Einer, der mit Menschen kann: Kölns Weihbischof Steinhäuser wird 70
Er kann mit Menschen. Diese Fähigkeit hat sich in den rund fünf Monaten an der Spitze des Erzbistums Köln als die größte Stärke von Weihbischof Rolf Steinhäuser erwiesen. Um den früheren Übergangsleiter, der am 12. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, ist es seit der Rückkehr von Kardinal Rainer Maria Woelki Anfang März ruhiger geworden. Zugleich sind die Debatten in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese wieder hochgekocht.
Dabei hatte es Steinhäuser in den gerade einmal 140 Tagen seiner Amtszeit als sogenannter Apostolischer Administrator tatsächlich geschafft, so etwas wie Annäherung zwischen der Kirchenbasis und der Bistumsleitung anzustoßen. Ab dem 12. Oktober vergangenen Jahres leitete er auf Geheiß von Papst Franziskus übergangsweise das Erzbistum Köln. Einige Monate zuvor hatte sich das Kirchenoberhaupt in die Vertrauenskrise in der Erzdiözese eingeschaltet und eine Untersuchung der Lage vor Ort angeordnet. Anschließend ging Woelki in eine mehrmonatige Auszeit.
Kein harmloser Grüßonkel
Steinhäuser trat mit einer Grußbotschaft per Video seinen Dienst an. Erneuern und versöhnen wolle er, erklärte der gebürtige Kölner mit den grau-mellierten Locken und dem rheinischen Dialekt. Neben seinen Amtskollegen Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff stach der Weihbischof in den vergangenen Jahren nie besonders hervor. Er spricht eher langsam und hat meist ein freundliches Lächeln im Gesicht. Dass er häufig unterschätzt wird, könnte seine zweite große Stärke sein.
Denn Steinhäuser erwies sich mitnichten als harmloser Grüßonkel, wie es mancher erwartet hatte. Er ließ die Kosten veröffentlichen, die Woelki und sein Stellvertreter Markus Hofmann im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung für Juristen und PR-Berater ausgaben: 2,8 Millionen Euro. Die Frage, ob die Bistumsspitze bei der Vergabe dieser Aufträge zwei wichtige Gremien im Erzbistum überging, ließ Steinhäuser von zwei Kirchenrechtlern prüfen. Ihre nicht veröffentlichten Gutachten liegen im Vatikan. Steinhäuser regte zudem an, weitere Aufträge kontrollieren zu lassen. Doch Rom bremste ihn aus. Solch ein Schritt solle erst erfolgen, wenn Woelki wieder aus seiner Auszeit zurückgekehrt sei, hieß es.
Zudem fiel Steinhäuser durch seine kommunikative Art auf, die mehrere Ausschüsse und Verbände lobten. Die Vertretung der katholischen Laien – der Diözesanrat – zeigte sich wieder kooperativer. Monate zuvor hatte das Gremium die Zusammenarbeit mit der Bistumsspitze aufgekündigt. Auch jetzt noch ist im Erzbistum immer mal zu hören, wie gut die Zusammenarbeit mit Steinhäuser lief. Dagegen muss Woelki, der am 2. März seine Amtsgeschäfte wieder aufnahm, weiter Kritik einstecken – etwa wegen der unklaren Finanzierung einer Hochschule, die vor zwei Jahren in die Trägerschaft einer von der Erzdiözese gegründeten Stiftung überging.
Steinhäuser indes ist kaum mehr im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Während der Kar- und Ostertage trat er gewohnheitsgemäß neben Woelki bei Gottesdiensten auf. Beobachter halten es aber für unwahrscheinlich, dass sich an dem kühlen Verhältnis zwischen den beiden etwas geändert hat. Den Kardinal und ihn verbinde nicht gerade ein Freundschaft, plauderte Steinhäuser kurz vor Ende seiner Amtszeit als Übergangsverwalter aus dem Nähkästchen. "Das ist eine sehr viel sachlichere Beziehung." Als er 2016 zum Weihbischof unter Woelki wurde, zeigte sich Steinhäuser überrascht. "Ich brauche jetzt Stab und Mitra, damit ich glauben kann, dass ich Bischof bin", sagte er damals. Erst zwei Jahre zuvor hatte er sich einer schweren Herz-OP unterziehen müssen.
Zuständig für Köln, Leverkusen und den Rhein-Erft-Kreis
Als Weihbischof betreut Steinhäuser den Seelsorgebezirk Mitte mit Köln und seinem weltbekannten Dom, mit Leverkusen und dem Rhein-Erft-Kreis. Zudem ist er für die Ökumene und den interreligiösen Dialog zuständig. Gemeinsam mit dem Kölner Rabbiner Yechiel Brukner stellte er 2020 Pläne für ein neues Kunstwerk am Kölner Dom zum Verhältnis von Juden und Christen vor. "Wir sind nicht stehen geblieben, wir sind miteinander weitergegangen und aufeinander zugegangen", sagte er über die Annäherung der beiden Religionsgemeinschaften.
Viel Herzblut investiert der Geistliche in missionarische Initiativen. Er will sich nicht damit abfinden, dass der christliche Glaube bei immer weniger Menschen ankommt. Als Düsseldorfer Stadtdechant versuchte Steinhäuser, Kirchenferne mit der "Missionale Düsseldorf" anzusprechen: Bei der elftägigen Aktion 2009 gingen rund 70 Priester mit Laien auf die Straße, um mit Passanten über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Entsprechend wählte Steinhäuser als bischöflichen Wahlspruch das Leitwort der Missionale: "Öffnet die Türen für Christus!"
Fast zwei Jahrzehnte war er Gesicht und Stimme der katholischen Kirche in Düsseldorf. Dort ließ er in der Altstadt ein ehemaliges Franziskanerkloster zu einem Kultur- und Begegnungszentrum ausbauen – als Anlaufstelle für "Stadtmenschen auf religiöser Spurensuche". Zur modernen City-Seelsorge gehört für ihn zudem die "Hilfe für Menschen in Not" – gerade in der Glitzerwelt mit Kö und Co. "In der Düsseldorfer City treffen zur Schau gestellter Reichtum und offene Armut sehr hart aufeinander", stellte Steinhäuser einmal fest und verwies auf die Bettler, Wohnungslosen und Drogenabhängigen. Mit seinem Engagement weiß sich der Rheinländer ganz auf Linie des Papstes: "Franziskus sagt ja, wir sollen an die Ränder gehen, auf alle zugehen."
"Sie müssen ein echtes Interesse an Menschen haben"
Politisch mischte sich der Theologe 2010 intensiv in den Streit um die Kreuze des neuen Düsseldorfer Gerichtsgebäudes ein. Vehement widersprach er der Auffassung, dass das christliche Symbol dem Neutralitätsgebot des Staates widerspreche. Vielmehr verweise es auf das dem Grundgesetz zugrundeliegende Menschenbild. Am Ende setzten Steinhäuser und der evangelische Superintendent einen Kompromiss durch: Im Gericht wurde ein Kreuz aufgehängt. Es befindet sich aber nicht in einem Verhandlungssaal, sondern im Dienstzimmer des Landgerichtspräsidenten.
Komplizierte Gemengelagen wie diese stemmt Steinhäuser mit Beharrlichkeit und Offenheit. Das hat ihm wohl auch während seiner Zeit als Apostolischer Administrator geholfen. Über dieses Amt äußerte er sich vergangenen Februar während einer Veranstaltung in der Karl-Rahner-Akademie in Köln. Dort fielen auch zwei Sätze, die wie ein Programm für sein Selbstverständnis als Seelsorger wirken. Darauf angesprochen, wie er in nicht einmal fünf Monaten einen Dialog im Erzbistum habe anstoßen können, antwortete der Weihbischof: "Sie müssen ein echtes Interesse an Menschen haben. Sie müssen Menschen mögen."