Dass die Kirche überhaupt ein eigenständiges Arbeitsrecht besitzt, geht auf den "Kulturkampf" und den damit einhergehenden Trennungsprozess von Staat und Kirche zurück. Die Weimarer Verfassung (1919) regelte das Verhältnis von Staat und Kirche schließlich neu. Dort heißt es: "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" (Art. 137). Der Artikel wurde mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in das Grundgesetz übernommen (Art. 140), hat Verfassungsrang und ist deshalb bis heute gültig.
Kirchliches Arbeitsrecht besteht aus mehreren Teilen
Das kirchliche Arbeitsrecht selbst setzt sich aus staatlichem Arbeitsrecht auf der einen und kirchenrechtlichen Regelungen auf der anderen Seite zusammen. Grob lässt es sich in drei Kategorien gliedern: Die erste betrifft die betriebliche Mitbestimmung, die in kirchlichen Organisationen durch die Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) geregelt wird. Prägendes Prinzip ist hier nicht das Gegeneinander von Betriebsrat und Arbeitgeber, sondern die gemeinschaftliche Regelung der Arbeitsbedingungen.
Ähnliches gilt für die überbetrieblichen Entscheidungen. Weil Bestimmungen zu kirchlichen Arbeitsverhältnissen weder von oben vorgegeben ("Erster Weg") noch zwischen Tarifvertragsparteien geschlossen werden ("Zweiter Weg"), spricht man beim kirchlichen Arbeitsvertragsrecht vom "Dritten Weg" . Über vertragliche Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit oder Urlaub verhandeln Arbeitgeber und Mitarbeiter in paritätisch besetzten Kommissionen. Auch hier steht ein kooperativer Umgang im Fokus. Aussperrungen oder Streiks sind – weil sie nicht zum Selbstbild der Kirche passen – prinzipiell ausgeschlossen. Allerdings wird immer häufiger über ein Streikrecht für kirchliche Mitarbeiter diskutiert.
Die Loyalitätspflichten sind das große Streitthema
Die dritte Kategorie des Arbeitsrechts ist die strittigste. Sie betrifft die sogenannten Loyalitätspflichten, die in der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" geregelt sind. Unterschreibt der künftige Mitarbeiter einen Arbeitsvertrag samt Grundordnung, wird von ihm eine Übereinstimmung mit den Glaubens- und Moralvorstellungen der Kirche erwartet – auch im Privatleben. Verstößt man gegen die Loyalitätspflichten ist mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung zu rechnen. Problematisch wird es dann, wenn das Selbstbestimmungsrecht der Kirche mit staatlichem Recht kollidiert. Zum Beispiel mit der Meinungs- und Glaubensfreiheit, mit dem Recht auf Privatsphäre oder dem Antidiskriminierungsgesetz. Diese Grenzfälle sind immer häufiger Grund für juristische Auseinandersetzungen.
Strittig ist bereits, welche Voraussetzungen eine kirchliche Einrichtung bei der Einstellung von Bewerbern verlangen kann. So hatte das Arbeitsgericht Aachen 2012 einem konfessionslosen Krankenpfleger eine Entschädigung zugesprochen, weil dieser aufgrund seiner fehlenden Religionsangehörigkeit nicht eingestellt worden war. Andererseits stellte das Bundesarbeitsgericht im April 2013 die zulässige Entlassung eines Sozialpädagogen durch die Caritas fest, weil der zuvor aus der Kirche ausgetreten war.
Die Liste möglicher Konfliktfälle ließe sich beliebig weiterführen: Darf der Chefarzt eines katholischen Krankenhaus Abtreibungen befürworten? Muss eine Reinigungskraft im Dienst der Kirche katholisch sein? Und wie steht es um Homosexuelle, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben? Schon länger diskutieren die deutschen Bischöfe darüber, ob und wie sie als Arbeitgeber bei Verfehlungen ihrer Angestellten gegen die Glaubens- und Sittenlehre größere Ermessensspielräume schaffen können.