Unabhängige Kommission sucht Zeugen und Betroffene

Aufarbeitung von Missbrauch in der Abtei Saint-Maurice beginnt

Veröffentlicht am 03.06.2024 um 12:06 Uhr – Lesedauer: 

Sainte-Maurice ‐ Das Schweizer Fernsehen brachte Vorwürfe gegen neun Augustiner-Chorherren aus Saint-Maurice ans Licht. Das Kloster kündigte eine unabhängige Aufarbeitung an. Die Kommission nimmt nun ihre Arbeit auf und will Strukturen des Missbrauchs ergründen.

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Die Kommission zur Aufarbeitung der Missbrauchsvorwürfe gegen Ordensmänner der Schweizer Abtei Saint-Maurice hat ihre Arbeit aufgenommen. Die Gruppe unter der Leitung des Neuenburger Generalstaatsanwalts Pierre Aubert ruft seit Montag Zeugen und Betroffene auf, sich zu melden. Ende Februar hatte die Augustiner-Chorherren-Abtei im Kanton Wallis die Einrichtung der Kommission angekündigt, die die vom Schweizer Fernsehen recherchierten Missbrauchsvorwürfe unabhängig aufklären soll.

Neben Aubert besteht die Kommission aus vier Historikerinnen der Universität Fribourg. Sie arbeitet auf der Grundlage von Zeugenaussagen und Archivbeständen und soll die Vorwürfe aufklären, die sich auf Fälle in der Schweiz und im Ausland von den 1960er Jahren an beziehen. Ziel ist es, das institutionelle Handeln aufzuklären, zu individuellen Verantwortlichkeiten werde sie sich nicht äußern. "Die Forschung befasst sich mit den Mechanismen und Bedingungen, die diese Missbräuche ermöglichten, sowie mit denjenigen, die ihre Verheimlichung oder Aufdeckung begünstigten", so die Mitteilung der Kommission. Ihr Bericht soll Mitte 2025 veröffentlicht werden. Neben Missbrauchsbetroffenen werden auch Zeugen gesucht, die Informationen über die Strukturen der Abtei und zum Umgang der Chorherren mit ihrem Umfeld zur Verfügung stellen können.

Vorwürfe gegen fünf noch lebende Chorherren

Die Vorwürfe wurden im November durch eine Reportage des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens RTS ans Licht gebracht. Insgesamt wurden neun Chorherren beschuldigt, von denen fünf noch leben. Zu den Beschuldigten gehörte auch der Prior des Klosters, Roland Jaquenoud, der die Abtei nach Vorwürfen gegen den Abt Jean César Scarcella zwischenzeitlich leitete. Jaquenod trat daraufhin als Prior zurück. In der Woche darauf ernannte Papst Franziskus den ehemaligen Oberen der Kongregation des Großen Sankt Bernhard, Jean Michel Girard, zum Apostolischen Administrator der Abtei. Girard kündigte bereits im Dezember gegenüber der Presse an, externe Hilfe bei der Aufarbeitung hinzuzuziehen. Nach Angaben der Abtei ist derzeit kein Verfahren gegen eines ihrer Mitglieder bei der Staatsanwaltschaft anhängig.

Die Abtei Saint-Maurice ist ein Kloster der Augustiner-Chorherren im Schweizer Kanton Wallis. Sie gilt als ältestes ohne Unterbrechung bestehendes Kloster des Abendlandes. Als Territorialabtei ist das Kloster und ein zu ihm gehörendes Gebiet von fast 100 Kilometern einem Bistum gleichgestellt. (fxn)