Sternberg über Kardinal Marx: "Da geht der Falsche"
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, hat sich "tief erschüttert" über den angebotenen Amtsverzicht des Münchner Kardinals Reinhard Marx gezeigt. "Da geht der Falsche", sagte Sternberg der "Rheinischen Post" (Samstag). "Was Marx in der Ökumene, beim Synodalen Weg und auch bei der Missbrauchsaufarbeitung geleistet hat, ist ganz wichtig gewesen." Sternberg erinnerte auch daran, dass Marx eine hohe Summe aus seinem Privatvermögen für eine Stiftung für Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche aufwenden wollte.
Nach seiner Einschätzung habe Marx die massive Kritik an der geplanten Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an ihn tief getroffen, sagte Sternberg. "Das zeigt auch, dass in der gegenwärtigen Skandalisierung der katholischen Kirche alle in einen Gesamtverruf kommen, egal, wie ernsthaft sie diese Themen angehen oder nicht." Sollte der Rücktritt angenommen werden, so Sternberg, "dann fehlt uns eine ganz wichtige Persönlichkeit im deutschen Katholizismus". Marx hatte nach Kritik von Missbrauchsbetroffenen Ende April auf die Annahme des Bundesverdienstkreuzes verzichtet.
Zudem geht Sternberg davon aus, dass Marx mit seinem Rücktrittsgesuch ein Zeichen an die Bischöfe in Deutschland senden wollte. "Offenbar ist das Rücktrittsangebot vor allem als Weckruf an die Bischöfe zu verstehen", erklärte er laut einer Mitteilung des ZdK. Er würdigte weiterhin Marx' Verdienste um die Sozial- und Gesellschaftspolitik seit den Anfängen seiner Berufstätigkeit. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz habe er auch im Bereich der Ökumene im Lutherjahr 2017 deutliche Zeichen gesetzt. Die Stimme des Kardinals sei "für die Wahrnehmung christlich fundierter Positionen unverzichtbar". Marx sei sich aber auch im Klaren darüber, "dass für die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der Kirche Voraussetzung ist".
Anerkennung vom BDKJ
Der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising, Hans Tremmel, hat das Angebot von Kardinal Reinhard Marx, auf sein Amt zu verzichten ein "sehr starkes, ein ehrliches, ein konsequentes und glaubwürdiges Zeichen" genannt. Zugleich verbinde er damit aber die Hoffnung, dass Papst Franziskus Marx gerade jetzt nicht aus der aktuellen Verantwortung entlasse, da dieser nach wie vor weit über das Bistum hinaus eine enorm wichtige Aufgabe wahrzunehmen habe. "Gerade jetzt brauchen wir Kardinal Marx für den Synodalen Weg, weshalb ich das Angebot schon auch kritisch und ambivalent sehe."
Anerkennung kommt auch vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): "Kardinal Marx verdeutlicht mit seinem Rücktrittsangebot, dass kirchliche Amtsträger immer auch eine persönliche Verantwortung für die Fälle sexualisierter Gewalt tragen", so der Bundesvorsitzende Gregor Podschun. Es liege nun an den noch im Amt befindlichen Bischöfen, die von Marx angemerkten Veränderungen im Synodalen Weg umzusetzen. "Wir danken Kardinal Marx für seine starke Stimme für Reformen sowie für die stets gute und verlässliche Zusammenarbeit mit dem BDKJ", so Podschun.
Zollner: Rücktrittsangebot von Marx verdient Hochachtung
Der deutsche Kinderschutz-Experte Hans Zollner von der Päpstlichen Gregoriana-Universität in Rom sieht in dem Rücktrittsangebot "ein außerordentlich wichtiges Zeichen, das große Hochachtung verdient". Der Münchner Erzbischof zeige damit, "dass die Botschaft und die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Amtsträger wichtiger sind als die persönliche Stellung", sagte Zollner auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag.
Das Kinderschutzzentrum (CCP) in Rom, das Zollner als Psychologe leitet, wird zu wesentlichen Teilen von der Erzdiözese München und Freising finanziert. Marx selber unterstützt die Arbeit der international agierenden Fach- und Fortbildungsstelle mit persönlichen Mitteln und hat zudem eine Stiftung initiiert. Ab Herbst wird das CCP zu einem regulären "Institut für Anthropologie" ausgebaut, das sich interdisziplinären Studien zur menschlichen Würde und der Sorge schutzbedürftiger Personen" widmen soll.
Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, bekundete ebenfalls Respekt. Dieser Schritt zeige die Dimension und die Verwerfungen auf, zu denen das Bekanntwerden von Kindesmissbrauch in den eigenen Reihen geführt habe, sagte Rörig am Freitag auf Anfrage der KNA. Marx habe bei dem Prozess der Aufarbeitung auch in der Weltkirche eine sehr wichtige Rolle gespielt. Unabhängig von seinem Rücktrittsgesuch müsse die unabhängige Aufarbeitung in den Bistümern mit voller Kraft vorangetrieben werden.
Die Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Mechthild Heil, zeigte sich vom Schritt Marx' überrascht. Man respektiere das Rücktrittsgesuch, sage aber auch: "Kardinal Marx hat seine Mitverantwortung an den Vorgängen des Missbrauchs und der Vertuschung in der katholischen Kirche eingeräumt, deshalb ist sein Rücktritt der richtige Schritt. Diese Konsequenz haben wir von den verantwortlichen Bischöfen immer gefordert." Auch die kfd sehe den von Marx angemerkten "toten Punkt" in der Kirche. Deshalb wolle man "die Kraft der Veränderung" bleiben "und wir setzen darauf, dass der 'tote Punkt' zum 'Wendepunkt' werden kann".
Genauso überrascht zeigte sich die Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, Maria Flachsbarth: "Vor dem Hintergrund der aktuellen schwierigen Situation in der katholischen Kirche, ausgelöst durch zahlreiche Missbrauchsfälle, deren schleppende Aufarbeitung sowie die damit fehlende Glaubwürdigkeit der Institution, sprechen wir Kardinal Marx unsere Hochachtung und unseren Respekt für diesen Schritt aus. Seine klaren Worte zeigen eindeutig die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen – ohne Wenn und Aber." Der Verband dankte Marx für "seine Gradlinigkeit, die klaren Worte zur Erneuerung der Kirche und zur Fortsetzung des Synodalen Wegs".
Katsch bekundet Respekt
Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, bekundete Marx Respekt. Er habe ihn als einen Geistlichen erlebt, "der bereit war zuzuhören", sagte Katsch am Freitag auf Anfrage der KNA. "Marx hat verstanden, dass diejenigen, die den Karren in den Dreck gezogen haben, ihn nicht zugleich wieder herausziehen können."
Marx hatte Papst Franziskus zuvor gebeten, seinen Verzicht auf das Amt des Erzbischofs von München und Freising anzunehmen und über seine weitere Verwendung zu entscheiden. In einem Brief vom 21. Mai an den Heiligen Vater legte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz seine Gründe für diesen Schritt dar, wie das Erzbistum München und Freising mitteilte. In dem Brief heißt es: "Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten." Die Untersuchungen und Gutachten der zurückliegenden zehn Jahre zeigten für ihn durchgängig, dass es "viel persönliches Versagen und administrative Fehler" gegeben habe, aber "eben auch institutionelles oder systemisches Versagen".
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zollte Marx Respekt, sprach aber auch von "großem Bedauern". Mit dem Weggang von Marx würde die "starke Stimme" von Marx fehlen, so Bedford-Strohm gegenüber dem Evangelischen Pressedienst. Das Rücktrittsangebot stelle die beispielgebende Gradlinigkeit und Konsequenz, mit der Marx die Erneuerung seiner Kirche betreibt, unter Beweis. So lange Marx noch im Amt sei, wolle er mit ihm "weiter ökumenisch eng zusammenarbeiten". "Ich bin überzeugt davon, dass die Ökumene weiter wachsen wird, egal was danach kommt."
Der Verein "Missbrauchsopfer im Bistum Trier" (Missbit) hat das Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx begrüßt. Sprecher Hermann Schell sprach am Freitag von einem respektablen und anerkennenswerten Schritt. Zugleich betonte er, es sei "wichtig und längst überfällig", dass ein Bischof in Deutschland für Fehlverhalten der Kirche im Umgang mit Missbrauch und Betroffenen Verantwortung übernehme. Marx' Entscheidung komme einem "kleinen Erdbeben" gleich und bringe andere Bischöfe in Zugzwang.
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sieht in dem Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx eine Attacke auf den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. "Er greift direkt Kardinal Woelki frontal an, wenn er von denen spricht, die sich hinter juristischen Gutachten verstecken", heißt es in einer Erklärung Schüllers von Freitag. Marx hingegen trage nun "persönlich Verantwortung für seine Versäumnisse als Bischof von Trier und als Erzbischof von München-Freising, was die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch angeht". Weiter betonte der Münsteraner Kirchenrechtler: "Alle deutsche Bischöfe werden sich nun an dieser souveränen und Größe zeigenden Bereitschaft zum Amtsverzicht und damit zur Übernahme von Verantwortung messen lassen müssen." (cph/KNA)
Der Text wird laufend aktualisiert.