Gelassen durchs Leben mit Kohelet
Das Buch Kohelet ist wahrscheinlich das Buch des Ersten Testaments, von dem die meisten Menschen schon gehört haben, ohne zu bemerken, dass es sich um eine biblische Weisheitsschrift etwa aus dem dritten Jahrhundert vor Christi Geburt handelt – nämlich im Radio. 1950 hat der US-amerikanische Folk-Musiker Pete Seeger die ersten acht Verse aus dem dritten Kapitel des im Englischen unter seiner lateinischen Bezeichnung "Ecclesiastes" bekannten Buch unter dem Titel "Turn, turn, turn" vertont. Zum Welthit wurde Seegers Lied 1965 in der Version der Band "The Byrds", da schon deutlich rockiger.
Dass eine mehrere Jahrtausende alte jüdischer Schrift in der Populärkultur des 20. Jahrhunderts und auch heute noch so eine Resonanz erfährt, ist kein Wunder: Die abgeklärte Gelassenheit, die aus den Zeilen klingt, spricht auch heute noch Menschen an. "Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit", beginnt das dritte Kapitel, aus dem auch Seeger seinen Text schöpfte. Auch wenn das biblische Buch sieben Jahrhunderte nach König Salomon entstanden ist, wird es dem weisen Herrscher zugeschrieben; einer seiner vielen Titel ist "Prediger Salomo". Anscheinend war Weisheit schon vor über zweitausend Jahren zeitlos.
Was hat der Mensch von seinem Tun?
Auch in der deutschsprachigen Musik findet sich Kohelet: "Für alles Tun auf dieser Welt kommt die Zeit, wenn es dem Himmel so gefällt", sang 1963 Marlene Dietrich in ihrer Fassung von Pete Seegers Song, sprachlich schon etwas weiter weg vom biblischen Vorbild, und die Ostberliner Band Puhdys verdankt dem Lied seinen Durchbruch: 1973 interpretierten sie Kohelet in "Wenn ein Mensch lebt". Das Lied aus dem Film "Die Legende von Paul und Paula" machte die damals noch wenig bekannte Gruppe prominent und nimmt den biblischen Text freier auf als Seeger. "Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt, sagt die Welt, dass er zu früh geht. Wenn ein Mensch lange Zeit lebt, sagt die Welt es ist Zeit", heißt es darin, denn "jegliches hat seine Zeit", um dann wie die Bibel, Seeger und Dietrich Gegensätze aufzuzählen: "Steine sammeln - Steine zerstreun, Bäume Pflanzen - Bäume abhaun, leben und sterben und Frieden und Streit". Jüngst tauchte Kohelets Bild vom "Haschen nach dem Wind" noch einmal prominent im Titellied der deutschen Erfolgsserie "Babylon Berlin" auf.
Das biblische Buch beginnt zunächst scheinbar fatalistisch und pessimistisch: "Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch", und später: "Es gibt nichts Neues unter der Sonne" – viel zitierte Sentenzen. Was hat der Mensch schon von all seinem Besitz, für den er sich angestrengt hat? Gibt es den Tun-Ergehen-Zusammenhang, von dem die Ethik spricht, wirklich, tu Gutes, und es geht dir auch gut? Die Erfahrung zeigt doch, dass es im echten Leben oft ganz anders ist. Der Mensch kann eh nichts richten. Kohelet rät dagegen aber nicht zu Verbitterung, sondern zu Gelassenheit. Auch wenn die Welt schlecht und ungerecht und vergänglich ist: "genieß das Leben alle Tage deines Lebens voll Windhauch, die er dir unter der Sonne geschenkt hat, alle deine Tage voll Windhauch!" So bleibt Kohelet auch heute noch ein Lehrer der Weisheit, der nach 2.300 Jahren aktuell ist, weil das, was er in hellenistischer Zeit an Übeln des Alltags geschildert hat, damals wie heute vor dem Angesicht der Ewigkeit klein wird: "Eine Generation geht, eine andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit."
Weisheit Kohelets bei Instagram
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