Professor unterstellte Homosexuellen "Falschpolung"

Nach "kath.net"-Interview: Biologe Ulrich Kutschera verurteilt

Veröffentlicht am 04.08.2020 um 11:55 Uhr – Lesedauer: 

Kassel ‐ Die Öffnung der Ehe bringe "staatlich geförderte Pädophilie": Für diese und andere Aussagen zu Homosexuellen auf dem umstrittenen Portal "kath.net" wurde der Biologe Ulrich Kutschera nun verurteilt. Doch das letzte Wort in dem Fall bleibt abzuwarten.

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Das Amtsgericht Kassel hat den Biologen Ulrich Kutschera wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Homosexuellen eine "Falschpolung" zu unterstellen, sei ein Werturteil, so Richter Henning Leyhe laut der "Hessenschau" am Montag. Da helfe auch die Präsentation von Fakten nicht, da bereits deren Auswahl eine Wertung darstelle, heißt es weiter. Vom Vorwurf der Volksverhetzung wurde Kutschera freigesprochen, wie auch von einer nebenbei verhandelten Fahrerflucht.

In einem Interview mit dem Internetportal "kath.net" hatte der Biologieprofessor 2017 mit Blick auf eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare unter anderem behauptet: "Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mann bzw. Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen." Zudem bezeichnete er homosexuelle Paare als "sterile, asexuelle Erotik-Duos ohne Reproduktions-Potenzial".

Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen Volksverhetzung angestrebt, da Kutschera die Menschenwürde Homosexueller herabgewürdigt habe. Die Verteidigung hatte hingegen für Freispruch plädiert, da Kutscheras Aussagen von der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gedeckt seien.

"Es geht nicht um Geschmack"

Richter Leyhe betonte nun: "Es geht nicht um den guten oder schlechten Geschmack." Er mahnte eine Mäßigung des Diskurses an: "Man kann Sachen ablehnen, aber nicht herabwürdigen." Kutschera hatte während des Prozesses versucht, seine Aussagen wissenschaftlich zu untermauern. Durch so entstandene Terminprobleme war ein erster Prozess gegen ihn geplatzt. Einerseits betonte er, Homosexuelle nicht verletzen oder kriminalisieren zu wollen. Andererseits zeigte er beim Prozess Fotos eines verletzten Mädchens und erklärte, 90 Prozent der ohne einen Vater aufwachsenden Mädchen zeigten selbstverletzendes Verhalten.

Nach dem Interview hatten insgesamt 17 Personen Kutschera angezeigt. Mildernd wurde nun berücksichtigt, dass das Verfahren bereits seit 2017 läuft und der Biologe nicht vorbestraft ist. Kutschera ist bereits häufiger mit Äußerungen zu den Themen Gender Studies und Homosexualität aufgefallen, die zum Teil als diffamierend wahrgenommen werden. Er sitzt im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Der Biologe hat bereits Berufung gegen das Urteil eingelegt, wie ein Gerichtssprecher der Katholischen Nachrichten-Agentur sagte. Der Fall kommt wohl nun vor das Kasseler Landgericht.

Das Internetportal "kath.net" hat bereits mehrmals herabwürdigende Texte zu den Themen Gender und Homosexualität veröffentlicht. Dafür wurde die Internetseite mehrfach kirchlicherseits kritisiert. So bezeichnete der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, das Portal als ein Beispiel für "scharf agierende kirchliche Medien". Die Seite mit Sitz in Linz arbeitet nicht im Auftrag der Österreichischen Bischofskonferenz, sondern wird privat finanziert. (cph)

Update 04.08.2020, 15.50: Ergänzung Berufung Kutscheras