Das katholische Pfarrhaus früher und heute

Besuch beim Pfarrer

Veröffentlicht am 04.05.2015 um 00:00 Uhr – Von Von Janina Mogendorf – Lesedauer: 
Kirche

Bonn ‐ Das katholische Pfarrhaus früher und heute: Was hat sich verändert? Und wer sind die Menschen, die dort leben und das Haus mit ihrem Glauben und ihrer Persönlichkeit lebendig machen?

  • Teilen:

Auch wenn dem katholischen Pfarrhaus naturgemäß keine Berühmtheiten entspringen, lohnt sich ein Blick auf die Menschen, die darin leben und es mit ihrer Persönlichkeit und ihrem Glauben lebendig machen. "Das Pfarrhaus an sich gibt es eigentlich nicht", sagt Petra Leigers, seit 22 Jahren Pfarrhaushälterin im Bistum Rottenburg-Stuttgart. Die Vielfalt sei heute sehr groß und wie es sich in einem Pfarrhaus lebt, hänge von der Region und der Gemeinde ebenso ab, wie von den Bewohnern und der Art, wie sie ihre Aufgabe wahrnehmen.

Die Leiterin der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen hat den Unterschied selbst erlebt. "Wie haben vorher in einem Pfarrhaus in Schwäbisch Hall gewohnt. Der Katholikenanteil liegt dort zwischen zehn und zwanzig Prozent. Es kam ständig vor, dass ich die Tür öffnete und mit 'Grüß Gott, Frau Pfarrer!' begrüßt wurde", schmunzelt sie. Der Pfarrer sei dort vor allem als Dienstleister wahrgenommen worden, der sich nach den Bedürfnissen der Menschen zu richten hatte. "Jetzt wohnen wir in einem ur-katholischen Dorf mit alter Tradition. Hier kommt der Pfarrer gleich nach dem Bürgermeister. Er wird überall eingeladen und nach Weihnachten bringt die Feuerwehr frisch Geschlachtetes."

Petra Leigers ist Leiterin der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen.
Bild: ©privat

Petra Leigers ist Leiterin der Berufsgemeinschaft der Pfarrhaushälterinnen.

Wie sehr die Bewohner ein Pfarrhaus prägen, hat Petra Leigers als Kind im Münsterland erlebt. "Zum Pfarrer gingen wir nie, der war unnahbar, hat immer einen Knicks erwartet und ein 'Gelobt sei Jesus Christus'", erzählt sie. Dieses Selbstverständnis des ehrwürdigen Repräsentanten der Kirche war damals üblich und zeigte sich auch im Zusammenleben von Pfarrer und Haushälterin. "Vor 70 Jahren lebte meist eine Schwester, die Mutter oder eine ledige Tante mit im Pfarrhaus. Sie diente dem Pfarrer häufig wie eine Magd und hatte einen entsprechend niedrigen Status."

Die Haushälterin im Verborgenen

Eine Kollegin habe Leigers von ihren ersten Erfahrungen im Pfarrhaus erzählt. "Sie durfte nicht mit dem Pfarrer gemeinsam am Tisch essen, obwohl es ihr eigener Onkel war." Die Haushälterin sorgte für den damals noch sehr aufwendigen Haushalt, den Garten und in ländlichen Gegenden, wo es Pfarrhöfe mit angeschlossener Landwirtschaft gab, auch für die Tiere. In der Öffentlichkeit trat sie dagegen nur selten auf. "Als der Pfarrer meiner Gemeinde damals nach dreißig Jahren ging, wurde erst bekannt, dass er eine Haushälterin gehabt hatte. Kaum jemand hatte davon gewusst."

Mit dem Zusammenleben in modernen Pfarrhäusern ist das nicht mehr zu vergleichen. Vieles ist erlaubt, was früher undenkbar gewesen wäre. "Es gibt Haushälterinnen wie mich, die Vollzeit arbeiten, im Pfarrhaus leben und sich stark in der Gemeinde engagieren. Viele arbeiten mittlerweile aber auch in Teilzeit und haben Familie", sagt Leigers. Selbst geschiedene Frauen werden heute im Pfarrhaus angestellt, das sei vor einigen Jahrzehnten noch unmöglich gewesen. "Heutzutage sind auch lange nicht mehr alle Pfarrhaushälterinnen katholisch. Darüber wird diskutiert, aber die Entscheidung liegt beim Pfarrer."

Genauso, wie dieser sich entschließen kann, gar keine Haushälterin einzustellen. "Wir leben in einer Single-Kultur, außerdem sind Männer von heute ja durchaus in der Lage, ihren Haushalt selbst zu führen. Warum sollte das bei Priestern anders sein?", so Leigers. Sie habe auch schon manches Mal das Argument gehört, dass ein Priester sich nicht "die Gefahr ins Haus holen" wolle. "Auch wenn in vielen Verträgen steht, dass die Haushälterin den Zölibat des Pfarrers mitzutragen hat, kommt es doch immer wieder vor, dass sich eine Beziehung entwickelt und der Pfarrer seinen Dienst aufgeben muss."

Aber auch das Alleinsein hat Schattenseiten, denn es wirkt sich negativ auf die Lebenszufriedenheit von Priestern aus, wie eine aktuelle Stress-Studie zeigt, an der rund 8.600 katholische Seelsorger in Deutschland teilgenommen haben. Priester, die mit anderen Menschen zusammenleben - sei es mit einer Haushälterin oder in einer Wohngemeinschaft mit Priestern - haben eine höhere Lebens- und Arbeitszufriedenheit. Laut Studie können sie sich besser mit dem Priestertum und dem Zölibat identifizieren und zeigen eine niedrigere Stress- und Gesundheitsbelastung. Letzteres ist wichtig, weil Seelsorger heute ohnehin einen aufreibenden Arbeitsalltag haben. Sie betreuen oft mehrere Gemeinden und sind viel unterwegs. "Unsere entlegenste Kirche ist zwanzig Kilometer entfernt", erzählt Petra Leigers.

Die strukturellen Veränderungen wirken sich auch auf das Pfarrhaus aus. Ein Pfarrer ist außerhalb des Gottesdienstes nur noch selten zu Hause anzutreffen, wenn er denn überhaupt am Ort wohnt. "Gerade in großen Seelsorgeeinheiten kennen die Menschen ihren Pfarrer oft nicht mehr. Da kann sich keine Beziehung entwickeln, die doch so wichtig ist für die Gemeinde." Pfarrhaushälterinnen können diesen Bezugspunkt für die Gemeinde bilden. Was es bedeutet, ein offenes Haus zu führen, erlebt Petra Leigers täglich. "Ohne Berufung und einen guten Schuss Humor geht es nicht", sagt sie, denn langweilig werde es nie. "Für viele ist es selbstverständlich, dass sie auch außerhalb der Bürozeiten im Pfarrhaus klingeln können. Also gerne mal zur Mittagszeit, abends oder am Feiertag."

Bundeskanzlerin Angela Merkel währen einer Pressekonferenz am 11. Februar 2013.
Bild: ©KNA

Bundeskanzlerin Angela Merkel währen einer Pressekonferenz am 11. Februar 2013.

Als Familie im katholischen Pfarrhaus

Viele leerstehende Pfarrhäuser werden mittlerweile an Pastoralreferenten und Diakone mit Familien vermietet. Für sie kann die geringe Privatsphäre zum Problem werden. Wie sich Ehe- und Familienleben im Pfarrhaus anfühlen, berichten zwei Familien der Kölner Gemeinde Sankt Pankratius im Pfarrbrief "umbruch" . Diakon Matthias Gill lebt mit Frau und Tochter in einem alten Pfarrhaus am Rhein. "Natürlich war es eine Umstellung, mit der Familie in einem Pfarrhaus zu leben", erzählt seine Frau Marion. "Für uns war es schon ein Wagnis, sich darauf einzulassen." Viele Menschen hätten noch eine klassische Vorstellung vom Leben im Pfarrhaus. "Sicherlich fällt es manchen auch nicht leicht, eine Familie im Pfarrhaus zu wissen."

Pastoralreferent Hubert Schneider wohnt mit seiner Frau ebenfalls in einem Pfarrhaus des Seelsorgebereichs. Wie auch die Familie Gill erleben sie, dass sie beide in der Gemeindearbeit gefordert sind. "Das Bild ist eindeutig da. Herr Schneider ist Pastoralreferent, also macht die ganze Familie mit", erzählt er von seinen Erfahrungen. Beide Seelsorger können und wollen Beruf und Persönliches nicht völlig voneinander trennen. Es sei wichtig, wirklich in der Gemeinde zu leben. Trotzdem sind die Familien froh über ihren privaten Wohnbereich im Pfarrhaus.

"Unser Pfarrhaus soll einladend auf die Gemeinde wirken, aber nicht verfügbar", bringt Diakon Gill seine Vorstellung auf den Punkt. Die Menschen sollen es als offenen Ort erleben, an den sie sich zu gegebenen Zeiten wenden können und von dem Impulse ausstrahlen auf die Gemeinde. Andererseits wohne hier eine normale Familie, mit all ihren Schwächen und Konflikten, die sie im Glauben bewältige. "Es soll spürbar sein, dass das Gebetsleben hier einen wichtigen Raum einnimmt und dass wir auch für die Menschen am Ort mitbeten."

Von Von Janina Mogendorf