Sehnsucht nach dem gelobten Land

Veröffentlicht am 29.07.2019 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 
Reisezeit

Bonn ‐ Sonne, Palmen, Strand? Das ganze Jahr über wünscht man sich Urlaub an solchen Orten. Da blitzt auch die Sehnsucht nach einem Paradies auf. Auch die Bibel kennt solche Sehnsuchtsziele.

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Das ganze Jahr über locken bunte Prospekte mit exotischen Zielen . Ägypten, Florida oder die Malediven - nichts scheint unmöglich im Zeitalter der Billigflieger und Pauschaltouristen. Oft reichen schon die farbigen Bilder, um Fernweh zu bekommen: Sonne, Meer und Palmenstrand. da blitzt manchmal auch so etwas auf wie die Sehnsucht nach einem Paradies auf Erden.

Auch die Bibel kennt solche Sehnsuchtsziele. Für das Volk Israel war Gottes Verheißung des "gelobten Landes" Hoffnung und Motivation auf seinem Weg. Mitten im Alten Testament entsteht aber auch bereits die Vorstellung, dass alle anderen Völker in diese Geschichte Gottes mit seinem Volk einbezogen werden – und sie wird im Bild einer großen Reise mit einem einzigen Ziel ausgedrückt: Vom Lichtglanz und von der Pracht Jerusalems angezogen, ziehen die heidnischen Völker in einer riesigen Wallfahrt zur Heiligen Stadt und tragen all ihre Reichtümer und Schätze in sie hinein, so dass alles allen zum Segen gereicht.

"Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz," so wird im Buch Jesaja zur Stadt Jerusalem wie zu einer Person gesprochen. "Blick auf und schau umher: Sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf den Armen herbei. Du wirst es sehen und du wirst strahlen, / dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit."

Sehnsucht nach dem Ende einer lebenslangen Suche

Auch im Neuen Testament hören wir von heidnischen Gabenbringern: von den Magiern aus dem Orient , die – geführt und in Bann genommen vom Stern über Betlehem – selbst eine Fernreise nicht scheuen, nur um das Kind Jesus anbeten zu können. Am Ende unseres Bibelkanons, in der Apokalypse, schließlich erweisen sich beide Ziele als deckungsgleich: Wenn dort die Könige der Erde in das "himmlische Jerusalem" einziehen, dann sind sie genau an dem Ort, wo Gott unter den Menschen wohnt und Jesus auf einem Thron mit dem Vater gepriesen wird. In diese Stadt wird das Kostbarste, Schönste und Heiligste hineinprojiziert, das man sich damals wohl vorstellen konnte, ja selbst das verlorene Paradies kehrt mit ihr zurück. Gleichzeitig aber kommt sie "vom Himmel" – als etwas ganz Anderes, das unsere kühnsten Vorstellungen und Erwartungen noch übertrifft.

Unsere gesamte Bibel, von der Genesis bis zur Johannes-Offenbarung, läuft auf dieses eine "Sehnsuchtsziel" hinaus . Anderswo wird es auch "Reich Gottes" genannt und manchmal wie eine große Mahlgemeinschaft oder wie ein rauschendes Fest beschrieben, manchmal wie ein utopisch anmutender Friede unter allen Lebewesen der Schöpfung. Unsere Worte reichen nicht aus – und doch tut sich hier die Sehnsucht nach einem letzten "Reiseziel" kund auf der lebenslangen Suche nach einem Ort, an dem wir bleiben können.

Weil wir auf dieser Erde nicht ganz zu Hause sind...

Der Schriftsteller Heinrich Böll sprach in einem Interview einmal vom Menschen selbst als einem "Gottesbeweis" – insofern nämlich, als "wir eigentlich wissen – auch wenn wir es nicht zugeben –, dass wir hier auf der Erde nicht ganz zu Hause sind. Dass wir also noch woanders hingehören und von woanders herkommen." Und er fuhr fort: "Ich kann mir keinen Menschen vorstellen, der sich nicht – jedenfalls zeitweise, stundenweise, tageweise oder auch nur augenblicksweise – klar darüber wird, dass er nicht ganz auf diese Erde gehört."

Es scheint uns Menschen eigen zu sein, dass sich – bei aller wichtigen und richtigen Verwurzelung mit unserem Leben hier und heute – ein Teil von uns dennoch bleibend anderswohin sehnt. Es ist eine Sehnsucht, die auch durch Sonnenuntergänge und Traumstrände nicht zu stillen ist. Und dennoch: Könnte es sein, dass wir genau deswegen so gerne auf die Reise gehen?

Von Rita Müller-Fieberg

Zur Person

Rita Müller-Fieberg, Studium der Katholischen Theologie, Romanistik und Germanistik. Promotion im Fachgebiet Neues Testament. Als Dozentin für Biblische Theologie tätig im Bereich Fort- und Weiterbildung von Religionslehrern am Institut für Lehrerfortbildung, einer Einrichtung der fünf (Erz-)Bistümer Nordrhein-Westfalens.

Dieser Artikel wurde 2014 erstmals veröffentlicht.