Beschimpfungen und Schläge – Wie Stefan T. unter seiner Frau leidet
Stefan T. ist ein kräftiger Mann mittleren Alters. Er ist erfolgreich in seinem Job, trägt Personalverantwortung. Mit seiner Frau lebt er – mit einer kurzen Unterbrechung – seit 13 Jahren zusammen und hat zwei gesunde Kinder. Von außen scheint es, als führe er das perfekte Leben. Doch wie sehr er unter seiner Frau leidet, das weiß niemand.
Stefan T. heißt eigentlich anders. Seinen richtigen Namen möchte er nicht verraten, zu groß ist die Scham. Seit sechs Jahren wird er von seiner Frau regelmäßig beschimpft und erniedrigt. Vor einiger Zeit kamen auch körperliche Übergriffe dazu. "Ich fühle mich hilflos", sagt er. Den enormen Druck, die Verzweiflung spürt man. T. reibt sich nervös die Hände, schaut nach unten, während er seine Geschichte erzählt. Immer wieder muss er tief durchatmen. "Ich habe mich ja selbst gefragt: Warum kriegst du das nicht alleine hin? Jemand anderem konnte ich mich nicht anvertrauen, es glaubt einem ja eh keiner."
Wenn Frauen in der Beziehung Opfer von Gewalt werden, diskutiert die Gesellschaft darüber. Aber Männer, die von Frauen misshandelt werden? Das müssen doch Weicheier sein, denken Viele. Auch Stefan T. dachte das lange über sich selbst. Vor 13 Jahren lernte er seine heutige Frau kennen. "In der Anfangszeit haben wir uns supergut verstanden, es war alles harmonisch. Irgendwann wurde sie unzufrieden, hat es aber nicht offen gesagt." Der größte Wunsch von Stefan T.s Frau war es, Kinder zu bekommen. Weil sich der Kinderwunsch aber lange Zeit nicht erfüllt habe, sei ihr Frust gewachsen, sagt T. Sie begann, ihren Partner verbal zu erniedrigen. "Da fielen dann Ausdrücke wie 'du Idiot', 'du faules Schwein'." Bis heute braucht es nicht viel, um die Situation eskalieren zu lassen. "Meine Frau hat eine sehr kurze Zündschnur. Ich muss ihr nur widersprechen und schon wird sie aggressiv. Oft wehre ich mich nicht, sondern lasse es über mich ergehen, um die Situation nicht noch weiter anzuheizen."
Angst vor Konsequenzen
Klaus Schmitz vom Sozialdienst katholischer Männer in Köln, kurz SKM, kennt diese Verhaltensmuster nur zu gut. Momentan hat Schmitz 17 männliche Klienten in Beratung, die Opfer häuslicher Gewalt sind. Auch in homosexuellen, aber eben meist in heterosexuellen Beziehungen. "Irgendwann denkt der Mann nur noch: Wo darf ich sie nicht provozieren? Und überlegt ständig: Was tut ihr gerade gut?", sagt Schmitz. Nicht, weil man sich in einer gleichberechtigten Beziehung um das Wohl sorge, sondern weil man Angst vor Konsequenzen habe, wenn man der Partnerin nicht ständig alle Wünsche von den Augen ablese.
Wenn Frauen Gewalt ausüben, dann ist das häufig psychisch und viel seltener physisch als bei männlichen Tätern. Häufig werde der Mann zum Beispiel in seiner Männlichkeit herabgewertet, sagt Schmitz. Oder er werde sozial isoliert. Kontakte zu unerwünschten Personen würden von der Frau verboten, Handynachrichten und E-Mails kontrolliert. Doch viele Verhaltens- und Denkmuster seien bei weiblichen und männlichen Opfern häuslicher Gewalt gleich. "Die meisten Männer übernehmen die Verantwortung von ihrem Gegenüber. Nach dem Motto: Es hat ja einen Grund, dass meine Partnerin so ist. Sie stellen sich selbst in Frage, anstatt sich bewusst zu machen: Was wird mir gerade angetan?"
Wenn sie die Schuld bei sich selbst suchten, müssten sie sich nicht eingestehen, dass sie ohnmächtig seien, sagt Schmitz. Denn ihr eigenes Verhalten könnten sie ja ändern. Sich noch mehr gefallen lassen. Noch weniger Widerworte geben. Sich selbst noch mehr verleugnen. "Die Bedürfnisse – Geborgenheit, Liebe, Familie – stellen sie über alles, nehmen sich komplett zurück und verlieren sich letztlich."
Zwischendurch trennten sich Stefan T. und seine Partnerin. Doch trotz der Erniedrigungen kam er wieder mit seiner Partnerin zusammen. Die beiden heirateten sogar und bekamen Zwillinge. Der Kinderwunsch war also endlich erfüllt – die Gewalt wurde aber nur noch schlimmer. "Dann fing sie an, meine Hemden und T-Shirts zu zerreißen und mir blaue Flecken zu verpassen", erzählt T. "Sie hat dann als Rechtfertigung benutzt, dass sie ja die Kinder schützen müsse." Einmal schubste seine Frau ihn, als er ein gemeinsames Kind auf dem Arm hielt. Stefan T. stürzte, doch zum Glück blieben sein Kind und er unverletzt. "Da hat sie mir noch vorgeworfen, ich hätte mich absichtlich fallen lassen."
Eine Anzeige zog er zurück – weil seine Frau Druck ausübt
Irgendwann ertrug Stefan T. die regelmäßigen Misshandlungen nicht mehr. Er ging zur Polizei, erstattete Anzeige wegen häuslicher Gewalt. Die Beamten machten Beweisfotos von den Blutergüssen auf seinen Armen. Doch statt Verständnis bekam Stefan T. nur weitere Vorwürfe an den Kopf geworfen. "Der Beamte fragte, warum ich denn erst jetzt komme. Dabei war es eine riesige Überwindung für mich, überhaupt zur Polizei zu gehen." Die Anzeige zog er später wieder zurück, weil seine Frau Druck auf ihn ausübte.
Laut einer Studie des Bundeskriminalamts sind in 80 Prozent aller Fälle Frauen Opfer häuslicher Gewalt. Aber es gibt eben auch die 20 Prozent, in denen Männer die Opfer sind. Dass darüber immer noch so wenig gesprochen wird, liege vor allem am festgefahrenen männlichen Rollenbild, weiß Klaus Schmitz. "Wir sind diejenigen, die funktionieren, die stark sind und alles im Griff haben. Wenn wir ein Problem haben, geht das irgendwann von allein. Es gibt nur den Mann oder das Opfer", sagt Schmitz. Ein beliebter Spruch: "Ein Indianer kennt keinen Schmerz." Und das gelte schon für Kinder. Solche Bilder schaffen Scham bei den Betroffenen. Dass sich die physisch meist stärkeren Männer nicht gegen die Angriffe der Partnerin wehren, verstünden ohnehin die wenigsten. "Dabei wollen viele Männer sich nicht wehren, weil sie keine Täter sein wollen. Und weil sie wissen, dass die Polizei eher der Frau als dem Mann glaubt."
2018 wurden alleine in NRW rund 7.000 häusliche Gewalttaten gegen Männer erfasst. Trotzdem gibt es nur vereinzelt spezialisierte Männerberatungsstellen. Auf der anderen Seite existieren auch nur sehr wenige Anlaufstellen, an die sich weibliche Täterinnen überhaupt wenden können, um an ihrem Verhalten zu arbeiten. Ein weiteres Beispiel: In Deutschland gibt es für Frauen etwa 6.800 Plätze in Frauenhäusern und Schutzwohnungen, für Männer existieren gerade einmal 24. In Köln hat der SKM derzeit zwei Schutzwohnungen für Männer, nach einer dritten wird gesucht.
Dass er selbst einmal die Kontrolle verloren hat, möchte Stefan T. nicht verschweigen. "Die Zwillinge wurden eines Nachts wach und schrien. Meine Frau und ich waren beide übermüdet und gereizt. Weil wir wieder stritten und ich die Situation beruhigen wollte, habe ich meiner Frau vors Schienbein getreten." Das sei ein großer Fehler gewesen, betont T. "Aber wenn man immer weiter gedrängt wird… ich konnte irgendwann nicht mehr." Seine Frau rief die Polizei. T. gab gegenüber den Beamten die Vorwürfe zu und verließ freiwillig die Wohnung. Die folgenden Tage kam er bei einem guten Freund unter.
Das war der Zeitpunkt, an dem Stefan T. entschied, sich Hilfe zu holen. Zunächst wandte er sich an die Initiative "MannSein ohne Gewalt" der Arbeiterwohlfahrt AWO in Köln – im Glauben, er sei der Aggressor in der Beziehung. Die Berater dort versicherten ihm aber, dass er nicht der Täter, sondern das Opfer sei. Im Herbst letzten Jahres nahm Stefan T. Kontakt zum SKM auf. Dort lernt er seither, aus der Opferrolle herauszukommen und sich gewaltfrei gegen die Misshandlungen zu wehren. Über den SKM kam T. auch für ein paar Wochen in einer Schutzwohnung unter.
"Ich war völlig resigniert"
Die vielen Gespräche mit seinem Berater tun T. gut. "Dank der Hilfe von Herrn Schmitz sehe ich wieder einen Horizont. Ich war völlig resigniert", sagt er. "Ich weiß nicht, wie es mir heute gehen würde, wenn ich die Hilfe nicht hätte." Klaus Schmitz hilft Stefan T. und seinen anderen Klienten, einen Kontakt zu sich selbst zu finden. "Männer haben verlernt, ihre Gefühle wahrzunehmen und zu benennen. Wir konfrontieren sie mit ihren Gefühlen und entlasten sie, machen klar, dass nicht sie die Schuldigen sind. Wir zeigen ihnen Methoden auf, mit denen sie wieder Verantwortung für sich übernehmen, alte Verhaltensmuster aufbrechen und Grenzen setzen können."
Trotz aller Misshandlungen will Stefan T. um seine Ehe kämpfen. "Meine Frau und ich haben ja trotzdem viele schöne Erlebnisse gehabt und ich hoffe, dass diese Erlebnisse wiederkommen." Außerdem sei es für ihn unvorstellbar, von seinen Kindern getrennt zu sein. Er selbst habe keinen Vater gehabt und wisse, wie wichtig die männliche Bezugsperson in der Familie sei, sagt er. Ein schmerzhafter Zwiespalt: Denn auf der einen Seite bekommen die Kinder mit, dass ihre Mutter Gewalt gegen ihren Vater ausübt. "Und ich habe die Verantwortung, meine Kinder davor zu schützen", sagt T. Doch die einzige Möglichkeit, sie davor zu schützen, wäre derzeit, sich scheiden zu lassen. Im Falle eines Sorgerechtsstreits haben in der Regel Frauen die besseren Karten. Stefan T. fürchtet also, seine Kinder dann nicht mehr sehen zu können. Genau damit bedrohe seine Frau ihn auch regelmäßig, sagt er.
Auf die Frage, was sein größter Wunsch sei, antwortet Stefan T.: "Dass ich die Probleme, die zu Hause sind, in den Griff kriege. Und dass ich in Harmonie mit meiner Frau und den Kindern leben kann." Er weiß, dass er das nur mit Hilfe des SKM schaffen kann. Wenn überhaupt.