Woelki zieht rechtliche Schritte gegen Schüller zurück
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller zurückgezogen. Wie das Erzbistum am Donnerstag mitteilte, hat Schüller vor dem Landgericht Köln eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, derzufolge er sich gegenüber der "Bild"-Zeitung nicht zu angeblichen Motiven des Kardinals geäußert hat. "Bild" hatte Anfang Juli über Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Präsidenten des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", Winfried Pilz, berichtet. Noch durch Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, erlassene Auflagen gegen Pilz wurden dem Bistum Dresden-Meißen, wo Pilz bis zu seinem Tod lebte, nicht mitgeteilt. Schüller sollte laut "Bild" gesagt haben, er sehe in der späten Meldung eine Dienstpflichtverletzung des Kardinals. Weiter schrieb die Zeitung: "Auch beim Motiv für Woelkis Dienstpflichtverletzung legt sich der Kirchenrechtler fest: 'Pilz stand wegen seiner Prominenz bei Woelki unter Denkmalschutz.'" Das Erzbistum teilte daraufhin mit, dass Woelki gerichtlich sowohl gegen Schüller wie die Zeitung einstweilige Verfügungen auf Unterlassung erwirken wolle.
"Da sich Herr Prof. Schüller ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung nicht so geäußert hat, wie die BILD dies verbreitet hat, hat sich der Anlass für das Vorgehen gegen Prof. Schüller erledigt. Kardinal Woelki hat darum den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zurücknehmen lassen", heißt es nun in der aktuellen Mitteilung der Erzdiözese. Die Unterlassungsansprüche gegen den Axel-Springer-Verlag als Verleger der "Bild" sowie Bild-Chefreporter Nikolaus Harbusch verfolge der Kardinal dagegen weiter. Nach der eidesstattlichen Erklärung Schüllers macht Woelki seine Unterlassungsansprüche nun auch aufgrund der Behauptung geltend, "Prof. Schüller habe sich zu einem eigenen Motiv Woelkis und damit einer eigenen Befassung mit einer Nachmeldung im Fall Pilz beschäftigt".
Schüller steht zum Vorwurf der Dienstpflichtverletzung
Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte Schüllers Anwalt Oliver Stegmann: "Der Satz von Professor Schüller ('Pilz stand wegen seiner Prominenz bei Woelki unter Denkmalschutz.') wurde von 'Bild' korrekt zitiert – und von Kardinal Woelki nicht isoliert angegriffen." Für Schüller sei der Satz eine Erklärung für "die eklatanten Versäumnisse des Erzbistums", so der Anwalt weiter: "Viel entscheidender als die Frage, ob man das als 'Motiv' oder als 'Erklärung' umschreibt, ist etwas ganz anderes: Kardinal Woelki hat sich in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln auch nicht dagegen gewehrt, dass ihm von Professor Schüller 'eine klare Dienstpflichtverletzung' vorgeworfen wurde." Mit der eidesstattlichen Versicherung reagiere der Kirchenrechtler auf "die abwegige Interpretation", Woelki habe sich persönlich mit dem Fall befasst und bewusst gegen eine Nachmeldung nach Dresden entschieden.
Die "Bild"-Zeitung erklärte auf Anfrage der KNA, dass das Verfahren noch nicht entschieden sei. "Herr Professor Schüller hatte die in 'Bild' veröffentlichten Zitate sowohl isoliert als auch im Kontext der Geschichte freigegeben", sagte ein Sprecher. "Kardinal Woelki versucht weiter mit juristischen Tricks von unbestrittenen Pflichtverletzungen im Fall des Sternsinger-Chefs Winfried Pilz abzulenken."
Der Kardinal hatte vorher selbst eidesstattlich versichert, dass er sich mit der Frage, ob eine Nachmeldung nach Dresden erfolgt sei, gar nicht befasst und sich "erst recht nicht" gegen eine Nachmeldung entschieden habe. "Kardinal Woelki legt Wert auf die Feststellung, dass ihm gar nicht bekannt war, dass unter Kardinal Meisner eine Meldung versäumt wurde, so dass er gar keinen Anlass hatte, dazu Entscheidungen zu treffen. Ihm hier ein Versäumnis vorzuwerfen, ist abwegig", heißt es in der Meldung des Erzbistums. Seit Bekanntwerden der gerichtlichen Schritte hatte sich Schüller nicht zur Sache geäußert. Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) bekräftigte ein Sprecher der Zeitung, die Berichterstattung sei äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden. Bereits mehrfach erzielte Woelki vor Gericht Erfolge gegen die Berichterstattung von "Bild". (fxn)
25. August 2022, 15.10 Uhr: Ergänzt um Stellungnahmen von Schüller und "Bild".