Wegen Bibelvers: Justiz wirft Imbissbesitzerin Volksverhetzung vor
Ungewöhnliches Ermittlungsverfahren in Berlin: Der christlichen Besitzerin eines mit Bibelversen dekorierten Imbisses wird von der Berliner Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich wegen Volksverhetzung strafbar gemacht zu haben. Das bestätigten die Anklagebehörde und der Anwalt der aus Korea stammenden Beschuldigten, Hermann Frank, jetzt auf Anfrage von katholisch.de. Frank teilte zudem mit, dass auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft und auf Basis eines Beschlusses des Amtsgerichts Tiergarten bereits eine Durchsuchung des koreanischen Imbisses "Ixthys" (altgriechisch: Fisch) im Ortsteil Schöneberg stattgefunden habe.
Konkret wird der Besitzerin des Lokals gegenüber der katholischen St.-Matthias-Kirche vorgeworfen, ein auch von der Straße aus sichtbares, handgeschriebenes Bibelzitat aus dem alttestamentlichen Buch Levitikus in ihrem Lokal aufgehängt zu haben, in dem Homosexualität zwischen Männern als "Gräuel" bezeichnet wird (Levitikus 18,22). Indem die Wirtin einzelne Passagen dieser Bibelstelle wie "Greuel ist dies" in Fettschrift hervorgehoben habe, habe sie sich die entsprechenden Stellen zu eigen gemacht, so die Staatsanwaltschaft.
"Schande von Schöneberg" oder "Stimmungsmache"?
Die Bibelverse, die schon seit mehreren Jahren in dem Imbiss hängen, waren im Sommer durch Medienberichte erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. So schrieb etwa die Boulevardzeitung "B.Z." Mitte Juli von der "Schande von Schöneberg"; ausgerechnet im sogenannten "Regenbogenkiez" wolle die Besitzerin Homosexuelle mit Bibelversen bekehren. Die evangelische Nachrichtenagentur "idea" sprach dagegen von "Stimmungsmache" gegen die christliche Wirtin. Die Beschuldigte selbst wurde in der "B.Z." mit den Worten zitiert: "Ich bin sehr gläubig und möchte, dass alle Menschen zu Gott finden." Und weiter: "Ich verurteile homosexuelle Menschen nicht, aber wenn sie Gottes Willen nicht befolgen, werden sie nicht das ewige Leben, sondern die ewige Hölle erfahren müssen." Zugleich betonte sie, dass sie Homosexuelle auch weiterhin in ihrem Lokal empfangen werde.
Die Bibelstelle aus Levitikus sorgt schon seit Jahren immer wieder für Diskussionen. So rief etwa der damalige Bischof von Chur, Vitus Huonder, 2015 scharfe Kritik hervor, als er bei einem Kongress unter Verweis auf das alttestamentliche Buch betonte, die entsprechenden Stellen "würden genügen, um der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben". Und auch in der Diskussion um das zunächst vom Vatikan verweigerte "Nihil obstat" für den damaligen Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig, spielten die Levitikus-Aussagen zur Homosexualität im Herbst 2018 eine Rolle.
Im jetzigen Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten, der katholisch.de vorliegt, heißt es zur Begründung des Ermittlungsverfahrens gegen die Imbissbesitzerin: "Der Beschuldigten kam es gerade darauf an, durch die Auswahl des Bibelzitats und die Hervorhebung der genannten Passage ihre homophobe und menschenfeindliche Haltung öffentlich zum Ausdruck zu bringen." Der Wirtin sei bewusst gewesen, dass ihr Restaurant "in unmittelbarer Nähe zum Winterfeldplatz und damit im Zentrum der LSBTI-Community Berlins" liege, wo viele schwule Männer lebten oder ausgingen. "Sie nahm wenigstens billigend in Kauf, dass das Bibelzitat geeignet ist, Hass und Gewalt gegen schwule Männer hervorzurufen oder zu verstärken."
Der Anwalt der Beschuldigten wies diese Darstellung gegenüber katholisch.de zurück und betonte, dass er beim Amtsgericht Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss eingelegt habe mit dem Ziel, ihn als rechtswidrig einstufen zu lassen. "Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass in Deutschland die Durchsuchung eines Restaurants zum Zwecke der Beschlagnahme eines Bibelzitates mit der Begründung angeordnet wird, dass das Zitat volksverhetzend sei", sagte Frank. In der Tat geht aus dem Beschluss des Amtsgerichts hervor, dass mit der Durchsuchung des Lokals das Ziel verfolgt wurde, das Bibelzitat zu finden und es als "Beweismittel und Tatmittel" zu beschlagnahmen. Der Beschluss greife schwer in die Grundrechte der Beschuldigten ein, da er in den Schutzbereich der Religionsfreiheit einbreche, so der Anwalt.
Frank betonte weiter, dass die Bibel in Deutschland ein frei zu erwerbendes Buch sei: "Der Besitz ist nicht strafbar. Die Texte der Bibel sind nicht zensiert und unterliegen keinem gesetzlichen Zitierverbot." Niemand sei gezwungen, den christlichen Glauben anzunehmen. Einen Anspruch, mit seinen Inhalten nicht konfrontiert zu werden, gebe es aber nicht. Er wies zudem den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, seine Mandantin habe unter Bezugnahme auf die Bibel zu Hass oder Gewalt aufgerufen. "Das bloße Zitat, ohne Entstellung oder Hinzufügung eigener Schlussfolgerungen, ist keine Aufforderung zur Gewalt oder zum Hass gegen Volksgruppen", erklärte Frank.
Der Ausgang des Ermittlungsverfahrens ist noch offen
Der Beschluss des Amtsgerichts setze sich darüber hinaus auch nicht damit auseinander, dass die Beschuldigte auch andere Bibelzitate an den Wänden ihres Lokals aufgehängt habe, die Gottes Liebe zu den Menschen erklärten und damit nicht die Menschenfeindlichkeit der Beschuldigten, sondern gerade ihre Liebe zu ihren Mitmenschen zum Ausdruck brächten. "Ebenso wenig gibt die Beschlussbegründung die Textstellen des Zitates wieder, die die Schlussfolgerung zulassen könnten, dass die Beschuldigte eine 'homophobe und menschenfeindliche Haltung' hat. Vielmehr begnügt sich der Beschluss mit der eigenen Wertung einzelner Textpassagen."
Wie der Fall letztlich juristisch bewertet wird, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft wollte dazu gegenüber katholisch.de keine Prognose abgeben. Die Akten zu dem Fall würden noch geprüft, so eine Sprecherin. Sie verwies aber darauf, dass nicht allein der Bibelvers für die Beurteilung ausschlaggebend sei, sondern auch der Zusammenhang, in dem er präsentiert worden sei.