Er ist als Märtyrer gestorben
Eine ganze Generation hat es gedauert, bis die katholische Kirche zu der Erkenntnis gekommen ist, dass der 1980 am Altar einer Kapelle in San Salvador erschossene Erzbischof Oscar Arnulfo Romero ein Märtyrer war. Zehn Jahre gingen ins Land, bis in seinem Erzbistum El Salvador der Seligsprechungsprozess auf lokaler Ebene eröffnet wurde. Nach vier Jahren endete er mit einem positiven Votum. 1997 kam der Prozess in Rom bei der zuständigen Heiligsprechungskongregation an. Und obwohl mit Vincenzo Paglia einer der einflussreichsten Kirchenmänner als Fürsprecher gewonnen werden konnte, zog sich die Sache in die Länge.
Nach 17 Jahren Wartezeit, in der Hunderte Zeugen gehört, zahlreiche Predigten Romeros rekonstruiert und Aktenberge gesichtet wurden, kam nun aus Rom die entscheidende Nachricht: Eine Theologenkommission der Heiligsprechungskongregation hat befunden, dass es sich bei der Ermordung des in seiner Heimat längst als Heiliger verehrten Erzbischofs um einen Märtyrertod handelte. Die offiziöse Tageszeitung der Italienischen Bischofskonferenz, "L'Avvenire", unterstreicht in ihrem Bericht, dass die Entscheidung einstimmig gefallen sei: Es habe sich sowohl in formaler wie in materieller Hinsicht um einen Märtyrertod gehandelt.
Es soll keine Kampfabstimmung gewesen sein
Die Wortwahl lässt darauf schließen, dass man in Rom von vorneherein einer Legendenbildung vorbeugen will. Niemand soll auf die Idee kommen, dass es eine Kampfabstimmung zwischen "progressiven" und "konservativen" Theologen gegeben haben könnte - oder dass man gar Romero gewissermaßen nur ein Martyrium zweiter Klasse zugebilligt habe. Zugleich aber rückt die Nachricht eine andere Frage in den Vordergrund: Wenn das Votum so eindeutig ausgefallen ist - warum kam es erst jetzt jetzt zustande, wo erstmals ein Lateinamerikaner mit einer gewissen Nähe zur Befreiungstheologie Papst ist?
„Erzbischof Romero war sicher ein großer Glaubenszeuge, ein Mann von großer christlicher Tugend, der sich für den Frieden und gegen die Diktatur eingesetzt hat.“
Ein Blick auf die Vorgeschichte zeigt, dass der Pontifikatswechsel von 2013 vermutlich nicht der allein entscheidende Punkt war. Schon Papst Benedikt XVI. (2005-2013) hatte 2007 während seiner Brasilien-Reise erklärt, dass Romero aus seiner Sicht die Seligsprechung verdiene. Doch das von Fachleuten im Vatikan über viele Jahre immer wieder kolportierte Argument, man könne leider nicht sicher sagen, ob der Mörder und seine Hintermänner Romero aus "Hass gegen den Glauben" oder doch eher wegen seiner politischen Parteinahmen gegen die Regierung töteten, war nicht leicht auszuräumen. Erst eine sorgfältige Rekonstruktion seiner Ansprachen sowie eine unparteiische Analyse der gesellschaftlichen Lage des Landes El Salvador am Vorabend des Bürgerkriegs (1980-1991) konnte den Nachweis erbringen, dass Romero getötet wurde, weil er die Soziallehre der Kirche und die Liebe Christi zu den Armen verteidigte.
Seligsprechung zum 100. Geburtstag?
Der wachsende Abstand von den tiefen gesellschaftlichen Gräben des Bürgerkriegs, dem Romero ebenso wie 70.000 seiner Landsleute zum Opfer fiel, hat dazu beigetragen, die Dinge klarer zu sehen. Die nun in wenigen Monaten oder Jahren bevorstehende Seligsprechung - manche halten den 100. Geburtstag Romeros am 15. August 2017 für ein geeignetes Datum - kann nun stattfinden, ohne dass die Wunden zwischen den einst verfeindeten Lagern wieder aufgerissen werden. Die einstige Guerilla-Bewegung FMLN ist heute eine etablierte politische Partei, und die mutmaßlichen militärischen und politischen Hintermänner der Ermordung sind tot oder im hohen Greisenalter.
Mit Spannung wird in Mittelamerika darüber spekuliert, ob Franziskus für die Seligsprechung Romeros - der jetzt nur noch er selbst sowie eine Gruppe von Bischöfen und Kardinälen zustimmen müssen - persönlich nach San Salvador reisen wird. Normalerweise überlässt der Papst Seligsprechungsfeiern den zuständigen Ortskirchen. Doch im Fall des von ihm auch persönlich hoch verehrten Märtyrers Romero wäre eine Ausnahme von dieser ungeschriebenen Regel denkbar.
Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)