Beim Fuldaer Domküster laufen die Fäden zusammen

Der Mann für alle Fälle

Veröffentlicht am 27.09.2012 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Vollversammlung

Fulda ‐ Wenn während der Vollversammlung der deutschen Bischöfe im Dom zu Fulda ein Gottesdienst gefeiert wird, überwacht Richard Bok das Geschehen. In der Sakristei, nur wenige Meter vom Altarraum entfernt, sitzt der kleine drahtige Mann mit den hellbraunen Augen, den dunklen schwarzen Locken und dem glitzernden Stein im linken Ohrläppchen vor einer Wand mit Bildschirmen, Knöpfen und Schaltern.

  • Teilen:

Sie bildet für den Küster des Doms eine Art Schaltzentrale. Berührt Bok etwa den Touchscreen für die Mikrofone im falschen Augenblick, dann dreht er dem Sprechenden den Ton ab – egal ob Kaplan oder Kardinal. Aber Bok weiß, was er tut: Schließlich macht er seinen Job seit fast 20 Jahren.

Die Tagung der deutschen Bischöfe, die in dieser Woche wie jedes Jahr im Herbst in Fulda stattfindet, gehört für ihn zu den arbeitsreichsten Zeiten des Jahres. "Ich bewege mich vier Tage nicht weiter als ein paar hundert Meter vom Dom weg", erklärt der 47-Jährige, der aus Polen stammt und deswegen mit einem leichten Akzent spricht. Die Dienstwohnung, in der er mit seiner Frau und den beiden Kindern wohnt, liegt nur wenige Schritte vom Dom entfernt. Dort ist der Domküster fast rund um die Uhr erreichbar. "Es kann einfach immer etwas passieren", so Bok.

Jedes Detail muss sitzen

Denn jedes Detail muss sitzen: Schon vor der Anreise der Bischöfe waren allein fünf Putzfrauen damit beschäftigt, den barocken Kirchenbau schön zu machen. Sogar die Beichtstühle bekamen eine Extra-Reinigung, ein Elektriker ging auf die Suche nach kaputten Glühbirnen und tauschte sie aus. Während der Tagung ordnet Bok den Blumenschmuck aus der Gärtnerei persönlich auf dem Altar an, organisiert, dass der silberne Altarschmuck den Weg aus dem Dommuseum in das Gotteshaus findet und arbeitet mit den Polizisten zusammen, die in Zivil für Sicherheit sorgen.

Und auch an den Bischöfen selbst sind Bok, der zweite Küster Karlo Grabenau und ihr Team ganz nah dran. Denn sie legen den Zelebranten vor jedem Gottesdienst die Messgewänder in der richtigen Größe in der Sakristei zurecht. Rund zehn Kardinäle und Bischöfe sind das bei den verschiedenen Gottesdiensten während der Vollversammlung. Wenn sie durch den Verbindungsgang direkt aus ihrem Quartier im Priesterseminar in die Sakristei kommen, helfen ihnen Bok und seine Kollegen, die festlichen Gewänder anzulegen.

Die Sakristei ist das organisatorische Zentrum im Fuldaer Dom.
Bild: ©Gabriele Höfling/katholisch.de

Die Sakristei ist das organisatorische Zentrum im Fuldaer Dom.

Auf seine Nähe zu den Mächtigen der deutschen katholischen Kirche angesprochen, zuckt Bok nur mit den Schultern. Er kann daran nichts Spektakuläres finden: "Das sind auch ganz normale Menschen, mit denen kann man sich gut unterhalten. Und die machen auch mal Witze", sagt der Mann, der mit der ruhigen und routinierten Art, in der er seine Arbeit erledigt, bescheiden und bodenständig wirkt.

Bei der Erinnerung an manche Begegnung huscht Bok ein Lächeln übers Gesicht: "Der verstorbene Kardinal Sterzinsky hat mich oft auf Polnisch begrüßt", sagt er. "Und Kardinal Lehmann hat meine Tochter Laura auf den Arm genommen, als sie noch ein kleines Baby war. Getauft hat sie der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen".

Ruhe im weihrauchgeschwängerten Raum

Wenn die Priester und Messdiener die Sakristei in den Dom hinein verlassen, wird es ruhiger in dem langgezogenen Raum mit den großen Fenstern und der weihrauchgeschwängerten Luft. Dann geht Bok zu der Wand mit den vielen Knöpfen, um gleich eingreifen zu können, falls die Technik ihren Dienst versagt. Neben dem Touchscreen mit den Mikrofonen gibt es noch einen weiteren Bildschirm und eine metallene Tafel, jeweils mit dem Grundriss des Doms.

Hier sind die elektrischen Lampen und Fenster eingezeichnet, die Bok auf Knopfdruck einzeln oder im Ganzen auf und zumachen bzw. an- und ausschalten kann. Und schließlich sind in der Apparatur auch allen zehn Glocken des Domes Schalter zugeordnet, die Bok in den Gottesdiensten bedient: "Während des Evangeliums läute ich die Salvator-Glocke, während der Wandlung Lioba", erklärt Bok.

Vom Konditor zum Küster

Zu seinem jetzigen Beruf ist der Mann, der in seiner Freizeit gerne Fußball spielt, über viele Umwege gekommen: "Tja, wie das Leben eben so geht", lacht er. Gleich zwei Ausbildungen hat der gläubige Katholik abgeschlossen, die mit seinem heutigen Beruf rein gar nichts zu tun haben: "Ich bin Konditor und Maurer". Irgendwann war er dann auf dem Bau unzufrieden und die Stelle als Domküster wurde ausgeschrieben: "Da habe ich zugeschlagen. Und das war genau das richtige", sagt der Küster auch in der Rückschau.

Seitdem hat er immer dann Dienst, wenn andere frei haben: An Ostern, Weihnachten und den anderen Feiertagen, früh morgens zur ersten Messe und abends, um den Dom abzuschließen. Doch trotz unregelmäßiger Arbeitszeiten und regelmäßiger Überstunden: Die Arbeit macht dem Küster Spaß, das ist ihm anzumerken. Und das gerade auch zur Vollversammlung: "Die Abschlussandacht am Donnerstagabend, in der den Bischöfen die Bonifatius-Reliquie aufgelegt wird, ist für mich eine der schönsten Zeremonien des Jahres", erklärt Bok.

Seine Familie hat er mit seiner Begeisterung auch schon angesteckt: Die neun-jährige Tochter Laura ist schon bei den Messdienern dabei, Sohn Jonathan ist mit seinen sechs Jahren noch zu jung - kann es aber kaum noch abwarten.

Von Gabriele Höfling