Filmtipp: Am Donnerstag startet der Film "Lunchbox" in den deutschen Kinos

Dialog durch den Magen

Veröffentlicht am 20.11.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Szene aus dem Film "Lunchbox".
Bild: © nfp
Kino

Bonn ‐ Sie ist fünfstöckig, aus Metall und in einen Stoffbeutel verpackt: die indische Lunchbox. Ihren Weg durch Mumbai, von einem Dabbawalla zum anderen, vom Fahrrad in den Zug, auf ein neues Fahrrad und schließlich ins Großraumbüro an den richtigen Platz zeigt der indische Regisseur Ritesh Batra in seinem Spielfilmdebüt "Lunchbox" als fließende Bewegung.

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Vor Jahren hatte Ritesh Batra an einem - nie vollendeten - Dokumentarfilm über die Essenslieferanten gearbeitet. Sein Spielfilm versteht sich nun durchaus als Hommage auf das beeindruckende logistische System der Dabbawallas, die frisch zubereitetes Essen von zuhause direkt an den Arbeitsplatz befördern.

Dabei geht die Handlung zunächst von einem Fehler aus, der praktisch ausgeschlossen ist: Ila will eigentlich ihren Mann, der sich nur noch für sein Mobiltelefon interessiert, neu für sich gewinnen. Doch dann erreicht ihr liebevoll für ihn zubereitetes Mittagessen nicht seinen Arbeitsplatz, sondern den von Saajan. Der steht kurz vor seiner Pensionierung - ein effizienter Angestellter, der soziale Kontakte vermeidet und die Kinder, die vor seiner Wohnung spielen, vertreibt.

Briefe über Sehnsüchte und Vorlieben

Es sind dann nicht nur die geheimen, auf Empfehlung von Ilas Nachbarin dosierten Gewürze, die den seit dem Tod seiner Frau verbitterten Saajan langsam auftauen. Vor allem ist es der Briefwechsel zwischen ihm und Ila, der sich über die Lunchbox entspinnt: Sie entnimmt der stets leer gegessenen Box jeweils eine handschriftliche Notiz und fügt dem Essen am nächsten Vormittag selbst ein paar Zeilen bei. Aus einigen Zeilen, die sich hauptsächlich ums Essen drehen, werden Briefe, in denen sich die beiden von ihrem Leben, ihren Sehnsüchten und Vorlieben erzählen.

Szene aus dem Film "Lunchbox".
Bild: ©nfp

Szene aus dem Film "Lunchbox".

Zu Beginn verwendet die Inszenierung viel Aufmerksamkeit auf die Details: So sinnlich fließend, wie die Kamera den Weg der Lunchbox begleitet, so folgt der Film auch Ila chronologisch durch ihren Morgen. Er zeigt, wie sie ihre Tochter für die Schule fertig macht und das Essen zubereitet. Kontrastiert wird Ilas Hausfrauenalltag mit den Ritualen in Saajans Büro. Dabei verweigert sich die Inszenierung jeder Opulenz, sondern geht fast dokumentarisch zu Werke: mit viel natürlichem Licht, entsättigten Farben und originalen Schauplätzen.

Jenseits von Klischees und Kasten

Nebenbei zeichnet der Regisseur auf diese Weise ein Bild der indischen Kultur jenseits der bekannten Klischees oder Kasten: Er zeigt den indischen Mittelstand, das Miteinander verschiedener Religionen und eine Kultur im Wandel.

Neben dem romantischen "Briefroman", der Ila und Saajan verbindet, spielt auch die Beziehung zwischen Saajan und dessen Nachfolger Shaikh eine Rolle, der sich Saajan anfangs komplett verweigert. Während Saajan sein Leben in dem Job verbracht hat, blickt Shaikh bereits auf eine zersplitterte Biografie zurück: Zuvor hatte er als Küchenhilfe in Dubai gearbeitet, und um Saajans Stelle zu ergattern, hat er seine Referenzen gefälscht. Die eine Generation löst die andere ab. Doch auch zwischen diesen beiden konträr skizzierten Figuren fungiert das Essen als verbindendes Element.

Von Julia Teichmann

Bewertung der Katholischen Filmkommission

Eine indische Hausfrau aus Mumbai will durch ihre Kochkünste ihren Ehemann stärker an sich binden. Doch ihre mittägliche Lunch-Box landet stets bei einem anderen Büroangestellten. Über einen beigelegten Zettel kommen die beiden in Kontakt, der zunehmend persönlicher wird. Das anrührende, romantisch-altmodische Drama verzichtet auf Klischees und Opulenz und zeichnet ein realistisches Bild der indischen Mittelklasse, wobei aktuelle Spannungsfelder ausgelotet werden: das Verhältnis von Mann und Frau, das Miteinander der Religionen und Generationen sowie der Wandel der Arbeitswelt im Zuge der Globalisierung.

Filmdienst

Der obige Text wurde katholisch.de vom Magazin "Filmdienst" zur Verfügung gestellt. Seit 1947 begleitet der Filmdienst wie kein anderes Magazin kritisch das Kinofilmgeschehen. Herausragende Porträts von Filmschaffenden stehen neben umfassenden Filmkritiken zu jeder Kinopremiere in Deutschland, spannende Debatten neben aufschlussreichen Interviews, Hintergrundberichte neben Neuigkeiten aus der Filmwelt. Die Beilage "Film im Fernsehen" informiert über sehenswerte Filme im Fernsehen. Die Datenbank CinOmat ist ein beispielloses Nachschlagewerk, das mehr als 250.000 Filmschaffende mit fast 75.000 Filmen verknüpft. Der Filmdienst ist darüber hinaus Herausgeber des "Lexikons des Film", zeichnet neue DVD/Blu-ray-Veröffentlichungen mit dem "Silberling" aus und verleiht gemeinsam mit dem Bundesverband Kommunale Filmarbeit jährlich den "Caligari-Filmpreis".