Absitzen oder Aufpassen?
Katholisch.de hat einmal an der Basis nachgefragt. Heinrich Wannisch ist 57 Jahre alt und im Verband Katholischer Religionslehrer Referent für den Berufsschulbereich. Vor allem aber ist er Religionslehrer an der staatlichen Berufsschule II. in Landshut. Für einen gelingenden Religionsunterricht muss seiner Meinung nach nur ein einziger Grundsatz befolgt werden.
Frage: Sind die Schüler überhaupt noch am Religionsunterricht interessiert?
Wannisch: Das ist sehr unterschiedlich. Manche Schüler sind schon interessiert an religiösen Themen - vor allem solche, für die Religion kein Fremdwort ist, weil sie sich als Ministranten in ihrer Pfarrgemeinde engagieren oder Gruppenleiter bei der Landjugend oder den Pfadfindern sind. Aber die Zahl derer, die sich nicht für Religion interessieren, ist natürlich deutlich größer.
Aber das sind nicht mehr so viele wie früher. Man darf allerdings Interesse nicht mit Motivation verwechseln. Die Motivation in den Prüfungsfächern mag sicher höher sein als in Religion, das Interesse ist in meinem Fach nicht wesentlich anders.
Frage: Wie kann man diese Schüler für den Unterricht begeistern?
Wannisch: Das ist ganz einfach: Der Lehrer muss eine Beziehung herstellen zwischen dem täglichen Leben der Schüler und der Religion, zwischen ihnen und Gott. Und er muss erklären, was der Glaube mit der heutigen Zeit zu tun hat. Zum Beispiel lernen angehende Steuerfachangestellte im Fachunterricht, wie man eine Steuererklärung richtig erstellt. Im Religionsunterricht kann man dann die Frage stellen, ob eine Steuererklärung nicht nur richtig, sondern auch ehrlich sein muss. Das ist ja nicht unbedingt dasselbe. Da gibt doch sehr konkrete Anknüpfungspunkte. Immer, wenn es ums Persönliche geht, dann schlägt Desinteresse in Interesse um, dann ist die Aufmerksamkeit da.
Frage: Was sind die Fragen, die die Schüler zu Religion stellen?
Oft wird grundsätzlich gefragt, wozu man die Religion heute überhaupt noch braucht. Andererseits geht es aber auch oft um die konkreten Erfahrungen, die die Leute in ihrer Gemeinde machen – positiv oder negativ. Gerade die jungen Leute freuen sich, wenn es einen Pfarrer gibt, der auf sie zugeht. Häufig fühlen sie sich aber auch nicht angenommen und machen die Erfahrung, dass auf ihre Bedürfnisse nicht eingegangen wird. Ein anderer wichtiger Anknüpfungspunkt sind persönliche Erlebnisse im Zusammenhang mit Partnerschaft und deren Gelingen bzw. Misslingen, mit Tod und Trauer, mit unterschiedlichen Lebensstilen im Zusammenhang mit einem verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung.
Frage: Wie unterscheidet sich der Religionsunterricht an Berufsschulen vom Religionsunterricht an anderen Schulen?
Wannisch: Viel hängt am Alter der Schüler – das fängt in den Berufsschulen ja bei 16 an und geht weit bis ins Erwachsenenalter hinein. Deswegen geht es bei uns nicht um reine Wissensvermittlung über Religion, sondern wir stellen einen Bezug zum Leben und der Arbeit der Schüler her. Das muss der Anknüpfungspunkt sein.
Frage: Hat der Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen überhaupt eine Zukunft?
Wannisch: Religionsunterricht ist und bleibt auch an Berufsschulen unverzichtbar. Seine Besonderheit ist es, Dinge zu hinterfragen und Verbindung zum Leben der Schüler herzustellen. In den anderen Fächern geht es um Wissensvermittlung und um Prüfungen – unter diesem Druck steht der Religionsunterricht nicht. Mit Blick auf die Zukunft wünschen wir uns natürlich, dass die Schulen so ausgestattet sind, dass kein Fach unter fehlenden Finanzmitteln leiden muss, auch der Religionsunterricht nicht. Auch hier in Bayern merken wir, dass die Zahl derer, die sich bewusst für den Religionsunterricht entscheiden, sinkt. Trotzdem versuchen wir, den konfessionellen Religionsunterricht aufrecht zu erhalten.
Frage: Fühlen Sie sich als Religionslehrer auch von den Kirchen ausreichend unterstützt?
Wannisch: Aus kirchlicher Sicht ist die Berufsschule eine Schulsparte, die eher am Rand der Aufmerksamkeit steht. Das ist aus unserer Sicht natürlich bedauerlich, da würden wir uns mehr Aufmerksamkeit wünschen.
Das Interview führte Gabriele Höfling