Richtiger Mann, falsches Verfahren
Dass das große und reiche Erzbistum Köln einen Bischof mit Erfahrung in der Leitung einer Diözese erhält, war absehbar und ist auch vernünftig. Überraschend ist, dass Woelki nach nur drei Jahren aus Berlin abgezogen wird wie seine Vorgänger Döpfner und Meisner, die nach München und Köln wechselten. Der traditionelle Kardinalssitz ist zwar weder reich noch als katholisches Kernland bekannt, aber sollte doch eigentlich kein Durchlauferhitzer mehr sein für Bischöfe, die zu höherem berufen sind – spätestens seit Berlin Hauptstadt und Sitz eines Erzbistums ist.
Woelki hat sich durch seine bescheidene Amtsführung viel Respekt erworben; er ruhte sich auf diesem Respekt nicht aus und hat in Berlin schwierige Projekte voran gebracht: Auch gegen prominenten Widerstand aus seinen Gemeinden trieb er die Strukturreform des finanziell immer noch prekären Bistums weiter, gleichzeitig plante er den Umbau der Hedwigskathedrale zu einer dem Hauptstadtbistum angemessenen repräsentativen Bischofskirche. In der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit wird er, dem zunächst als Ziehsohn Meisners und Opus-Dei-Schüler alles Schlimme zugetraut wurde, als prinzipienfest und dialogfähig geschätzt.
Ohne Zweifel: Mit Woelki schickt Rom einen seiner besten nach Köln – er hinterlässt aber eine Vakanz, die auch wieder schwer zu füllen sein wird: Für die Erzdiözese Berlin braucht es einen Bischof, der nach innen den Umbau des Bistums vorantreiben und gleichzeitig als Hauptstadtbischof auf Augenhöhe mit dem politischen Berlin agieren kann – und das hoffentlich länger als Woelki. Neben Berlin sind auch für Limburg, Erfurt und Hamburg neue Bischöfe zu finden, und dem bald 80-jährigen Mainzer Kardinal Karl Lehmann sei ein baldiger Ruhestand gegönnt.
Stärkung der Ortskirche?
Fünf Bischofsstühle sind zu füllen, während die Zahl der Priester zurückgeht, und damit auch die Zahl der Priester, die für herausgehobene Leitungsämter in Frage kommen. Da hilft es nicht, wenn die Bistümer selbst nur wenig mit der Auswahl ihrer Oberhirten zu tun haben, auch da, wo anerkannte und fähige Männer in der zweiten Reihe stehen.
Franziskus Ruf nach Subsidiarität und Verantwortung der Ortskirchen scheint noch nicht in der Bischofskongregation angekommen. Dem Vernehmen nach wurde die Dreierliste des Domkapitels wieder übergangen. Eigentlich bedenklich: Die Domkapitel sind so etwas wie das Kabinett eines Bischofs, sind genau mit ihrem Bistum vertraut, und sie stehen nicht in dem Ruf, übermäßig rebellisch zu sein – und doch wird ihnen Mal um Mal nicht zugetraut, wenigstens einen aus Sicht Roms wählbaren Kandidaten vorzuschlagen. Ist das Misstrauen der Bischofskongregation? Ist das römischer Zentralismus? Möglich.
Konstruktionsfehler des Mitbestimmungsrechts
Doch vielleicht liegt es auch an einem Konstruktionsfehler des Mitbestimmungsrechts: Nicht eine ekklesiologisch begründete Wertschätzung der Teilkirchen, sondern staatskirchenrechtliche Verträge ermöglichen diesen deutschen Sonderweg – Verträge, die Staat wie Kirche heute selbst teilweise als antiquiert empfinden, wie es jüngst in Baden-Württemberg übereinstimmend der Ministerpräsident und der neue Freiburger Bischof äußerten angesichts des leer gewordenen Rituals des bischöflichen Treueeids der Verfassung gegenüber.
Wünschenswert wäre eine gesamtkirchliche Stärkung der Ortskirchen, und zwar aus eigener Kraft mit eigenen Argumenten: Nicht auf der Basis von Konkordaten, die politische Beziehungen regeln. Sondern indem die Wertschätzung und Bedeutung, die das Zweite Vatikanum in der Kirchenkonstitution „Lumen Gentium“ den Teilkirchen zukommen lässt, auch Niederschlag im kirchlichen Eigenrecht findet. Dann dürfte es auch für Rom einfacher sein, die Ortskirche wirklich mitbestimmen zu lassen.
„Das tut Köln jetzt gut, und das stärkt in der Kirche von Deutschland einen gesunden Pragmatismus, der auf Dialog statt Kulturkampf setzt.“
Dennoch gibt die gegenwärtige Lage keinen Anlass zu übermäßiger Klage. Die jüngsten Bischofsernennungen in Passau, Freiburg und Köln haben Männer ins Amt gebracht, die fest im Glauben und in der Lehre stehen, das aber nicht kulturkämpferisch-verbissen, sondern – jeder auf seine eigene Art – in katholischer Weite auskunfts- und dialogfähig. Besonders der österreichischen Kirche steckt die Ernennung linientreuer, aber pastoral und diplomatisch wenig sensibler Bischöfe noch in den Knochen.
Eine derartige Polarisierung ist hier nicht zu erwarten. In Deutschland erleben wir gerade, wie eine jüngere Generation Bischöfe ins Amt kommt, die mit der modernen Medienwelt groß geworden und nicht mehr in einer selbstverständlich volkskirchlich geprägten Umgebung aufgewachsen ist. Ein Bischof kann heute nicht mehr allein durch sein Amt auf Respekt und Autorität hoffen. Das muss er sich erarbeiten vor einer kritischen Öffentlichkeit, und das geht nicht mit einem festgefügten Weltbild, das nur Freunde und Feinde kennt. Woelki – und mit ihm Bischöfe wie Overbeck und Ackermann – zeigen, dass Treue zur Lehre und zur Kirche mit Lernfähigkeit und pastoraler Klugheit gut zusammen gehen. Das tut Köln jetzt gut, und das stärkt in der Kirche von Deutschland einen gesunden Pragmatismus, der auf Dialog statt Kulturkampf setzt.
Von Felix Neumann