"Erschreckend modern"
Frage: Herr Dillenburg, wir feiern den 200. Geburtstag von Adolph Kolping. Was ist das Besondere an diesem Mann?
Dillenburg: Ich finde beeindruckend, dass 200 Jahre nach der Geburt eines Mannes aus dem damals unbedeutenden Kerpen überall an ihn gedacht wird. Das hat viele Gründe: Er war ein authentischer Christ, der sich der Sorgen und Nöte der Menschen seiner Zeit angenommen hat. Gemeinsam mit anderen hat er Kirche und Gesellschaft sensibilisiert, sich nicht nur um sich selbst zu drehen, sondern sich um ihre Nächsten zu kümmern. Heute versuchen weltweit 400.000 Kolpingmitglieder diese Ideen in die Gegenwart zu übersetzen.
Frage: Sehen Sie Parallelen zu dem, was Papst Franziskus heute sagt?
Dillenburg: Auf jeden Fall. Franziskus macht heute, was Kolping zu seiner Zeit gemacht hat. Ich bin froh um diese Schützenhilfe, die uns der Papst heute bietet, auch wenn sie ein Stachel im Fleisch ist.
Frage: Das heißt, Kolping ist sehr modern…
Dillenburg: Kolping ist erschreckend modern. Erschreckend deshalb, weil er damals Missstände in Deutschland und Europa aufgezeigt hat, die es heute weltweit immer noch gibt. Zum Teil sind es die gleichen Schieflagen wie zu Kolpings Zeiten. Mehr in den Entwicklungsländern, aber auch bei uns. Es gilt weiterhin dafür zu arbeiten, dass Menschen ein menschenwürdiges Leben führen können. Für Kolping war Bildung ein Schlüssel und das ist er auch heute noch. Wir müssen jungen Menschen Bildung ermöglichen, damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen und dann auch Familie, Kirche und Gesellschaft positiv mitgestalten können.
Frage: Was unterscheidet Ihren Verband von anderen Sozialverbänden?
Dillenburg: Unsere große Philosophie ist, dass wir uns weltweit in Kolpingfamilien organisieren und aus diesen Familien heraus unser Leben gestalten. Mit den Ideen und der Spiritualität Adolph Kolpings. Wir sind nicht nur irgendein Verein, sondern wir sind ein zutiefst spiritueller Verband und gestalten aus dem Evangelium heraus den Alltag.
Frage: Es ist für die Kirche mitunter schwierig, junge Erwachsene zu erreichen. Wie schafft das Kolping international?
Dillenburg: Auch bei uns entfernen sich Mitglieder während ihre Ausbildungs- und Studienzeit. Sie finden aber leicht wieder zurück. Dabei hilft uns unsere Struktur. Kolpingfamilien existieren in fast allen größeren Gemeinden und wenn ein Kolpinger aus einer anderen Gegend zuzieht, findet er dort immer eine Heimat. Es gibt eine ganz große Identifikation der Kolpingschwestern und -brüder mit der Idee Kolpings und deswegen kann man schnell in eine neue Kolpingfamilie hineinwachsen.
Frage: Kolpingfamilie - das klingt ein bisschen, als ob man in den Kolpingverband hineingeboren sein muss, um Mitglied zu sein…
Dillenburg: Begonnen hat Kolping mit dem katholischen Gesellenverein, aber bald schon war der Verband generationsübergreifend, deshalb der Begriff "Familie". Aber es stimmt, dass Kolpingfamilien in Europa mitunter eine gewisse Exklusivität spiegeln. Das wollen wir aber gar nicht, denn wir sind froh über jeden, der dazu kommt, mitmischt und manchmal auch den Alltag einer Kolpingfamilie aufmischt.