Keine Doppelstandards akzeptieren!
Dies gelte für Ost und West gleichermaßen. In der Eurokrise dürfe Deutschland nicht den "Oberlehrer" spielen, sagte Gauck auf besorgte Fragen der Abgeordneten aus 47 Ländern. Dem Europarat gehören bis auf Weißrussland und das Kosovo alle Staaten Europas an.
"Wir brauchen größere Sensibilität für die Lebenslagen und die unterschiedlichen politischen Verhältnisse", sagte Gauck zur deutschen Position in der Eurokrise. Zu Vorwürfen, Deutschland wolle eine beherrschende Rolle in Europa spielen, meinte er: "Das ist ganz sicher falsch, das ist nicht so." Wichtig sei es, mit Frankreich gemeinsam vorzugehen und die in Deutschland umgesetzten Reformen als Beispiel anzuführen. Deutschland müsse sich "mit Empathie und Geschick" als Partner anbieten.
"Schreckliche Versäumliche" bei NSU-Mordserie
Bei der Neonazi-Mordserie habe es "schreckliche Versäumnisse" gegeben. Die rechtsradikale Gefahr dürfe aber auch nicht überschätzt werden. Jedes Mal seien zehn oder 20 Mal so viele Demokraten zur Stelle, wenn Rechtsextremisten sich versammelten. "Uns widern die Rechtsradikalen an", sagte Gauck.
Eine der zentralen Aufgaben im Kampf für die Menschenrechte sei das Engagement gegen Rassismus und Intoleranz, sagte Gauck in seiner Rede. Vor allem kritisierte er die Ausgrenzung von Sinti und Roma, erinnerte aber auch an rechtsextreme Gewalttaten in Deutschland und an die NSU-Mordserie. Vor allem Menschenhandel und Zwangsprostitution müssten ein Ende haben. Auch die osteuropäischen Mitgliedsstaaten des Europarats seien verpflichtet, die von ihnen unterzeichneten Abkommen zügig umzusetzen, sagte Gauck.
Gauck gegen Doppelstandards bei Menschenrechten
Der Bundespräsident erinnerte daran, dass der Europarat während der kommunistischen Herrschaft wichtiger Orientierungspunkt für Menschenrechtler und Oppositionelle gewesen sei. Damals hätten sich manche im Westen schwergetan, Menschenrechtsverletzungen im Osten offen zu benennen. Auch heute gebe es die Meinung, die Verteidigung der Menschenrechte stehe im Widerspruch zu politischen und wirtschaftlichen Interessen. "Das Argument vermag heute noch weniger zu überzeugen als damals", meinte Gauck unter Beifall der Abgeordneten. "Es darf in Europa keine Doppelstandards bei Menschenrechten geben", betonte er.
Zum Auftakt seines Besuchs war der Bundespräsident mit dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung, Jean-Claude Mignon, und dem Generalsekretär der Staatenorganisation, Thorbjörn Jagland, zusammengetroffen. Dabei ging es nach Teilnehmerangaben auch um die Lage in Russland, in der Ukraine und in Ungarn. Anschließend stand ein Besuch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) auf dem Programm. Gauck setzte sich für eine Reform des EGMR ein, damit dieser besser mit der Flut der Eingaben fertig werden könne. (stz/dpa)