
Wie das Herz als Symbol unseren Alltag prägt
Jerusalem - Schwester Gabriela Zinkl hat den Test gemacht: Wo begegnet uns im Alltag das Symbol der Liebe? Egal ob bei Lebensmitteln, auf Toilettenpapier oder in der Kosmetikwerbung – Herzen wohin das Auge reicht. Aber ist das zu viel des Guten? Oder gerade richtig?
Veröffentlicht am 28.02.2022 – SpiriteaHTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
"Herzlich Willkommen", so begrüßt mich der Text eines Fußabstreifers beim Betreten eines Geschäfts. Die zwei Worte sind in dick geschwungener Schrift darauf gedruckt, doch vermutlich gehen viele achtlos darüber hinweg. Dabei drückt diese "herzliche" Begrüßung die höchste Form aus, die wir kennen, genauso wie ein "herzlicher Gruß" am Ende einer persönlichen Nachricht oder E-Mail. Doch das kommt inzwischen alles so häufig vor, dass es in unserem Alltag schon nichts Besonderes mehr ist, oder?
Werbeexperten sagen, dass etwas, das von Herzen kommt und – noch besser – mit einem Herzchen versehen bzw. bedruckt ist, das beste Verkaufsargument überhaupt ist, noch viel mehr als gute Qualität oder ein günstiger Preis, denn es zielt darauf ab, dass es uns zu Herzen geht, also eines der wichtigsten Gefühle in uns anspricht: die Liebe. Ja, die Liebe, mit ihr ist es so eine Sache. Sie ist, was sie ist (Erich Fried), nicht mehr und nicht weniger, auch wenn uns die Vernunft tausendmal sagt, sie sei Unsinn, weil nicht kontrollierbar. Die Liebe ist in allen Herausforderungen nicht nur langmütig und gütig, wie schon die Bibel weiß, sie schafft es auch auf liebenswerte Weise, den Verstand auszuschalten, jedes Gegenargument beiseite zu wischen und uns von einer Sekunde auf die andere glücklich und zufrieden zu machen.
Herzen auf Lebensmitteln und Toilettenpapier
Nicht von ungefähr ist vieles in unserer Welt inzwischen mit dem Herz, dem Symbol der Liebe "gelabelt", auch wenn gerade nicht Valentinstag ist. Wie überraschend, dass ein Supermarkt seiner Werbung nach Lebensmittel liebt, eine Fluggesellschaft das Fliegen und ein Fahrzeugkonzern sein Auto. Andere Anbieter wiederum lieben lieber Schuhe, Musik oder Hackfleischbrötchen. Ohnehin steckt die Liebe im Detail: Das kleine grüne Herzchen auf dem Duschgel soll dezent an die Liebe zur Umwelt und an Plastik-Recycling erinnern; etwas mehr Deutungsspielraum lassen die rosa Herzchen auf dem Toilettenpapier zu. Eine Gesichtscreme widmet sich ihren Versprechungen nach ganz der "Liebe zu meiner Haut". Weil Liebe durch den Magen geht, ist sie mit Hilfe der richtigen Fertig-Knödel sogar zu schmecken, genauso wie das Olivenöl, das mit einem goldenen Herzen versehen ist. Wie gut, dass auch unser Backofen durch Nutzung besonderer Backzutaten vom Liebeszauber profitieren kann, denn "Backen ist Liebe". Doch es ist ratsam, vor dem Servieren eines selbst gebackenen Kuchens noch Schnittchen vorzubereiten, die dank der passenden Schinkensorte "mit Liebe gemacht" sind.

Ein Kind hält ein Paket mit einem Herz darauf in der Hand.
"Love is all around", zumindest den kleinen Herzchen-Labels nach. Ein kleiner Selbsttest, wann und wo uns jeden Tag Herzen, herzliche Grüße und die damit verbundene Liebe begegnen oder über den Weg laufen, fördert Erstaunliches zu Tage. Das Ausprobieren lohnt sich! Es beginnt schon beim Öffnen der Lieblings-Apps auf dem Smartphone, wo in vielen Anwendungen das "Like it" durch das "Love it" mit Herz abgelöst worden ist. Am kleinen Herz-Symbol kommt man so schnell nicht vorbei, wie es auch die weltweiten Emoji-Charts belegen, die dieses Symbol auf dem Siegertreppchen gleich hinter dem fröhlichen und traurigen Gesicht führen. Was für ein gutes Zeichen!
Das Herz als Symbol
So sichtbar wie nie zuvor prägt das Symbol des roten Herzens heute sogar unseren öffentlichen Raum. Ausgehend vom Schriftzug "I love NY", gedruckt auf T-Shirts und Souvenirs, sind menschenhohe Buchstaben-Skulpturen mit dem roten Herzen à la "I love …" in vielen Großstädten inzwischen ein beliebtes Fotomotiv und Gute-Laune-Anlaufstelle. Es gibt weltweit nur wenige Symbole, die so häufig verwendet und über Sprachgrenzen hinweg verstanden werden, wie das rote Herz. Schon kleine Kinder haben den Trick heraus, mit den Fingern beider Hände in Herz zu formen, wenn sie sagen möchte, dass sie jemanden lieb haben.
Seltsam, dass dieses Symbol so ganz anders aussieht, als das Herz, das in unserer Brust schlägt? Tatsächlich geht das seit mehr als 3000 Jahren verwendete Symbol nicht auf das menschliche Organ zurück, sondern auf die Form eines Efeublattes, grob umrissen als heutige Herzform. Schon vor der Antike galt der Efeu als Zeichen ewiger Liebe, weil die Pflanze das ganze Jahr über grüne Blätter trägt und mehrere hundert Jahre alt wird. Das Herzsymbol, wie es heute rot koloriert auf Pralinenpackungen prangt, hat seine Farbe erst durch die mittelalterliche Buchmalerei in Klöstern erhalten, als (christliches) Zeichen für Leben und Hingabe, nicht zuletzt in Anlehnung an das Blut Christi. Damit steht das rote Herz bis heute als Symbol für die Liebe – für Liebe zwischen zwei Menschen genauso wie für Nächstenliebe.
Ist die Herzchen-Inflation nur schöner Schein?
Manchen geht dieser herzliche Kult auf die Nerven, wohl auch wegen der nicht zu übersehenden Herzchen-Inflation in unserer Lebenswelt. Ist das alles nur schöner Schein? Tatsächlich ist unser Alltag oft nicht rosarot, sondern eher grau schattiert. Da hilft auch der Konsum von motivierenden Herz-Produkten nur bedingt, wahre Liebe lässt sich eben nicht ersetzen durch gekaufte. Liebe beginnt mit einem Gefühl, mit Zuneigung, Hingabe, mindestens mit einem Lächeln. Wie wäre es mit dem Hören eines Love-Songs? Egal aus welcher Zeit, egal mit welchem Sound, haben nicht die meisten Lieder mit Liebe zu tun – vom Kirchenlied bis zum Popsong? Jede und jeder von uns hat mindestens ein Lieblingslied dieser Art auf Lager und im Herzen. Einmal reingehört und mitgesummt, mitgesungen, ergeben auch die vielen kleinen Herzen im Handy, in den Regalen und um uns herum wieder Sinn. Liebe lässt unser Herz höher schlagen – und schützt uns damit langfristig vielleicht vor Herzvorsagen und vor einer Herztransplantation. Herzlichen Dank dafür, dass es sie gibt: die Liebe, die Liebeslieder und das Geliebt- und Angenommensein! Heute schon geliebt?
Die Autorin
Schwester Dr. Maria Gabriela Zinkl SMCB ist Borromäerin im Deutschen Hospiz St. Charles in Jerusalem und arbeitet als Dozentin für Kirchenrecht und als Pädagogin. Für "Spiritea" schreibt sie regelmäßig Texte über Themen rund um Spiritualität und Glaubensalltag.