"Diese wunderbare Schöpfung"
Frage: Schwester Philippa, wie kam es dazu, dass Sie zur Ökologia berufen wurden?
Schwester Philippa: Der Vorstand der Stiftung für Ökologie und Demokratie hatte beschlossen, die heilige Hildegard als neue Ökologia zu benennen. Da diese aber nun einmal seit fast 850 Jahren tot ist, suchte man eine Stellvertreterin. Ich habe viel mit der heiligen Hildegard und ihrem Werk zu tun, so fiel die Wahl wohl auf mich. Ich stehe in diesem Ehrenamt also nicht für mich, sondern ich repräsentiere die heilige Hildegard von Bingen.
Frage: Den Begriff Ökologie gab es aber zu Lebzeiten Hildegards doch noch gar nicht...
Schwester Philippa: Das ist richtig. Ökologie ist natürlich kein Begriff des Mittelalters. Aber es gab den Begriff Oikos, die Haus- und Wirtschaftsgemeinschaft, die den Lebensmittelpunkt der Menschen bildet. Dabei geht es automatisch auch immer um die Frage, wie das Zusammenleben der Menschen mit der Natur im Sinne der göttlichen Schöpfungsordnung gestaltet und langfristig gesichert werden kann. Dazu hat die heilige Hildegard einiges zu sagen.
Frage: Was ist konkret Ihre Aufgabe als Ökologia?
Schwester Philippa: Ich repräsentiere ein Jahr lang die Stiftung für Ökologie und Demokratie und ihre Anliegen. Ich werde zum Beispiel für Interviews angefragt, habe vor kurzem die Speyerer Umweltmesse eröffnet, werde einen von der Stiftung ausgelobten Preis vergeben, und im Herbst halte ich bei einer Tagung in Landau einen Vortrag über die Schöpfungstheologie der heiligen Hildegard.
Frage: Was bedeutet Ihnen dieses Amt?
Schwester Philippa: Ich habe mich gefreut, dass man die heilige Hildegard als Schirmherrin der Stiftung ausgewählt hat, denn sie hat schon vor 900 Jahren vieles gesagt, was für das ökologische und nachhaltige Denken auch heute noch relevant ist. Ich bin selbst ökologisch sehr interessiert. Lange vor meinem Eintritt ins Kloster habe ich Politikwissenschaft und Theologie studiert und mich immer für Umweltschutz und Umweltethik interessiert. Damals galten wir noch als hoffnungslose Idealisten. Heute ist das Thema Ökologie auch in der Kirche und in den Klöstern längst angekommen.
Frage: Wie ist Ihre persönliche Haltung zur Schöpfung, was berührt Sie am meisten?
Schwester Philippa: Der Frühling ist meine Lieblingsjahreszeit. Sehnsucht und Verheißung kommen hier so schön heraus; es gibt neues Wachstum, neues Werden. Aber auch die Verantwortung für diese wunderbare Schöpfung wird einem in dieser Zeit besonders bewusst.
Frage: Die Bewahrung der Schöpfung ist auch Papst Franziskus ein Anliegen. Fühlen Sie sich in Ihrem Amt von ihm und der heiligen Hildegard beflügelt?
Schwester Philippa: Ja, von beiden gleichermaßen. Dass ich dieses Amt inne habe, hat ja einen aktuellen Hintergrund: Erst im vergangenen Jahr hat Papst Benedikt XVI. Hildegard durch ihre Heiligsprechung und Erhebung zur Kirchenlehrerin weltweit in den Fokus gerückt. Das war ein deutliches Zeichen. Der neue Papst Franziskus macht uns natürlich auch Freude. Für alle, die einen einfachen Lebensstil proklamieren und die sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen, ist alleine der Name Franziskus ja schon ein Programm.
Frage: Im Alltag und in den Medien entsteht der Eindruck, ökologisches Denken sei ein großes Thema. Andererseits scheint sich de facto wenig zum Guten zu ändern...
Schwester Philippa: Das ist richtig. Man hat den Eindruck, dass das Thema bei den ganz normalen Menschen eher angekommen ist als in der großen Politik. Ich war zum Beispiel sehr enttäuscht von der letzten Klimakonferenz in Katar . Da ist in der Tat eine wichtige Chance verpasst worden, und man muss aufpassen, dass man nicht resigniert. Aber auch da kann die heilige Hildegard uns ermutigen. Sie betont immer wieder die Einheit von Mikro- und Makrokosmos: Das, was ich in meinem kleinen, privaten Umfeld für die Bewahrung der Schöpfung und für einen angemessenen und ehrfürchtigen Umgang mit allen Geschöpfen und der Natur tue, das ist nicht umsonst. Das hat immer Auswirkungen auf das Ganze.
Frage: Wie sieht es in der Kirche aus?
Schwester Philippa: Hier ist das Thema aus meiner Sicht deutlich präsenter als früher. Es gibt etwa den "Ökobischof" von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, der nicht müde wird, immer wieder auf ökologische Zusammenhänge hinzuweisen. Auch in vielen Kirchengemeinden und Klöstern beobachte ich inzwischen ein verstärktes Bewusstsein, langfristig und nachhaltig zu denken, zum Beispiel im Bereich des umweltgerechten und energieeffizienten Bauens. Da sind wir durchaus auf einem guten Weg.
Das Interview führte Angelika Prauß (KNA)