Die holde Dolde wiederentdeckt

Holunder – Verkannte Heilpflanze am Wegesrand

Bonn - Umsonst und draußen: Im Mittelalter war der Holunder aus der Volksmedizin nicht wegzudenken. Heute findet man ihn allenfalls in hippen Partygetränken. Eine Wiederentdeckung der im Frühjahr blühenden Blüten.

Veröffentlicht am 30.05.2022 – Spiritea

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Holunderbüsche geben sich alle Mühe, im Frühjahr bemerkt zu werden. Ihr Duft ist betörend, die weißen Blüten schneien im Mai und Juni auf Auen, Wiesen und die Wege am Waldesrand. Trotzdem gehen wir meistens achtlos an ihnen vorbei. Das liegt daran, dass es so viele von ihnen gibt.

Dabei sind ihre Blüten und Beeren eine wahre Apotheke. Das Wissen, dass die schwarzen Beeren der Fiebersenkung dienen und Erkältungen lindern, hat sich in einigen Familien noch erhalten. Dabei hat die Kenntnis über die Heilwirkung des Holunders eine lange Tradition.

Für die Kelten war der Holunder ein heiliger Baum. Er verkörperte den Kreislauf des ewigen Lebens mit Tod und Wiedergeburt. Die Germanen opferten dem Holunder Bier, Milch und Brot, wahrscheinlich um Hola, die Schutzpatronin von Menschen und Pflanzen günstig zu stimmen. Auch Freya, die germanische Fruchtbarkeitsgöttin, soll im Holunderbusch wohnen.

Zahlreiche Bräuche ranken sich um diese besondere Pflanze, die allesamt von einem heiligen Respekt zeugen: Im 17. und 18. Jahrhundert sollen Menschen den Holunder um Verzeihung gebeten haben, bevor sie ihn fällten. Sie wussten, was sie ihm zu verdanken haben. In der bäuerlichen Welt, wo Arzneien weder zugänglich noch erschwinglich waren, erwies sich die Pflanze als "Herrgottsapotheke".

Bereits in der Bibel wird der Holunder mehrfach erwähnt: So soll die Wiege des Jesuskindes aus dem Holz des Holunderbaumes gezimmert worden sein, ebenso wie das Kreuz. Auch für die australischen Aborigines und Indigene in anderen Ländern war die Pflanze sehr nützlich. Die Rinde wurde als Kompresse aufgelegt, um bei einem Schlangenbiss das Gift aus der Wunde zu ziehen.

Hildegard von Bingen
Bild: ©angelika-kamlage.de

Auch Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen (um 1098-1179) beschäftigte sich mit Holunder.

Schon Hippokrates, der Stammvater der abendländischen Medizin, beschrieb den Holunder als seinen Medizinschrank – so komplex war er einsetzbar. Im Mittelalter nahm sich die Äbtissin Hildegard von Bingen des Holunders an, sprach ihm aber seine Tauglichkeit für die menschliche Heilbehandlung ab. Sie irrte hier. 1651 waren schon über 70 Krankheiten bekannt, die sich mit Holunder heilen ließen, etwa Wassersucht oder Unterleibserkrankungen. Auch als Abführmittel wurde der Holunder sehr geschätzt.

Eine weitere Aufwertung erhielt das Gewächs durch Naturheilkundler Sebastian Kneipp, der vor allem die Holunderbeeren pries. Er empfahl sie für die Blutreinigung bei älteren Menschen. Einen Tee aus Holunderwurzeln nannte er "unschätzbar für Wassersüchtige oder solche, die sich über Korpulenz zu beklagen haben".

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Entspannende Heilpflanzen immer zu Hause haben, wenn man sie braucht – dafür benötigt man keinen Garten. Das Hegen und Pflegen der Pflanzen haben zudem selbst schon einen positiven Effekt.

Aber auch in der Küche hat der Holunder einen festen Platz. Die Blüten werden zu Sirup und Limonaden verarbeitet. In der Cocktailszene gilt der "Hugo" immer noch als hip – ein Longdrink, der im Wesentlichen aus Prosecco, Limetten, viel Eis und Holundersirup besteht, die Minze nicht zu vergessen.

In Pfannkuchenteig ausgebackene Holunderblütendolden gelten als Delikatesse. Als herbe Beimischung verleihen die Beeren zudem jeder Marmelade eine besondere Note. Sommersalate werden mit Holunderblütendressing verfeinert – die Beeren verfeinern Soßen bei Fleischgerichten wie Wildente, Rinderfilet oder Rehrücken. Auch in der vegetarischen Küche als Holunderbeerknödel, Holundermaultasche mit Birnenkompott fand er seinen Platz. Besonders köstlich kommt er in Desserts wie Eis, Kompott, Pudding und Mousse zur Geltung.

Mittlerweile gibt es einschlägige Literatur darüber, wie man den Holunder sowohl im heilenden Bereich als auch in der Küche verwenden kann. Sehr zu empfehlen ist das Buch "Heilpflanze Holunder" von Ellen Heidböhmer in der Verlagsreihe "Herbig Hausapotheke". Dort findet sich eine Zusammenstellung der traditionellen Hausmittel und ihre Anwendung alphabetisch geordnet. Das Buch wird mit Rezepten ergänzt, die Kochinteressierten ganz neue Dimensionen dieser alten Heilpflanze eröffnen.

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von Andreas Öhler (KNA)