Vielfältige Kandidatenliste: Wer wird neuer Bischof von Chur?
Bald soll die Bischofskongregation in Rom wieder Post aus Bern bekommen. Nach Informationen des Portals kath.ch läuft derzeit eine neue Konsultationsrunde: Der Botschafter des Papstes in der Schweiz, Erzbischof Thomas Gullickson, holt bei Kirchenleuten Informationen zu möglichen Kandidaten für den Churer Bischofssitz ein. Diese fünf Kandidaten sollen sich auf der Liste befinden.
Joseph Bonnemain: Sollte es sein Name tatsächlich in die Endrunde schaffen, dürfte er die besten Chancen auf eine Wahl durch das mehrheitlich konservative Domkapitel haben. Er ist selbst Mitglied des Domkapitels und genießt nicht nur dort einen guten Ruf. Kenner des Bistums sehen in ihm einen Brückenbauer. Als Mitglied des Opus Dei ist er konservativ genug, um für eine gewisse Kontinuität zu sorgen. Als Bischofsvikar für die Beziehungen zu den staatskirchenrechtlichen Organisationen und den Kantonen hat er gezeigt, dass er für das duale Schweizer System einsteht.
Bonnemain ist Sekretär des Fachgremiums "Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld" der Bischofskonferenz und bringt hier Expertise und Glaubwürdigkeit ein. Er ist nicht nur Kirchenrechtler, sondern auch Arzt und in der Krankenhausseelsorge tätig. Mit 72 Jahren wäre Bonnemain allerdings ein Übergangsbischof: Nach drei Jahren müsste er dem Papst gemäß dem Kirchenrecht seinen Rücktritt anbieten und könnte dann allenfalls noch einige Jahre in die Verlängerung gehen.
Urban Federer: Der Abt des Klosters Einsiedeln ist der Wunschkandidat progressiver Katholiken. Der 52-Jährige stammt aus Zürich, sieht sich als Teil einer postmodernen Generation und ist Experte für Kirchenmusik. Als Germanist wurde er über die "Mystische Erfahrung im literarischen Dialog" promoviert.
Federer ist ein gefragter Interviewpartner, dessen Stimme auch in urbanen und säkularen Milieus gehört wird: modern im Denken und als Benediktiner zugleich einer langen Tradition verpflichtet. Viele trauen ihm zu, ein neues Kapitel im zerstrittenen Bistum Chur aufzuschlagen. Sein geringes Alter spricht sowohl für als auch gegen ihn. Er könnte das Bistum mehr als zwei Jahrzehnte prägen.
Ruedi Beck: Der Name auf einer Liste des Nuntius wäre überraschend; schließlich gehört Beck nicht zu Chur, sondern zum Bistum Basel. Ob das Domkapitel einen Externen wählen wird, ist fraglich. Das Mitglied der Fokolar-Bewegung steht für einen diakonischen und charismatischen Kirchenkurs. Wegen seiner Flüchtlingsarbeit musste sich Beck einmal vor dem Basler Strafgericht verantworten, wurde aber freigesprochen.
Der Pfarrer der Hofkirche in Luzern ist für pointierte Aussagen bekannt. Von 2000 bis 2003 war Beck Co-Leiter des internationalen Zentrums für Theologiestudierende der Fokolar-Bewegung in Rom. 2010 wurde er bereits einmal als für den Bischofssitz von Basel gehandelt, kam aber nicht zum Zug. Jahrgang 1963, wäre er ebenfalls vergleichsweise jung.
Adrian Lüchinger: Der Pfarrer in Horgen, Jahrgang 1965, ist sogar noch etwas jünger. Lüchinger gehört dem "Forum Priester der Diözese Chur" an, das sich für einen Brückenbauer als Bischof einsetzt. Das Forum kritisiert auch eine "wachsende Entfremdung zwischen einem großen Teil der Gläubigen und der diözesanen Kirchenleitung". Lüchinger wurde mit einer Arbeit über die "Päpstliche Unfehlbarkeit bei Henry Edward Manning und John Henry Newman" promoviert.
Zur Familiensynode in Rom sagte er 2014: "Ohne nach 20 Jahren in der Kirche desillusioniert wirken zu wollen, bin ich realistisch geworden. Ähnlich wie in der Unfehlbarkeitsfrage gibt es eine Pro- und eine Kontra-Fraktion für Veränderungen. Man darf aber hoffen, dass es positive Auswirkungen auf die pastorale Tätigkeit geben wird und dass wir von der Sympathiewelle, die im Moment für Papst Franziskus herrscht, profitieren werden und von deren Schwung etwas mitnehmen können."
Mario Pinggera: Dem Pfarrer von Richterswil, Jahrgang 1969, werden allenfalls Außenseiterchancen eingeräumt. Pinggera ist leidenschaftlicher Kirchenmusiker und Dozent für Kirchenmusik in Chur. Seine Doktorarbeit: "Musik und Kirche unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Diktatur in Südtirol".
Musik und Pastoral gehen für ihn Hand in Hand, wie er 2019 sagte: "Mindestens 50 Prozent der pastoralen Tätigkeit ist Musik. Wenn ich Menschen im Altersheim besuche, singen wir oft zusammen. Das wird mehr geschätzt, als wenn ich bloß auf die Leute einrede. Die nonverbalen Elemente kommen in der Kirche ja oft zu kurz."
Wie geht es also weiter? Wenn die Namen in Rom überzeugen, erhält das Churer Domkapitel eine Dreierliste, die sogenannte Terna. Darauf können aber auch andere Namen stehen - der Papst ist nicht an die Vorschläge des Nuntius gebunden. Das Domkapitel muss dann einen der drei Kandidaten zum Bischof wählen. Es besteht nach zwei jüngsten Todesfällen derzeit aus 22 Priestern, mehrheitlich konservativen.
Die Dauer des Prozederes ist ebenfalls unklar. Bischof Vitus Huonder (78) hatte 2017 nach Erreichen der Altersgrenze seinen Amtsverzicht angeboten; Papst Franziskus nahm diesen 2019 an. Seither führt Bischof Pierre Bürcher (74) als Apostolischer Administrator übergangsweise die Geschicke des Bistums. Ein Kenner der Diözese formuliert es so: "Am Ende kommt es ganz anders."