Machtmissbrauch: Wo die Kirche vom Theater lernen kann

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Übergänge sind religionsproduktiv. Als der Schweizer Theaterregisseur Stefan Bachmann 2013 gerade als neuer Intendant des Schauspiels Köln angefangen hatte, war er einer der interessanten Gesprächspartner des Veranstaltungsformats "Vorhof der Völker", das der Päpstliche Kulturrat damals in Berlin inszenierte. Bachmann fiel als bekennender Nicht-Getaufter mit seinen Gedanken über das Gottesthema auf der Bühne auf.
Jetzt wird er die Domstadt wieder verlassen und war am vergangenen Freitag bei der Veranstaltung der Gesellschaft Katholischer Publizisten zu ihrem 75. Geburtstag in Köln zu Gast. Er wusste abermals mit seiner engagierten Nachdenklichkeit zu überzeugen. Ausdrücklich stellte er sich dabei auch den Fragen nach den Mobbingvorwürfen ihm gegenüber.
Das Theater hat sich hier wieder einmal als "moralische Anstalt" (Friedrich Schiller) erwiesen. Kraftvoll die Reflexionen Bachmanns über seine ersten Abwehrversuche der Vorwürfe des Machtmissbrauchs. Er sei doch eigentlich angesichts der Geschichte des Theaters mit seinen unumstößlichen Autoritäten immer schon ein Liberaler gewesen. Mühsam dann die Einsicht in seine eigene "verklebte Wahrnehmung", nicht ohne kritische Zwischentöne zur Rolle der Medien mit ihrem "hochgejazzten Moralton". Der entscheidende Satz in diesem Zusammenhang dann aber, den Bachmann selbst erklärtermaßen erst lernen musste: "Wenn man eine Machtposition hat, muss man sich für Macht interessieren, weil es sonst verantwortungslos wird." Nicht zuletzt durch Beratung und Gespräche ließ sich dann offensichtlich viel klären.
Angesichts der aktuellen Kirchenkrisen aufgrund von Machtmissbrauch ganz unterschiedlicher Schattierungen, nicht zuletzt in Köln, ließen sich die Ausführungen von Bachmann auch denkbar leicht auf die gegenwärtige Situation des Katholizismus beziehen. Zu lernen wäre vom offensiven Umgang des Theatermanns mit den Vorwürfen, dass Ehrlichkeit mit sich selbst, gegenüber den eigenen Mitarbeitern und dem Publikum nicht zum Untergang führen müssen: Bachmann wird jetzt Intendant des Wiener Burgtheaters – eine Position mit Bedeutung und Machtfülle im Staate Österreich, wie es sie an deutschen Theatern gar nicht gibt.
Der Autor
Dr. Stefan Orth ist Chefredakteur der Herder Korrespondenz.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.