Sally Azar – Erste Pastorin in Jerusalem
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Historisch: Das erste Mal ist eine Frau Pastorin der evangelischen Gemeinde in Jerusalem. Sally Azar ist 26 und hat in Deutschland ihr Studium und ihr Vikariat absolviert. Wie sie als Frau im Nahen Osten um gleiche Reche kämpfen muss und warum Deutschland für sie ein "Freiheitsschock" war, erzählt sie im Podcast.
Frage: Frau Azar, Sie sind die erste Frau in Ihrer Position. Sie sind aber nicht grundsätzlich die einzige Pastorin der evangelisch-lutherischen Kirche im Nahen Osten. Es gibt fünf. Wie stehen Sie mit Ihren Kolleginnen in Kontakt?
Azar: Ich weiß nicht, ob das allen klar ist, aber von Palästina aus kann man nicht einfach so in die anderen arabischen Länder reisen. Da sind alle anderen Pfarrerinnen: im Libanon und in Syrien. Ich kenne die, weil ich mit ihnen studiert habe. Zumindest mit einer von ihnen habe ich studiert. Sie ist die erste, die in Syrien ordiniert wurde, Mathilde Sabbagh. Mit ihr unterhalte ich mich schon öfter, seitdem sie dort ordiniert wurde. Dabei sprechen wir über die verschiedenen Situationen, die sie erlebt hat in der Gegend. In meiner Studienzeit war ich von 2014 bis 2018 im Libanon. In der Zeit, ich glaube, es war 2017, wurde die erste Frau im Libanon ordiniert. Da war ich dabei. Das fand ich auch richtig berührend, das zu sehen, dass es da angefangen hat und dass wir das auch hier jetzt weitertragen. Alle anderen Pfarrerinnen kenne ich durch das Studium, aber ich war nicht bei deren Ordination. Aber direkter Kontakt ist sehr selten, weil es auch durch die politische Situation einfach sehr schwer ist. Wir hoffen, dass wir uns irgendwann treffen können, um über die ganzen Konflikte zu sprechen, die wir alle durchmachen mussten als Frauen hier im Mittleren Osten. Ich glaube, dafür muss man aber einen geeigneten Ort finden. Aber die anderen haben auf jeden Fall auch schon den Weg geöffnet für die Frauen im Mittleren Osten, auch wenn es ein bisschen weiter weg hier von Palästina war, sodass man das hier im Alltag zumindest nicht so mitkriegen konnte. Deswegen war es besonders, dass nun hier in Palästina auch Frauenordination haben.
Frage: Sie sprechen schon die Probleme als Frauen im Nahen Osten an. Das ist ja ein anderer kultureller Hintergrund als in Deutschland. Was sind das für Probleme, vor die Sie da gestellt werden?
Azar: Man muss sich schon als Frau mehr durchsetzen. In der Kirche ist es ganz klar, dass wir hier Gleichberechtigung haben und dass wir danach streben, aber trotzdem ist es in unserer Gesellschaft so, dass es nicht so akzeptiert ist. Bei katholischen und orthodoxen Kirchen ist es so, dass sie gegen die Frauenordination gesprochen und geschrieben haben. Das ist aber oft nicht die Kirche selbst, sondern es sind sehr viele Gemeindemitglieder, viele dürfen mir auch nicht gratulieren. Es gibt sehr viele, die mir inoffiziell gratuliert haben, aber trotzdem ist es ein Problem für viele Leute, dass es in Jerusalem eine Frau als Pastorin gbt. Ich weiß nicht, ob es auch daran liegt, weil ich jung bin, jung und eine Frau, dass es diese doppelte Wahrnehmung gibt. Vielleicht erwarten manche, weil sie älter und schon seit Langem da sind, dass man ihre Meinung mehr respektieren muss. Ich glaube, ich muss mich da bei ein paar Sachen etwas mehr durchsetzen. Es ist aber immer noch so, dass die alten Männer, die auch noch dagegen sind, sagen, sie nehmen kein Abendmahl von mir, wenn ich das Abendmahl feiere. Da gibt es solche Kleinigkeiten, die immer wieder auftauchen. Es gibt auch ein paar Leute, die mich einfach mit Bibelzitaten konfrontieren und sagen, Paulus habe doch gesagt, dass die Frauen still in der Kirche sein sollen. Das sind die ganzen Sachen, die man schon seit Jahren hört. Die sind immer noch da und hier noch ein bisschen stärker.
Frage: Wie gehen Sie damit um? Das sind ja im Prinzip zwei Ebenen. Die Leute reden auf Sie herab, aber Sie sind als Pfarrerin eigentlich in einer herausgehobenen Position.
Azar: Ich glaube, die lernen jetzt damit umzugehen, dass jetzt eine Frau da ist. Ich selbst setze mich durch oder ich versuche zumindest, dass ich irgendwie mit denen mehr kommunizieren kann. Ich gehe sehr respektvoll damit um. Das hoffe ich zumindest. Ich sage den Kritikern immer, ich bin nicht da, um ihnen etwas abzustreiten und wenn sie etwas dagegen sagen wollen, dann können wir gerne darüber reden. Das wird sich auch nicht in einem Gespräch lösen lassen. Ich hoffe, dass ich das auch durch meine Zeit hier beweisen kann. Insofern fühle ich schon einen großen Druck, weil ich ja nicht nur mich präsentiere, sondern auch alle Frauen, die nach mir kommen. Da muss ich schon zeigen, dass die Frauen das machen können.
Frage: Wie sieht das denn im ökumenischen Miteinander aus? Ich glaube, es gibt keinen Ort auf der Welt, wo so viele unterschiedliche Denominationen zusammentreffen, wie das in Jerusalem der Fall ist.
Azar: Bisher kam es noch nicht dazu, dass ich mit den anderen Würdenträgern so richtig reden konnte. Wir haben hier dreizehn offizielle Kirchen mit den Patriarchen und Bischöfen, die hier dafür verantwortlich sind. Als palästinensische Christen sind wir auch noch enger zusammen in Jerusalem. Das haben wir immer schon so gehabt. Wir haben immer schon eine andere Theologie gehabt, sind aber trotzdem miteinander respektvoll umgegangen. Deswegen hoffen wir, dass es auch bei den unterschiedlichen Meinungen dazu kommt, dass wir Verständnis für verschiedene Positionen haben. Da müssen wir auch durch, einen Weg finden, wie wir miteinander weiterhin kommunizieren. Bisher gab es viele Orthodoxe und auch Katholiken, die gesagt haben, weil wir die Frauenordination jetzt durchgezogen haben, werden wir in der Konsequenz nun spüren, dass wir jetzt nicht weiter zusammenarbeiten können, weil sie das nicht unterstützen dürfen oder können. Darunter leiden wir jetzt gerade, und wir müssen schauen, wie wir damit umgehen. Natürlich haben wir immer noch Gottesdienste miteinander. Viele haben mir auch inoffiziell gratuliert. Aber da kommt sicherlich auch noch etwas. Ich bin jetzt erst seit ein paar Wochen Pfarrerin hier. Bis jetzt konnte ich nicht sehr viele ökumenische Gottesdienste erleben, die hier üblich sind. In der Osterzeit wird es wichtig sein, da wird man das erst richtig merken. Da haben wir mehr ökumenische Gottesdienste zusammen und da werde ich natürlich dabei sein. Da schauen wir dann, wie da die Reaktionen sein werden. Wir haben immer noch eine starke Verbindung, würde ich sagen. Offiziell sagen die aber, sie wollen weiterhin nicht so richtig mit uns arbeiten.