Katholische Bischöfe bekräftigen Ablehnung des assistierten Suizids
Die Deutsche Bischofskonferenz hat die ablehnende Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem assistierten Suizid bekräftigt. Man sei davon überzeugt, "dass die Ermöglichung des assistierten Suizids nicht die richtige Antwort auf die Lebenssituationen von Menschen ist, die Suizidwünsche entwickeln oder Suizidabsichten haben", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung des Ständigen Rats der Bischofskonferenz (siehe Textbox). Der Blick auf die aktuelle Suizidforschung zeige, dass ein Suizidwunsch in den meisten Fällen die Folge von Ängsten, Verzweiflung und Aussichtlosigkeit in Extremsituationen sei und deshalb gerade nicht als Ausdruck der Selbstbestimmung verstanden werden könne.
Respekt vor der Selbstbestimmung bedeute in diesen Situationen nicht, den Wunsch oder die Entscheidung zum Suizid unhinterfragt hinzunehmen oder den Suizid als normale Form des Sterbens zu betrachten. "Für Christen ist das Leben ein Geschenk, das ihnen von Gott anvertraut wird. Es entzieht sich unserer Verfügbarkeit und will deshalb bis zum Ende bewahrt sein", so die Bischöfe wörtlich. Sie sprechen sich in ihrer Stellungnahme deshalb erneut für einen Ausbau der Palliativversorgung und der Hospizarbeit aus. Es müssten alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, bessere Möglichkeiten für ein erträgliches Lebensende zu schaffen. Entscheidend sei dabei auch die professionelle Hilfe bei Depressionen. Gerade das Leben in dunklen Momenten, in der Verzweiflung oder in schwerer Krankheit behalte seine Würde. "Dafür wollen wir uns als Kirche einsetzen – gerade auch mit unseren Einrichtungen – und den Menschen beistehen, damit sie den Glauben und die Hoffnung nicht verlieren", so die Bischöfe.
Urteil des Verfassungsgerichts als "Herausforderung"
Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts fordere die Kirche "in ihrer Seelsorge heraus, aber auch als Trägerin von Diensten und Einrichtungen der Wohlfahrtspflege", heißt es weiter. Karlsruhe hatte im vergangenen Februar den Strafgesetzbuch-Paragrafen 217 für nichtig erklärt und damit das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung aufgehoben. Die Richter betonten, es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
Zuletzt hatte ein Vorstoß dreier evangelischer Theologen für Aufsehen gesorgt. Der Vorsitzende der Kammer für öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Reiner Anselm, der Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, sowie die Theologie-Professorin Isolde Karle erklärten in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", kirchliche Einrichtungen sollten sich dem Suizidbegehren Betroffener nicht verweigern. Dazu gab es aber auch Widerspruch auf evangelischer Seite, etwa vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und vom früheren Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber. (stz/KNA)
Die Erklärung des Ständigen Rats im Wortlaut:
Der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat sich auf seiner als Videokonferenz durchgeführten Sitzung (25./26. Januar 2021) ausführlich mit der Frage des assistierten Suizids und der öffentlichen Diskussion befasst. Zum Abschluss seiner Beratungen erklärt der Ständige Rat:
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 26. Februar 2020 den § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt. Dieser stellte die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid unter Strafe. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Achtung vor der Würde des Menschen gebietet, ihm auch die Möglichkeit zur freiwilligen Selbsttötung offenzuhalten. Dabei wird dem Einzelnen zudem das Recht zugestanden, Hilfe zur Selbsttötung anzunehmen. Gleichzeitig sehen auch die Richter, dass gerade am Lebensende die Freiheit der Entscheidung eingeschränkt sein kann. Deshalb räumen sie dem Gesetzgeber die Möglichkeit ein, die Beihilfe zum Suizid so zu regeln, dass die Entscheidungsfreiheit gewahrt bleibt, Menschen aber gleichzeitig vor einer übereilten oder gar fremdbestimmten Umsetzung eines Sterbewunsches geschützt sind.
Bereits unmittelbar nach Veröffentlichung des Urteils haben sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland in einer gemeinsamen Stellungnahme kritisch zu dem Urteil geäußert.
Das Urteil und die dadurch entstandene Diskussion um eine gesetzliche Neuregelung fordern die Kirche in ihrer Seelsorge heraus, aber auch als Trägerin von Diensten und Einrichtungen der Wohlfahrtspflege. Diese Herausforderungen betrachtet der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz sehr differenziert. Auch aus christlicher Sicht kommt der Freiheit des Menschen, das Leben in jeder Lebensphase nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten, grundlegende Bedeutung zu. Eine freiheitliche Rechtsordnung, die sich dem Schutz der Autonomie des Menschen verbunden weiß, ist ein hohes Gut. Diese vom Rechtsstaat geachtete Selbstbestimmung muss selbstverständlich auch im Sterben gelten. Dadurch wird jedoch der assistierte Suizid nicht zu einer ethisch zustimmungsfähigen Handlungsmöglichkeit. Den deutschen Bischöfen ist bewusst, dass es Situationen im Leben geben kann, in denen Menschen Suizidwünsche entwickeln oder sich gar zu suizidalen Handlungen gedrängt fühlen. Solche Situationen entziehen sich einer abschließenden moralischen Beurteilung von außen.
Der Blick auf die aktuelle Suizidforschung zeigt jedoch, dass ein Suizidwunsch in den meisten Fällen die Folge von Ängsten, Verzweiflung und Aussichtlosigkeit in Extremsituationen ist und deshalb gerade nicht als Ausdruck der Selbstbestimmung verstanden werden kann. Respekt vor der Selbstbestimmung bedeutet in diesen Situationen nicht, den Wunsch oder die Entscheidung zum Suizid unhinterfragt hinzunehmen oder den Suizid als normale Form des Sterbens zu betrachten.
Für Christen ist das Leben ein Geschenk, das ihnen von Gott anvertraut wird. Es entzieht sich unserer Verfügbarkeit und will deshalb bis zum Ende bewahrt sein. Deshalb erwarten wir, dass alle Anstrengungen darauf gerichtet werden, bessere Möglichkeiten für ein erträgliches Lebensende zu schaffen. Die Palliativversorgung und die Hospizarbeit müssen gefördert werden. Entscheidend ist auch die professionelle Hilfe bei Depressionen. Gerade das Leben in dunklen Momenten, in der Verzweiflung oder in schwerer Krankheit behält seine Würde. Dafür wollen wir uns als Kirche einsetzen – gerade auch mit unseren Einrichtungen – und den Menschen beistehen, damit sie den Glauben und die Hoffnung nicht verlieren. Gott ist ein Freund des Lebens, der – wie es beim Propheten Jesaja heißt – das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht (vgl. Jes 42,3).
Der Ständige Rat ist daher der Überzeugung, dass die Ermöglichung des assistierten Suizids nicht die richtige Antwort auf die Lebenssituationen von Menschen ist, die Suizidwünsche entwickeln oder Suizidabsichten haben. In dieser Situation geht es um die Entwicklung von Lebensperspektiven und gerade nicht um die Hilfestellung zum Suizid. Zudem halten wir den subtilen Druck, dem assistierten Suizid zuzustimmen, aus Sorge, am Ende des Lebens anderen zur Last zu fallen, für eine große Gefahr. Wir glauben, dass dieser Druck sich von Kranken und Sterbenden nicht mehr fernhalten ließe, wenn der assistierte Suizid zu einem Normalmodell des Sterbens würde.
Christliche Seelsorge geht unvoreingenommen auf die Person zu. Sie richtet sich auf die christliche Hoffnungsbotschaft aus und steht auf der Seite des Lebens. Seelsorgerinnen und Seelsorger nehmen die Menschen so an, wie sie sind, und machen ihnen zugleich ein Orientierungsangebot. Auch die Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger in unseren kirchlichen und caritativen Einrichtungen haben sich auf diese Weise der Förderung des Lebens verschrieben. Das Ermöglichen von Angeboten des assistierten Suizids in diesen Einrichtungen wäre mit dem Wesenskern unseres Einsatzes für das Leben nicht vereinbar."