Journalistin schreibt Buch über Trauerweg und Selbstfindung nach dem Verlust

Warum uns der Tod der eigenen Mutter so berührt

Veröffentlicht am 14.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Angelika Prauß (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Egal, ob man sieben, 17 oder 57 Jahre alt ist – kaum etwas berührt Menschen so sehr wie der Tod der eigenen Mutter. Warum er eine solche Lücke hinterlässt, hat viele Gründe. In einem Buch zeichnet eine Autorin ihren schwierigen Trauerweg nach.

  • Teilen:

So lange sie lebt, gehört die eigene Mutter meist wie selbstverständlich zu unserem Leben dazu. Selbst wer nicht regelmäßig mit ihr Kontakt hat, weiß sie – wie ein sicheres Netz und einen Zufluchtsort – im Hintergrund. Wenn sie dann aber eines Tages nicht mehr da ist, ändert sich das Lebensgefühl grundlegend. "Jedes Kind ist nach dem Tod der Mutter nicht mehr dasselbe", stellt Britta Buchholz fest. "Wenn die eigene Mutter stirbt, ist das ein tiefer Einschnitt – egal, wie gut oder schlecht die Beziehung war."

Buchholz ist 31 Jahre alt, als ihre 30 Jahre ältere Mutter an einer Krebserkrankung stirbt. Zu früh, findet die Journalistin und Buchautorin, die dieser Tod erschüttert und verzweifeln lässt. Sie fragt sich, warum ihr Tod selbst eine erwachsene Frau wie sie so aus der Bahn werfen kann. Der Alltag sei danach wie immer, "aber ich bin nicht dieselbe". Buchholz fühlte sich "mutterseelenallein", wurde von einer "geborgenen Tochter zu einer Tochter ohne Mutter", die sich neu definieren musste.

Zeit fürs Trauern nehmen

Über den schwierigen Trauerweg und ihre Selbstfindung hat Buchholz ein berührendes Buch geschrieben. Sie brauchte mehrere Jahre, um sich neu zu sortieren; besuchte ein Kloster, war Teil einer Trauergruppe und nahm sich auch eine dreiwöchige Auszeit auf Lanzarote. Diese nutzte sie auch für eine innere Reise, die sie in ihrem Buch "mutterseelenallein" beschreibt.

Dabei musste sie erst lernen, sich Zeit fürs Trauern zu nehmen und nicht einfach zu funktionieren und weiterzuleben wie bisher. Das mit der Trauer verhalte sich so wie ein Ball, den man unter Wasser drücken wolle, stellte sie fest. "Irgendwann flutscht der Ball einfach in die Luft, und die ganze Traurigkeit bahnt sich ihren Weg." Wer vor ihr weglaufe, dem folge sie. "Die Trauer ist kein böses Monster, das uns quälen möchte. Sie ist Liebe, die gesehen werden will", spürt Buchholz.

Rote Grablichter stehen im Herbstlaub
Bild: ©KNA/Jörg Loeffke (Symbolbild)

Nach dem Tod ihrer Mutter brauchte Britta Buchholz mehrere Jahre, um sich neu zu sortieren.

Auf der kargen Kanareninsel stellt sie sich schließlich ihrer Trauer, der Stille, ihrer Angst. Ihr wird klar, "dass ich meine Mutter richtig verabschieden muss, bevor ich weiß, wer ich eigentlich bin". Zum Erwachsenwerden gehöre es, die Mutter – auch wenn diese noch lebt – als Teil eines natürlichen Ablösungsprozesses loszulassen, ein eigenständiges Leben zu führen und ihr auf Augenhöhe, als gleichwertiger Erwachsener zu begegnen. Zugleich sei es aber auch an der Mutter, die "verflucht robuste Nabelschnur" zu durchtrennen, schreibt Buchholz.

Nach einer Phase der Symbiose in der Kindheit sollten sich junge Menschen in der Pubertät von ihren Eltern abgrenzen, doch nicht allen Töchtern gelingt dies bei der Mutter. Denn "das Mutter-Tochter-Ding" – Macht, Manipulation, Rechthaberei, Bevormundung – verhindere oft eine gesunde Ablösung und eine eigene Identität. Mitunter quäle die Mutter ihre – längst erwachsene, sie aufopferungsvoll pflegende – Tochter, die sich nach Anerkennung und Liebe sehne, mit Psychospielchen.

Auch Verletzungen in einer Beziehung

Deshalb kann aus Buchholz' Erfahrung eine schonungslose Bilanz der Beziehung helfen – inklusive aller Schattenseiten. Verstorbene sollten nicht glorifiziert werden; denn in der Beziehung gebe es oft auch verletzende Sätze, Abhängigkeitsbeziehungen, Lieblosigkeit. Solch eine ehrliche Bilanz nehme dem Verlust seine Größe und schaffe Platz für andere Menschen im Leben des Hinterbliebenen.

Buchholz wird bei ihrer inneren und äußeren Reise bewusst, dass sie sich nach dem Verlust ihrer Mutter nun selbst um ihr "inneres Kind" kümmern und nach dem Verlust des Zuhauses in sich eine Heimat finden muss. Am Ende findet die Journalistin zurück ins Leben, kann den schmerzlichen Verlust als die Chance sehen, ein neues Fundament in sich zu finden und ein "buntes, starkes, krisensicheres Netz" an Menschen aufbauen, die ihr gut tun.

Buchholz kommt zu dem Schluss, dass der Tod zwar das Leben eines geliebten Menschen beendet, nicht aber die Liebe zu ihm. Sie spürt: Die innere Beziehung und Verbindung bleibt weiterhin bestehen. So hat sich auch bei ihr der Schmerz in Erinnerungen voller Dankbarkeit verwandelt.

Von Angelika Prauß (KNA)

Buchhinweis

Britta Buchholz: mutterseelenallein. Eine Tochter findet ihren Weg, Verlag Diedrichs 2022, 236 Seiten, 18 Euro.