Theologin bewirbt sich als Nachfolgerin von Kardinal Barbarin
Es klingt ein bisschen wie die in Deutschland aktive kirchliche Frauenprotestbewegung Maria 2.0, aber auf Französisch. Auch im Nachbarland lautet die Frage: Warum sollen Frauen warten, bis sie von der Kirche aufgefordert werden, sich auf Leitungspositionen zu bewerben? Die 73-jährige Theologin Anne Soupa macht nun Nägel mit Köpfen. Am Montag reichte sie ihre Bewerbung für die Leitung des Erzbistums Lyon beim Nuntius in Paris ein. Sie schickte dem Vatikanbotschafter ein Glaubensbekenntnis, ein Reformprogramm, ihren Lebenslauf - und flankierte das Ganze mit einer Pressemitteilung.
Seit März ist die Stelle in Lyon vakant. Ende Januar wurde Kardinal Philippe Barbarin in einer Berufungsverhandlung in zweiter Instanz zwar vom Vorwurf der Nichtanzeige von Missbrauchsfällen freigesprochen, bot aber seinen Rücktritt an, damit ein neues Kapitel für das Erzbistum aufgeschlagen werden könne. Papst Franziskus nahm dieses Rücktrittsangebot am 6. März an. Die Leitung des Erzbistums Lyon hatte er im Juni übergangsweise dem früheren Bischof von Evry-Corbeille-Essonnes, Michel Dubost (78), übertragen.
Theologin Soupa sieht ihre Bewerbung als Antwort auf die Aufforderung des Papstes, mehr gegen Missbrauch und verkrustete Machtstrukturen zu tun. Obwohl Franziskus den Klerikalismus angeprangert habe, nähre die Kirche ihn weiter, kritisiert die Theologin. Barbarin und seine drei Vorgänger seien an ihrer wichtigsten Aufgabe gescheitert: die Gemeinden der Erzbistums vor Missbrauch zu schützen, schreibt Soupa auf Twitter.
Missbrauch Dutzender Kinder im Erzbistum
Damit spielt sie auf die Affäre an, die Barbarin zum Verhängnis wurde. Dem ehemaligen Priester Bernard Preynat wird vorgeworfen, in den 80er und 90er Jahren im Erzbistum Dutzende Kinder sexuell missbraucht zu haben. "Wie kann das Vertrauen der Katholiken, der Laien und Priester, wieder zurückgewonnen werden?", fragt Soupa.
Warum sich die Theologin als ideale Kandidatin für die Nachfolge von Barbarin sieht? Sie kenne Lyon, habe vier Jahre dort gelebt. "Ich engagiere mich in meiner Kirche seit über 35 Jahren, vor Ort, als Bibel-Expertin, Theologin, Journalistin, Schriftstellerin", schreibt sie. Zudem sei sie Mitbegründerin und aktuelle Präsidentin des "Comite de la jupe".
Dieses "Rock-Komitee" wurde 2008 von Soupa und der Schriftstellerin Christine Pedotti gegründet, nachdem Kardinal Andre Vingt-Trois über eine stärkere Beteiligung von Frauen am kirchlichen Leben gesagt hatte: "Es geht nicht darum, einen Rock zu haben, es geht darum, etwas im Kopf zu haben." Vingt-Trois entschuldigte sich später für die Aussage, doch der Verein blieb bestehen. Zudem gründete sich daraus die "Katholische Konferenz der getauften französischsprachigen Christinnen" ("Conference catholique des baptisees francophones"), in der Soupa ebenfalls leitende Funktionen übernahm.
Ein neues Konzept sei nötig
"In einer Zeit, in der sich die Kirche in einer sehr tiefen Krise befindet, brauchen wir ein neues Konzept", zeigt sie sich überzeugt. Und spricht sich dafür aus, dass Laien mehr Verantwortung übernehmen können und dürfen. "Wenn meine Bewerbung aufgrund des kanonischen Rechts verboten ist, dann nur, weil ich eine Frau bin", schreibt sie. Frauen könnten keine Priester werden und nur Priester, die Bischöfe werden, könnten die Kirche leiten. "Die Kirche bleibt zerrissen, eine Gefangene dieses Klerikalismus", beklagt Soupa. Sie sieht in ihrer Bewerbung eine "ausgestreckte Hand" hin zu einer Modernisierung.
Die Theologin will es nicht bei ihrer eigenen Bewerbung bewenden lassen. Sie fordert über Twitter alle Frauen mit Erfahrung in der Kirche auf, sich auf freie Posten zu bewerben, "zu denen sie sich berufen fühlen". Mit ihrer Ankündigung scheint sie einen Nerv getroffen zu haben. Unzählige französische Medien berichten bereits am Montagnachmittag über ihre Initiativbewerbung. Über den Nachrichtendienst Twitter applaudierte ihr sogar Frankreichs Staatssekretärin für Gleichstellung, Marlene Schiappa. Nun heißt es warten - auf die Antwort des Nuntius.
Immerhin: Im Schweizer Bistum Freiburg löst jetzt eine Frau den Bischofsvikar ab. Dennoch sei sie keine "Bischofsvikarin", sagt Marianne Pohl-Henzen. Dafür müsste sie die Priesterweihe haben.