Theologin: Habe mich geärgert und gefreut, Junia gefunden zu haben
Aus dem Mitgliedermagazin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) "Frau und Mutter" wird ab 2021 "Junia". Zum Erscheinen der ersten Ausgabe veröffentlicht katholisch.de ein Interview von "Junia"-Chefredakteurin Jutta Laege mit der Frau, die die Apostelin Junia "entdeckte": die US-amerikanische Theologin Bernadette Brooten. Im Römerbrief erwähnte Paulus Junia, die Tradition machte aus ihr allerdings einen Mann, den Apostel Junias. Erst 2016 wurde Junia offiziell in die neue Einheitsübersetzung der Bibel aufgenommen.
Frage: Sie gelten als die "Entdeckerin" der Junia, der neuen Namensgeberin unseres Mitgliedermagazins. Was war damals, 1977, als Sie in Tübingen studierten, der Antrieb für Ihre Forschung?
Brooten: Ich habe über Junia in einem Aufsatz von Elisabeth Schüssler Fiorenza (Anm. der Red.: geboren 1938, katholische Theologin, zuletzt Professorin an der Harvard-Universität) gelesen und dachte: Das muss ich erforschen. Ich studierte Handschriften und frühchristliche Römerbriefkommentare, kniete mich in die Grammatik und in die griechischen und lateinischen Namensformen, analysierte rund 500 Inschriften alter Gräber und kam zu dem Ergebnis: In den Inschriften gab es nur Junia, nicht Junias und die frühen Kommentatoren hielten sie für eine Frau.
Frage: Können Sie kurz erklären, warum trotzdem aus Junia ein Mann, Junias, gemacht wurde?
Brooten: Auch wenn sich ab dem 13. Jahrhundert und spätestens mit der Luther-Übersetzung der Bibel der männliche Name Junias durchgesetzt hatte, gab es noch katholische Kommentatoren im 20. Jahrhundert, die Junia erwähnten. Weil sie noch die alten Kirchenväter gelesen hatten. Warum sich der Name Junias über Jahrhunderte durchsetzte? Es musste ein Mann sein, schließlich ging es ja um Apostel!
Frage: Es hat dann noch fast 40 Jahre gedauert, bis Junia wieder auftauchte. In der Einheitsübersetzung der Bibel von 2016 ist sie nun endlich benannt. Was ging Ihnen bei dieser Nachricht durch den Kopf?
Brooten: Ich habe mich gleichzeitig geärgert und gefreut, Junia gefunden zu haben. Die Entdeckung war aber auch ein Ansporn für mich, nach weiteren Frauen zu suchen, zum Beispiel: Leitende Frauen in der alten Synagoge sichtbar zu machen. Was mich in meiner Forschung immer wieder begleitet hat, waren die Skeptiker, die gesagt haben: Es gibt keine Quellen. Das hat mich dann umso mehr angespornt. Ich arbeite gerade an einer Studie über Frauen in der frühen Kirche, die versklavt waren oder Sklaven-Herrinnen waren. Und ich habe Quellen ausfindig gemacht! Ich bin eine Detektivin.
Frage: Wie müssen wir uns das Leben der Junia im ersten Jahrhundert nach Christus vorstellen? Was haben Sie dazu weiter erforschen können?
Brooten: Junia hat wohl um die 50er-Jahre in Rom gelebt und gewirkt. Es ist davon auszugehen, dass sie noch in die Synagoge gegangen ist, an Kirchenversammlungen teilgenommen, die jüdischen Feiertage gefeiert hat und ihr die jüdischen Speisegebote wichtig waren. Der Name könnte darauf hindeuten, dass Junia Freigelassene eines Junius oder einer Junia war.
Frage: Wie fand Junia zum Christentum?
Brooten: Mutmaßlich, so ist es von Paulus überliefert, hat sie sich schon vor ihm zu Christus bekannt. Es gab in der Antike Pilgerfahrten nach Jerusalem. Vielleicht hat sie an einer teilgenommen und ist so mit Jesusgläubigen in Kontakt gekommen. Möglicherweise hat Junia in einer Hauskirche gewirkt, vielleicht gehörte sie sogar zu den Gründerinnen der römischen Gemeinde. ‚Herausragend unter den Aposteln‘, wie Paulus es nennt, deutet jedenfalls darauf hin, dass sie bei den frühen Christinnen und Christen eine besondere Position und Bedeutung hatte.
Frage: Was wäre, wenn Junia heute leben würde? Wie stellen Sie sich Junia in der heutigen Zeit vor?
Brooten: Ich vermute, sie würde das gleiche machen wie damals: Von Christus predigen und sich um das Wohl des Kirchenvolkes bemühen. Und ja: Wahrscheinlich würde sie reisen und gute Werke tun.
Aus "Frau und Mutter" wird "Junia"
Zum Jahreswechsel gibt die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) ihrer Verbandszeitschrift "Frau und Mutter" einen neuen Namen: Junia, benannt nach einer frühen Apostelin, die zum Mann Junias gemacht wurde, bis sie es 2016 in die Einheitsübersetzung der Bibel geschafft hat. Nicht nur das Bild der Titelseite, sondern auch einige Texte der ersten Ausgabe sind Junia gewidmet.