Bischof lässt Teilnahme am "Marsch für das Leben" weiter offen

Oster verteidigt Anti-AfD-Papier – Warnung auch vor Linksextremismus

Veröffentlicht am 04.03.2024 um 13:16 Uhr – Lesedauer: 

Passau ‐ Bischof Stefan Oster hat die Positionierung der Bischöfe gegen die AfD verteidigt. Zugleich warnt er in einem neuen Text vor Linksextremismus – und er geht auch noch einmal auf eine mögliche künftige Teilnahme am "Marsch für das Leben" ein.

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Passaus Bischof Stefan Oster hat die jüngste Positionierung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gegen die AfD verteidigt. "Wir beobachten besonders in dieser Partei, seit sie auf der politischen Bühne aufgetaucht ist, eine ständig sich steigernde Radikalisierung", schreibt Oster in einem am Montag veröffentlichten Text auf seiner Internetseite. Nicht wenige Mitglieder, die die AfD früher anders geprägt hätten, hätten die Partei inzwischen verlassen. "Nach meiner Beobachtung wird die Kultur des politischen Diskurses auch durch die AfD und ihre Entwicklung fortwährend schlechter, die Polarisierungen nehmen massiv zu." Ein wirkliches Interesse an demokratischer Willens- und Meinungsbildung im Diskurs könne er dort kaum erkennen, fundamentale Systemkritik gegen alles dagegen immer stärker. "Aus all diesen und anderen Gründen, die die Erklärung bringt, trage ich diesen Text auch mit", so Oster.

Allerdings wollten die Bischöfe auch Menschen, die die AfD wählen wollten, keineswegs be- oder gar verurteilen. "Wir wollen ins Gespräch kommen, wir wollen zuhören und voneinander lernen, wir wollen aber auch fragen: Schauen wir genau genug hin? Wir wollen all jene politischen Kräften stärken und unterstützen, die ausdrücklich eine Stärkung und Erneuerung dessen anzielen, was unser Land die letzten Jahrzehnte so ausgezeichnet hat", betont Oster. Dafür brauch es unter anderem einen Einsatz für das Gemeinwohl und ein Miteinander, in dem die eine die andere Person nicht schon deshalb verdächtige, weil sie anderer Meinung oder anderer Herkunft sei. "Wir brauchen neues Vertrauen, auch in unsere wesentlichen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen, wir brauchen sehr dringend eine Stärkung der Medienkompetenz aller, besonders der jungen Menschen."

Oster: Auch Einfluss linker Strömungen trägt zur Polarisierung bei

Die DBK hatte zum Abschluss ihrer Frühjahrsvollversammlung einstimmig eine Erklärung verabschiedet, in der sie sich deutlich von der AfD abgrenzte. In der Partei dominiere nach mehreren Radikalisierungsschüben inzwischen eine völkisch-nationalistische Gesinnung. Zudem betonten die Bischöfe, dass völkischer Nationalismus mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar sei. "Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar", hieß es. Die Verbreitung rechtsextremer Parolen sei zudem mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar.

Oster schreibt in seinem neuen Text zugleich, dass auch der Einfluss linker, vor allem linksextremer politischer Strömungen zur Polarisierung beitrage. "Bisweilen ähneln sich der rechte und der linke Rand vor allem im Blick auf Identitätsfragen: Hier das völkisch-identitäre Denken, dort ein wokes Identitätsdenken", so Oster. Jenes wolle Deutschland möglichst ethnisch sauber halten, dieses sehe Unterdrückung gegen Minderheiten überall am Werk. "Und solches Denken will dann von links eine Vorstellung von 'Vielfalt' ausdrücklich ebenfalls gegen etablierte politische Strukturen befördern – um diese des vermeintlichen Machtmissbrauchs zu überführen." Paradox sei, dass sich unter dem Stichwort "Vielfalt" eine "cancel culture" breitmache, die ihrerseits hoch autoritär nur die eigene Auswahl dessen zulasse, was zu "Vielfalt" gehören dürfe und was nicht.

 Marsch für das Leben 2020
Bild: ©KNA/Gordon Welters (Archivbild)

Bischof Stefan Oster lässt weiter offen, ob er künftig noch einmal an einem "Marsch für das Leben" teilnehmen wird.

"Da wie dort geht es nach meiner Überzeugung um den Umbau der Gesellschaft von ihren Wurzeln her. Und wir wissen, dass solcher Umbau – da wie dort – letztlich auf autoritäre Systeme zielt, die ihre Positionen mit Macht und Unterdrückung durchsetzen werden – und gegen eine Form eines freiheitlichen Rechtsstaates" schreibt der Bischof weiter. Dieser aber sei eine Staatsform, "die wir alle die letzten mehr als sieben Jahrzehnte in unserem Land genießen durften".

Oster kritisiert, dass heute schnell alles "rechts" erscheine, nur weil es nicht "links" sei oder mit den derzeitigen Regierungsparteien und deren Politik gehe. Wer wage es noch, ehrlich die Probleme zu benennen, die sich durch starke Zuwanderung vor allem dann ergäben, wenn Integration nicht oder nur mäßig gelinge – ohne als rechts oder islamophob bezeichnet zu werden, fragt der Bischof. "Andererseits sehen viele Menschen, die einen sehr kritischen Blick auf die Migrationspolitik haben, auch kaum, dass zum Beispiel unser Gesundheits- und Pflegesystem oder andere Dienstleistungsbranchen ohne die vielen Arbeitskräfte aus dem Ausland schon längst nicht mehr in der bisher gekannten Weise funktionsfähig wären."

Weiter Distanz zum "Marsch für das Leben"

In seinem Text äußert sich Oster auch erneut zu einer möglichen künftigen Teilnahme am "Marsch für das Leben". Zwar trage er das Anliegen der Veranstaltung "selbstverständlich jederzeit" mit, und er sei auch der Überzeugung, dass es die Präsenz der Anliegen des Lebensschutzes im öffentlichen und politischen Raum dringend brauche. "Ich bin inzwischen aber nicht mehr sicher, ob es tatsächlich genau diese Form der Präsenz ist, die dem Anliegen in unserem deutschen Kontext am besten dient. Womöglich lässt sich der Marsch zu leicht beschädigen, zu leicht inhaltlich kapern und dann das Interesse auf Nebenthemen lenken, die nicht die unseren sind", so der Bischof. Auch frage er sich, ob der Begriff "Marsch" für die Veranstaltung noch in die Zeit passe. Was eine mögliche weitere Teilnahme angehe, sei er bislang "nicht entschieden".

Unmittelbar nach der Frühjahrsvollversammlung hatte Oster im Bayerischen Rundfunk offen gelassen, ob er noch einmal beim "Marsch für das Leben" mitgehen werde. Auch damals hatte er bereits erklärt, in der Sache hinter dem Anliegen zu stehen. Er wolle jedoch nicht mittragen, wie Extreme das christliche Familienbild nutzten, um Wählerstimmen zu gewinnen. In seinem Text schreibt er nun, dass er sich gerne Gegenargumente gefallen lasse und er – wenn diese ihn überzeugten – auch "gerne wieder" an dem Marsch teilnehmen werde. (stz)