Kardinal sieht Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und Außenansicht

Marx zu Amtsverzicht als DBK-Vorsitzender: Mich wollte niemand stürzen

Veröffentlicht am 23.05.2020 um 09:51 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Kardinal Reinhard Marx nennt weitere Gründe für seinen Verzicht auf das Amt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Er sagt auch, dass Menschen ihn anders wahrnehmen als er ist – und dass die Weltkirche auf Deutschland blicke.

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Kardinal Reinhard Marx hat für seinen Amtsverzicht auf den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz erneut persönliche Gründe genannt. "Ich hatte nie das Gefühl, dass mich jemand stürzen wollte", betonte der Erzbischof von München im Interview mit dem "Spiegel" (Samstag). Alle seien davon ausgegangen, dass er noch einmal antrete. "Ob sich das alle mit gleicher Intensität gewünscht haben, kann ich nicht sagen", fügte er hinzu.

Im Februar hatte Marx überraschend bekannt gegeben, auf eine zweite Amtszeit als Vorsitzender zu verzichten. Für ihn sei eine entscheidende Frage gewesen, ob er in seinem Alter noch einmal eine sechsjährige Amtszeit durchziehen wolle. "Ich war überzeugt, dass die Zeit reif ist für einen Wechsel", sagte Marx, der weiterhin Erzbischof von München und Freising ist. Sein Nachfolger als Konferenz-Vorsitzender ist der Limburger Bischof Georg Bätzing.

Die Weltkirche blickt auf Deutschland

Der Kardinal sieht zudem eine Diskrepanz zwischen seiner Selbsteinschätzung und der Außenansicht. "Ich bin von meinem Empfinden her ein Konservativer", sagte er. Dagegen werde er in der Weltkirche inzwischen eher als fortschrittlich wahrgenommen. "Als 15-Jähriger fand ich es nicht so toll, dass man nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil alte Zeremonien und Bilder vielerorts abgeschafft hat. Traditionen sind auch etwas Großes", unterstrich der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Dennoch müsse man Traditionen weiterentwickeln. "Die Kirche darf nicht zum Museum werden, sie lebt."

Nicht nur er selbst, sondern auch die Kirche in Deutschland werde in der Weltkirche als fortschrittlich angesehen. "Der Papst sagte zu mir: Auf euch gucken sie! Er meinte das ermutigend und warnend", sagte der 66-Jährige. Die wissenschaftliche Theologie und das Engagement der katholischen Laien würden dort positiv betrachtet. "So etwas wie Katholikentagsdiskussionen, wo die Basis der Gläubigen über die richtige Richtung der Kirche debattiert, das kennt man in anderen Ländern so nicht", sagte der Kardinal.

Kritik an Corona-Aufruf

Marx nahm auch Stellung zum umstrittenen Corona-Aufruf des italienischen Erzbischofs Carlo Maria Vigano. Dieser machte ihn nach eigenen Worten fassungslos. "Er spaltet und macht Angst. Ich sehe keine Veranlassung zu glauben, dass morgen die Diktatur in unserem Land ausbricht oder die Religion bekämpft wird", so der Kardinal.  Er fügte hinzu, er wisse nicht, aus welcher Kompetenz heraus die Kirche darüber debattieren sollte, was bei einer Pandemie sinnvoll sei und was nicht. "Ich halte mich an das, was die Politik nach intensiver Beratung vorgibt. Und die Verantwortlichen waren durchaus offen für unsere Anliegen", so der Münchner Erzbischof.

In dem Schreiben Viganos heißt es, die Corona-Pandemie solle als Vorwand genutzt werden, um eine Weltregierung zu schaffen, "die sich jeder Kontrolle entzieht". Grundfreiheiten würden unverhältnismäßig und ungerechtfertigt eingeschränkt. Zu den Unterzeichnern zählt der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller. Inzwischen sollen sich rund 40.000 Menschen dem Schreiben angeschlossen haben. Von vielen Seiten wurde den Unterzeichnern vorgeworfen, sich an der Verbreitung von Verschwörungsmythen zu beteiligen. Zahlreiche deutsche Bischöfe hatten die Aktion mitunter scharf kritisiert. (mpl/KNA)