sei, dass sie bereit sind "sich einzuüben in Vertrauen und Bereitschaft". Dadurch komme Bewegung in die Gemeinschaft. Die Generaloberin weiß: "Das wird noch einmal spannend, wenn’s konkret wird."
Menschen suchen und brauchen Gemeinschaft, ist sich Schwester Monika sicher. Das gibt ihr deshalb auch das Vertrauen darauf, dass Ordensleben im Sinne von Gemeinschaft überleben wird und nur die Strukturen sich ändern. Auch die sogenannten evangelischen Räte – Keuschheit, Armut und Gehorsam – haben in ihren Augen nichts an Aktualität verloren. Was heiße denn Keuschheit anderes, als "Menschen nicht zu meinem Nutzen zu gebrauchen?", fragt sie. Auch das Thema Armut sei hochaktuell. Es gehe dabei um "die Verantwortung, nicht alles haben zu wollen". Und zu guter Letzt spiele das Thema Gehorsam in einer Zeit, in der es um Macht und Machtmissbräuche gehe, eine große Rolle. Dabei sei es wichtig, sich eines klarzumachen: "dass zuhören, auf den anderen eingehen und 'mich nicht über alles zu stellen', ein Wert ist, der von vielen Menschen mitgetragen wird".
Glaube lebt von Gemeinschaft
Durch den Umbau zeigen die Schwestern auch, dass sie auf Zukunft setzen. Es war eine klare Entscheidung der gesamten Kongregation, die Gemeinschaft äußerlich und innerlich umzubauen. Die Kernfrage dabei lautet: Haben wir gemeinsame Werte? Nicht nur, dass die Kirche dafür ins Zentrum des Areals rückt, als Zeichen für die Mitte all dessen, was für die Schwestern wichtig ist und was weitergelebt werden soll: die christliche Botschaft. Es entstehen Räume der Begegnung, in denen beispielsweise bereits jetzt ein Musikverein regelmäßig probt. Die Wohnräume der Schwestern werden bereits jetzt so angelegt, dass dort jederzeit auch andere Menschen wohnen können, die dem Orden nicht angehören.
Besonders für die Schwestern stellt sich bei all dem die Frage: Traue ich anderen etwas zu? Glaube ich, dass sie ihre Spiritualität leben, wenn auch vielleicht in einer anderen Form? Traue ich anderen zu, dass sie ebenso für andere Menschen da sein wollen? Und dann immer wieder neu zu überprüfen: Haben wir noch ein gemeinsames Ziel? "Glaube lebt von Gemeinschaft und Christsein heißt für den Menschen da zu sein", fasst Schwester Monika das Wichtigste zusammen. Und das, da ist sie sicher, hat Zukunft.