Bischof bereitet Prozess für Leopold Figl vor

St. Pölten: Erster Bundeskanzler soll seliggesprochen werden

Veröffentlicht am 23.12.2020 um 11:31 Uhr – Lesedauer: 

St. Pölten ‐ Könige und Kaiser gibt es unter den Seligen und Heiligen viele – doch demokratische Politiker sind noch rar. Das könnte sich ändern: Der St. Pöltener Bischof bereitet ein Seligsprechungsverfahren für den ersten österreichischen Bundeskanzler vor.

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Der erste Nachkriegs-Bundeskanzler Österreichs, Leopold Figl, soll seliggesprochen werden. Das Bistum St. Pölten bestätigte am Mittwoch die Vorbereitung eines entsprechenden Verfahrens, nachdem Bischof Alois Schwarz dies zuvor in einem Radiointerview angekündigt hatte. "Leopold Figl ist für mich ein Politiker – je mehr ich mich da hineinvertiefe in diese Gestalt – umso innerlich sicherer werde ich: Wir müssen und sollten hier einen Seligsprechungsprozess einleiten", so Schwarz laut der Mitteilung. Ein Priester der Diözese St. Pölten sei bereits mit der Sammlung der für den Prozess nötigen Informationen betraut. Im Interview deutete Schwarz auch an, dass es Berichte von Menschen gebe, "denen Figl Kraft in schwierigen Situationen gegeben" hätte.

Figl war von 1945 bis 1953 Bundeskanzler Österreichs. Der Mitgründer der Österreichischen Volkspartei war während der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1938 und 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern interniert und schwerer Folter ausgesetzt. Während einer kurzen Zeit der Freiheit in den Jahren 1943 und 1944 betätigte sich Figl im Untergrund. Im April 1945 wurde er aus der Todeszelle des Volksgerichtshofs befreit, wo er wegen Hochverrats angeklagt war. Figl starb 1965 an Spätfolgen der Folter.

Brückenbauer über ideologische Grenzen hinweg

Schwarz, der für eine mögliche Seligsprechung zuständige Bischof der niederösterreichischen Heimat Figls, würdigte den Bundeskanzler als einen Politiker,  der weit über die ideologischen Grenzen hinweg Brücken gebaut habe. Figl gehörte neben seinem politischen Engagement auch zu den frühen Unterstützern der 1947 durch den Franziskanerpater Petrus Pavlicek gegründeten Gebetsbewegung des Rosenkranz-Sühnekreuzzugs, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg für Frieden in der Welt einsetzte. Figl organisierte ebenso die Wallfahrten des von ihm neugegründeten österreichischen Bauernbundes.

Während es in der Geschichte viele Beispiele selig- und heiliggesprochener Monarchen gibt, darunter den letzten Kaiser von Österreich, könnte Figl der erste demokratische Regierungschef, dem diese Ehre zuteil würde. Dabei hat er allerdings Konkurrenz, deren Prozesse schon weiter vorangeschritten sind: Bereits 1993 hat die Diözese Trient einen Seligsprechungsprozess für den italienischen Ministerpräsidenten Alcide De Gasperi (1881–1954) eröffnet. 2004 wurde das diözesane Verfahren im Seligsprechungsprozess des französischen Ministerpräsidenten Robert Schuman (1886–1963) im Bistum Metz abgeschlossen. Auf Anfrage von katholisch.de teilte das Erzbistum Köln mit, dass es für den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer (1867–1967), der mit De Gasperi und Schuman zu den Gründervätern der europäischen Einigung gehört, "zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Überlegungen" gebe, ein Seligsprechungsverfahren einzuleiten.

Der erste selige demokratische Politiker wäre Figl nicht. Bereits 2012 wurde die österreichische Sozialreformerin und Gründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis, Hildegard Burjan, seliggesprochen. Sie gehörte zu den ersten Frauen im österreichischen Parlament. Die Abgeordnete der christlichsozialen Partei war zeitweise auch als Sozialministerin im Gespräch, beendete ihre parteipolitische Karriere aus Gesundheitsgründen jedoch bereits 1920. 

Für eine Seligsprechung ist ein mehrstufiges Verfahren erforderlich. Voraussetzung ist, dass der Kandidat im "Ruf der Heiligkeit" und "Ruf der Wundertätigkeit" steht. Sie beginnt mit einem diözesanen Verfahren, bei dem zunächst in einer vorbereitenden Phase Informationen über den Kandidaten zusammengestellt werden. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse entscheidet der Diözesanbischof über die Einleitung und setzt sich mit der Bischofskonferenz ins Benehmen, ob die römische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen um eine Unbedenklichkeitserklärung für eine formelle Eröffnung des Verfahrens gebeten wird. Liegt die Genehmigung aus Rom vor, wird eine Historikerkommission gebildet sowie verschiedene Verantwortliche für den Prozess benannt. Wenn der Bischof nach Abschluss dieser Phase zum Schluss kommt, das Verfahren weiter zu betreiben, wird es an die Kongregation übergeben, die dem Papst einen Entscheidungsvorschlag unterbreitet. (fxn)

23. Dezember 2020, 16.50 Uhr: Ergänzt um Information zu Konrad Adenauer.