"Helferinnen" wollen für Menschen da sein, die schmerzliche Krisen erleben

Provinzoberin über das Fegefeuer: "Übergang in ein neues Leben"

Veröffentlicht am 07.02.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Wien/Bonn ‐ Der Begriff Fegefeuer klingt für viele befremdlich. Stefanie Strobel, Provinzoberin der "Kongregation der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer", gibt im Interview eine zeitgemäße Deutung – und erklärt, warum ihre Gemeinschaft den Begriff im Namen trägt.

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Der Ordensname "Kongregation der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer" wirkt sehr rückständig. Doch Sr. Stefanie Strobel, die die europäische Ordensprovinz leitet, macht deutlich, warum die Gemeinschaft, deren Gründerin Eugenie Smet an diesem Sonntag vor 150 Jahren gestorben ist, alles andere als von vorgestern ist.

Frage: Schwester Strobel, der Name Ihrer Gemeinschaft – "Kongregation der Helferinnen der Seelen im Fegfeuer" wirkt wie aus der Zeit gefallen. Wie kam es zu diesem heute doch sehr antiquiert klingenden Namen?

Sr. Strobel: Der Name hat nur indirekt etwas mit dem Lebensweg der Gründerin Eugenie Smet zu tun. Sie ist vor 150 Jahren in Paris gestorben, 1825 in Nordfrankreich geboren und dort behütet aufgewachsen. Aber sie hatte bereits als Kind und Jugendliche Gespür für Menschen am Rand.

In der Nähe ihres Elternhauses gab es ein großes Gefängnis. Sie hat sich immer gefragt, ob überhaupt noch jemand an diese Menschen denkt. Wenn sie auf den Friedhof gegangen ist, bemerkte sie neben gepflegten auch ungepflegte Gräber von Menschen, derer offenbar niemand mehr gedacht hatte. Zugleich sah man in der katholischen Volksfrömmigkeit das Fegefeuer als eine Art Vorhölle. Für Eugenie Smet konnte es nicht sein, dass Menschen am Rande sind oder vergessen werden. Sie spürte den Impuls, sich für Menschen einzusetzen, die benachteiligt sind, am Rande stehen und auch im irdischen Leben "Fegefeuersituationen" durchleben.

Frage: Das Wort Fegefeuer klingt dennoch befremdlich. Wie wird es heute definiert?

Sr. Strobel: Im 19. Jahrhundert galt es als eine Art Vorhölle, in der Menschen in den Qualen des Feuers leben. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Theologie einen neuen – und ich würde sagen, auch ursprünglicheren – Zugang zu dem Wort gefunden, sofern man das aus unserer irdischen Perspektive überhaupt sagen kann: Wenn wir glauben, dass im Tod und nach dem Tod eine Gottesbegegnung geschieht, dann ist das etwas Schönes und Befreiendes, aber auch etwas Schmerzliches.

Frage: Wie meinen Sie das?

Sr. Strobel: Fegefeuer bedeutet Läuterung, Reinigung, etwas Loslassen. Wenn ich mir vorstelle, mich als Mensch im Tod in einem ganz neuen – Gottes – Licht zu erleben, dann werde ich mir auch bewusst, wer ich zu Lebzeiten war und wo ich versagt habe. Nach dieser Erkenntnis kann ich nun auch etwas loslassen oder werde erst zu diesem ursprünglichen Kind Gottes, als das ich von meinem Schöpfer gedacht war. Fegefeuer steht also für einen Übergang in ein neues Leben, in die Fülle Gottes.

Sr. Stefanie Strobel
Bild: ©Kongregation der Helferinnen

Stefanie Strobel ist Oberin der Provinz Zentraleuropa der "Kongregation der Helferinnen"

Frage: Wie bringen Sie diesen sperrigen Begriff mit dem Charisma Ihres Ordens zusammen?

Sr. Strobel: Situationen von Läuterung und "Fegefeuer" erleben wir schon im Diesseits. Deshalb ist es unser Anliegen, da zu sein für Menschen, die schmerzliche Übergänge und Krisen erleben. Denn wir haben den festen Glauben, dass solche Durch- und Übergänge zugleich neue Chancen ermöglichen.

Frage: Ihre Gemeinschaft nennt sich in Kurzform "Helferinnen". Wem helfen Sie und wobei?

Sr. Strobel: Wir nennen uns nach wie vor "Helferinnen der Seelen im Fegfeuer", denn der Name ist und bleibt für uns Programm. Wir verwenden die Kurzform aber, weil der komplette Namen für viele erklärungsbedürftig ist und nicht jeder sich dafür interessiert.

Wenn wir uns kurz "Helferinnen" nennen, dann verstehen wir das in dem Sinne, dass wir Menschen auf ihrem Weg, auch durch Krisen, begleiten möchten. Wir tun dies viel im seelsorglichen Bereich, in der Exerzitienarbeit, in der geistlichen Begleitung. Wir sind auch in der Krankenhaus- und Gefängnisseelsorge, in der Flüchtlingsarbeit, aber auch im lehrenden und sozialen Bereich tätig.

Frage: Stichwort Exerzitienarbeit – wie wichtig ist Ihnen die ignatianische Spiritualität?

Sr. Strobel: Sie ist für uns grundlegend. Das Charisma ist die Eingebung der Gründerin, sich Menschen am Rand und in Krisen zuzuwenden. Und die ignatianische Spiritualität gibt diesem Charisma seinen speziellen Ausdruck; das gehört untrennbar zusammen.

Eugenie Smet ist im Sacre-Coeur-Institut in die Schule gegangen, wurde so vertraut mit dieser Spiritualität und wurde auch begleitet von Jesuiten. Schon drei Jahre nach unserer Ordensgründung konnten wir die Konstitutionen der Gesellschaft Jesu übernehmen. Auch unsere Ordensausbildung ist jener der Jesuiten sehr ähnlich. Beim heiligen Ignatius von Loyola heißt es, der Mensch ist geschaffen, Gott zu loben und so seine Seele zu retten. Wir möchten Menschen dabei helfen: auf der Suche nach Gott, nach Erfüllung oder einen Sinn im Leben zu finden. Das verbindet uns auch heute noch mit dem Jesuitenorden: jenen Menschen zu helfen, die es am meisten brauchen.

Frage: Woran erkennt man im Alltag eine Helferin? Eine Ordenstracht tragen Sie ja nicht...

Sr. Strobel: Wir tragen nur ein Ordenskreuz, das die Schwester bei dem ersten Gelübde bekommt. Das war von Anfang an so. Als unsere Gemeinschaft 1856 in Paris gegründet wurde, hatte die katholische Kirche dort keinen besonders hohen Stellenwert. Unsere Gründerin sagte, sie möchte zu jenen Menschen gehen, die gerade keine Verbindung mit Kirche haben. Wäre sie in Ordenstracht gekommen, hätte das auf manche abschreckend wirken können. Rom gewährte unserer Ordensgründerin die Bitte, in zivil zu gehen.

„Unsere Gründerin sagte, sie möchte zu jenen Menschen gehen, die gerade keine Verbindung mit Kirche haben. Wäre sie in Ordenstracht gekommen, hätte das auf manche abschreckend wirken können. Rom gewährte unserer Ordensgründerin die Bitte, in zivil zu gehen.“

—  Zitat: Sr. Stefanie Strobel über den Grund, warum die "Helferinnen" keinen Habi tragen.

Frage: Auf der Homepage Ihrer Gemeinschaft sieht man eine muntere Gemeinschaft mit auffallend vielen jungen Frauen. Sie selbst sind Jahrgang 1970 und damit eine eher junge Oberin. Was macht Ihre Gemeinschaft für jüngere Menschen attraktiv?

Sr. Strobel: Das jüngere Alter hat auch damit zu tun, dass die Gründungen in den Ländern unserer Zentraleuropäischen Provinz – Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien – erst in den 1980er und 90er Jahren geschehen sind. Nach Deutschland kamen wir erst 1982. Derzeit gibt es drei Gemeinschaften in München, Leipzig und Berlin. Und einen Einsatz von einer Schwester in Aachen und auf Sylt.

Frage: Und wie viele Frauen gehören der Gemeinschaft insgesamt an?

Sr. Strobel: Weltweit wirken insgesamt 450 Schwestern in Nord- und Lateinamerika, Afrika, Indien, Japan und Europa. In unserer zentraleuropäischen Provinz sind wir 60 Schwestern. Wir haben keine Klöster, sondern leben verstreut in kleinen Kommunitäten von drei, vier Schwestern. Dadurch wirken wir manchmal auch ein bisschen versteckt.

Frage: Wie haben Sie selbst zu dem Orden gefunden, dessen Oberin sie jetzt sind?

Sr. Strobel: Ich bin in Brüssel in einer deutschen Familie aufgewachsen. In der Schule war ich bei der jesuitischen Jugendarbeit aktiv. So wurde bei mir die Frage nach dem Ordensleben geweckt. Mich hat die Art und Weise, wie das Ignatianische gelebt wird, sehr angesprochen. Dann habe ich mich auf die Suche gemacht nach Orden für Frauen nach ignatianischer Prägung - und so habe ich die Helferinnen kennengelernt, bei meinem Theologiestudium in München.

Da habe ich gespürt: Das spricht mich an, das sind Frauen von heute, nicht so veraltet, auch in kleinen Gemeinschaften und in ziviler Kleidung. Die Vorstellung, als Ordensschwester die Menschen in Übergängen zu begleiten und mein Leben in den Dienst der Hoffnung zu stellen, hat mich berührt.

Von Angelika Prauß (KNA)