Mund auf!
Vor drei Jahren, war es, als Höckner sich als Kandidat für das Amt im Dorf Bargischow im äußersten Nordosten Deutschlands hatte aufstellen lassen: "Es ist schon ein mulmiges Gefühl, wenn an nahezu jedem Laternenpfahl und jeder Bushaltestelle ein Flugzettel mit Stimmungsmache gegen einen selbst und die eigene Familie klebt", sagt Höckner in der Rückschau. Viele Stimmen hat er bei der Wahl nicht bekommen, sitzt jetzt aber immerhin im Gemeindeparlament.
Eine Hochburg der NPD
Der 350-Seelen-Ort, in dem der gläubige Katholik seit 15 Jahren wohnt, ist eine Hochburg der rechtsextremen NPD: Bei der Landtagswahl 2011 gaben der Partei etwa 21 Prozent der Wähler ihre Stimme, bei der Wahl fünf Jahre zuvor waren es noch deutlich mehr. Höckner wehrt sich gegen diesen Einfluss: Er gibt Zeitungsreportern Interviews, sagt in Radio und Fernsehen seine Meinung. Als vor einigen Jahren der Jugendclub der Gemeinde offensichtlich immer mehr von rechtsgesinnten Jugendlichen dominiert wurde, empfand Höckner das als einen Skandal – und machte das auch publik. Spätestens seit dieser Zeit fühlen er und seine Familie sich in Bargischow nicht mehr akzeptiert: "Wer in der Öffentlichkeit etwas gegen den rechten Einfluss sagt, der wird als Nestbeschmutzer beschimpft", so empfindet es Höckner.
Auch beruflich engagiert sich der gelernte Sozialpädagoge gegen Rechts. Als Leiter des Caritas-Regionalzentrums Anklam tut er, was in seinen Möglichkeiten liegt, um Aufklärungsarbeit zu betreiben. "Wir sind in die politisch-sozialen Netzwerke der Region gegen Rechtsextremismus eingebunden und versuchen auch immer wieder, mit einzelnen Projekten Zeichen zu setzen", sagt Höckner. Er klingt ein wenig resigniert, als er hinzufügt: "Aber das bleibt eben immer nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein".
Gescheitertes Integrationsprojekt
Ein Integrationsprojekt etwa wandte sich gezielt an Jugendliche mit mangelnder schulischer Qualifikation und wollte ihnen bei den Vorbereitungen auf ihren Einstieg ins Berufsleben helfen. Es ist schon lange eingestellt. Der Sozialarbeiter, der es betreute, habe sich den Anfeindungen und Drohungen von Gruppen aus dem rechten Milieu nicht mehr aussetzen wollen, sagt Höckner: "Sie sahen durch das Projekt ihren eigenen Einfluss auf die Jugendlichen bedroht und haben Druck ausgeübt".
Trotz solcher Widerstände kommt es für den Familienvater nicht in Frage, sein Engagement aufzugeben. "Falls ich die Region einmal verlasse, dann aus anderen Gründen. Dem Druck von Rechtsextremen will ich mich jedenfalls nicht beugen", sagt Höckner fast trotzig. 2010 ist er für sein Engagement mit dem Johannes-Stelling-Preis ausgezeichnet worden, den die SPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern für bürgerschaftliches Engagement gegen fremdenfeindliche Tendenzen verleiht.
Die treibende Kraft seines Einsatz ist für Höckner sein Selbstverständnis als Christ: "Das ist der Motor, der mich antreibt. Es ist doch der Kern der christlichen Botschaft, sich gegen Ausgrenzungen zu wenden und anderen Menschen zu helfen", ist seine Überzeugung. Er allein könne aber nicht viel bewirken - da brauche es finanzielle Unterstützung, vor allem aber Verbündete und Gleichgesinnte.
Parteienverbot nutzt nichts gegen eine Ideologie
Schließlich kommen die Probleme in Vorpommern nicht von ungefähr. Immer mehr Menschen verlassen die Region, weil sie dort für sich keine Zukunft mehr sehen. Allein seit der Wende hat Mecklenburg-Vorpommern nach Angaben des Statistischen Jahrbuches rund ein Achtel seiner Einwohner verloren, im Bildungsvergleich belegt es einen der hinteren Plätze, die Quote der Schulabgänger ohne Schulabschluss von 12,5 %, liegt ein Drittel über dem Bundesdurchschnitt. Viele Menschen im Landkreis Vorpommern-Greifswald, in dem Bargschischow liegt, sind arm: Dort leben nach Höckners Angaben mehr als 20 Prozent der Kinder von Sozialhilfe. "Die Auswirkungen des demografischen Wandels sind verheerend", sagt Höckner. "Es müsste einfach mehr Leute geben, die trotz allem hierher ziehen, es fast schon als missionarischen Auftrag verstehen, sich für die Region einzusetzen".
Zwar begrüßt es der Demokratie-Aktivist, dass vor dem Hintergrund der nun veröffentlichten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung eine neue Diskussion zu dem Thema entstanden ist. Das reicht seiner Meinung nach aber nicht aus. Schließlich komme es auf den Einsatz jedes Einzelnen an: "Ich hoffe, dass die Menschen jetzt merken: Der Kampf gegen Rechts ist nicht nur die Sache der Polizei und des Verfassungsschutzes, sondern wir selbst, wir müssen uns engagieren". Vor kurzem hat Höckner eine sehr ermutigende Erfahrung gemacht: Am 9. November, dem Gedenktag an die Reichsprogromnacht, erzählt er, sei eine genehmigte Demonstration von etwa 100 NPD-Anhängern und rechtsextremen Kameradschaften gegen ein Asylheim in der Gegend mit über 1000 Gegendemonstranten beantwortet worden. "Das macht doch Hoffnung auf zunehmendes bürgerschaftlichen Engagement der Menschen", zeigt sich Höckner zuversichtlich.
Von Gabriele Höfling