Der Vatikan hat das Martyrium von Erzbischof Oscar Romero anerkannt

Er ist als Märtyrer gestorben

Veröffentlicht am 11.01.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Seligsprechung

Vatikanstadt/Bonn ‐ Fast 35 Jahre nach der Ermordung Oscar Romeros hat der Vatikan den Märtyrertod des ehemaligen Erzbischofs von San Salvador anerkannt. Dieser war im Jahr 1980 - am Beginn eines Bürgerkriegs - während einer Messfeier erschossen worden. Nach einem fast zwei Jahrzehnte dauernden Prozess hat die zuständige Kommission nun einstimmig bestätigt , dass Romero für seinen Glauben in den Tod gegangen ist.

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Eine ganze Generation hat es gedauert, bis die katholische Kirche zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der 1980 am Altar einer Kapelle in San Salvador erschossene Erzbischof Oscar Arnulfo Romero ein Märtyrer war. Zehn Jahre gingen ins Land, bis in seinem Erzbistum El Salvador der Seligsprechungsprozess auf lokaler Ebene eröffnet wurde. Nach vier Jahren endete er mit einem positiven Votum. 1997 kam der Prozess in Rom bei der zuständigen Heiligsprechungskongregation an. Und obwohl mit Vincenzo Paglia einer der einflussreichsten Kirchenmänner als Fürsprecher gewonnen werden konnte, zog sich die Sache in die Länge.

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Video: © Adveniat/Daniela Bahmann

Am 24. März 1980 wurde der Erzbischof von San Salvador, Oscar Arnulfo Romero, von bezahlten Scharfschützen ermordet. Am 23. Mai 2015 wird er selig gesprochen - für die Menschen in El Salvador und ganz Lateinamerika ist er schon lange ein Heiliger.

Nach 17 Jahren Wartezeit, in der Hunderte Zeugen gehört, zahlreiche Predigten Romeros rekonstruiert und Aktenberge gesichtet wurden, kam nun aus Rom die entscheidende Nachricht: Eine Theologenkommission der Heiligsprechungskongregation hat befunden, dass es sich bei der Ermordung des in seiner Heimat längst als Heiliger verehrten Erzbischofs um einen Märtyrertod handelte. Die offiziöse Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, "L'Avvenire", unterstreicht in ihrem Bericht, dass die Entscheidung einstimmig gefallen sei: Es habe sich sowohl in formaler wie in materieller Hinsicht um einen Märtyrertod gehandelt.

Es soll keine Kampfabstimmung gewesen sein

Die Wortwahl lässt darauf schließen, dass man in Rom von vorneherein einer Legendenbildung vorbeugen will. Niemand soll auf die Idee kommen, dass es eine Kampfabstimmung zwischen "progressiven" und "konservativen" Theologen gegeben haben könnte - oder dass man gar Romero gewissermaßen nur ein Martyrium zweiter Klasse zugebilligt habe. Zugleich aber rückt die Nachricht eine andere Frage in den Vordergrund: Wenn das Votum so eindeutig ausgefallen ist - warum kam es erst jetzt jetzt zustande, wo erstmals ein Lateinamerikaner mit einer gewissen Nähe zur Befreiungstheologie Papst ist?

„Erzbischof Romero war sicher ein großer Glaubenszeuge, ein Mann von großer christlicher Tugend, der sich für den Frieden und gegen die Diktatur eingesetzt hat.“

—  Zitat: Papst Benedikt XVI.

Ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt, dass der Pontifikatswechsel von 2013 vermutlich nicht der allein entscheidende Punkt war. Schon Papst Benedikt XVI. (2005-2013) hatte 2007 während seiner Brasilien-Reise erklärt, dass Romero aus seiner Sicht die Seligsprechung verdiene. Doch das von Fachleuten im Vatikan über viele Jahre immer wieder kolportierte Argument, man könne leider nicht sicher sagen, ob der Mörder und seine Hintermänner Romero aus "Hass gegen den Glauben" oder doch eher wegen seiner politischen Parteinahmen gegen die Regierung töteten, war nicht leicht auszuräumen. Erst eine sorgfältige Rekonstruktion seiner Ansprachen sowie eine unparteiische Analyse der gesellschaftlichen Lage des Landes El Salvador am Vorabend des Bürgerkriegs (1980-1991) konnte den Nachweis erbringen, dass Romero getötet wurde, weil er die Soziallehre der Kirche und die Liebe Christi zu den Armen verteidigte.

Seligsprechung zum 100. Geburtstag?

Der wachsende Abstand von den tiefen gesellschaftlichen Gräben des Bürgerkriegs, dem Romero ebenso wie 70.000 seiner Landsleute zum Opfer fiel, hat dazu beigetragen, die Dinge klarer zu sehen. Die nun in wenigen Monaten oder Jahren bevorstehende Seligsprechung - manche halten den 100. Geburtstag Romeros am 15. August 2017 für ein geeignetes Datum - kann nun stattfinden, ohne dass die Wunden zwischen den einst verfeindeten Lagern wieder aufgerissen werden. Die einstige Guerilla-Bewegung FMLN ist heute eine etablierte politische Partei, und die mutmaßlichen militärischen und politischen Hintermänner der Ermordung sind tot oder im hohen Greisenalter.

Mit Spannung wird in Mittelamerika darüber spekuliert, ob Franziskus für die Seligsprechung Romeros - der jetzt nur noch er selbst sowie eine Gruppe von Bischöfen und Kardinälen zustimmen müssen - persönlich nach San Salvador reisen wird. Normalerweise überlässt der Papst Seligsprechungsfeiern den zuständigen Ortskirchen. Doch im Fall des von ihm auch persönlich hoch verehrten Märtyrers Romero wäre eine Ausnahme von dieser ungeschriebenen Regel denkbar.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Chronologie: Vom Erzbischof zum Märtyrer

1977: Oscar Arnulfo Romero wird Erzbischof von San Salvador. Er gilt als konservativ und unpolitisch. Im selben Jahr wird der Befreiungstheologe und Jesuit Rutilio Grande von Militärs ermordet. Der Erzbischof fordert die Aufklärung der Bluttat und geht auf Distanz zur Regierung. 1979: Nach dem Sturz des Diktators Somoza im Nachbarland Nicaragua durch eine linke Volksfront putschen in El Salvador Militärs und Politiker gegen Präsident Carlos Humberto Romero Mena und bilden eine "revolutionäre Regierungsjunta", um einer kommunistischen Revolution zuvorzukommen. Die Junta laviert zwischen fortschrittlichen Projekten (Landreform) und einer Politik der harten Hand gegen die Opposition. Rechts überholt wird sie vom früheren Regierungsmitglied Major Roberto D'Aubuisson Arrieta, der mithilfe von Militärs und Todesschwadronen Persönlichkeiten der Linken ermorden lässt. 1980: Am 24. März wird Erzbischof Romero während der Heiligen Messe von einem Scharfschützen ermordet. Zeugen beschuldigen später d'Aubuisson, er sei der Auftraggeber gewesen. Der Ex-Major bleibt bis zu seinem Lebensende straflos. Nach der Ermordung des Erzbischofs verdichtet sich die politische Gewalt in El Salvador zu einem Bürgerkrieg zwischen der nach rechts gerückten Regierung und der linken Guerilla-Einheitsfont "FMLN". Der Bürgerkrieg dauert elf Jahre; rund 70.000 Menschen werden Opfer politisch motivierter Gewalt. 1989: Sechs Jesuitenpatres und zwei Angestellte der katholischen Universität von San Salvador werden von einer militärisch ausgerüsteten Truppe erschossen. Das Ereignis löst international Empörung aus und verstärkt den Druck aus den USA auf die Regierung, mit der FMLN-Guerilla zu einem Friedensabkommen zu gelangen. Weltweit endet durch den Zerfall des kommunistischen Blocks der Kalte Krieg zwischen der Sowjetunion und den USA. 1990: Im Erzbistum San Salvador wird von Weihbischof Gregorio Rosa Chavez das Seligsprechungsverfahren für Erzbischof Romero eröffnet. 1992: Guerilla und Regierung in El Salvador schließen ein Friedensabkommen; die FMLN wird politische Partei. 1997: Der Seligsprechungsprozess für Romero wird in Rom eingereicht. Die Prüfung seiner Lehren und der politischen Umstände seines Todes zieht sich in die Länge. Gegner einer Seligsprechung geben zu bedenken, die Ermordung sei politisch motiviert gewesen; daher fehle das Kriterium für einen Märtyrertod. 2007: Papst Benedikt XVI. erklärt, er habe "keine Zweifel", dass Romero die Seligsprechung verdiene. 2014: Papst Franziskus sagt, es gebe "keine Hindernisse mehr" auf dem Weg zur Seligsprechung. 2015: Die theologische Kommission der vatikanischen Heiligsprechungskongregation entscheidet, dass Romeros Tod die formalen und sachlichen Voraussetzungen für ein Martyrium erfülle. (KNA)