Unterwegs im Namen des Herrn
Als Sohn eines Schneiders kam Werner Wolf im Kriegsjahr 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu zur Welt. Die Familie war gut katholisch, aber nicht übermäßig fromm. Der Bub war Messdiener, aber sein eigentliches Erweckungserlebnis hatte er auf dem Dachboden, wie Heidemarie Winter in ihrer aktuellen Biografie "Höllenfahrten und Himmelstreppen" schreibt. Dort fand der Oberrealschüler ein Missionsheft. Die Berichte weckten seine Sehnsucht nach Freiheit. Als Missionar wollte er weg von der ihn so behütenden Mutter und seine "innige Beziehung zu Jesus Christus" in Einklang bringen.
Dabei stand es um ihn gesundheitlich als Kleinkind nicht gut. Als er an Rachitis erkrankte, ließ der Arzt die Mutter wissen, dass sie ihren Sohn "abschreiben" könne. Mit Sport hatte es Wolf ebenfalls nie so recht, sein Ausgleich war die Musik. Noch heute begleitet ihn die Querflöte auf allen Reisen, bisweilen auch die E-Gitarre. Mit Hilfe des Ortspfarrers schaffte es der gute Schüler ans Gymnasium der Missionsbenediktiner in Sankt Ottilien. Nach dem Abitur 1961 trat er in den Orden ein. Als er den Namen "Notker" wählte, meinte ein Mitbruder: "Um Gottes willen, schon der fünfte Notker." Denn vier Kandidaten vorher hatten die Erzabtei wieder verlassen.
Mit 37 Jahren wird Wolf Erzabt in St. Ottilien
Sein Studium der Philosophie absolvierte der Benediktiner an der Päpstlichen Hochschule Sant'Anselmo in Rom, in München schrieb er sich für Theologie und Naturwissenschaften ein. Die Priesterweihe empfing er 1968. Zwei Jahre später lehrte Wolf Naturphilosophie in Sant' Anselmo, die Promotion mit einer Arbeit über das zyklische Weltmodell der Stoa folgte. Als 1977 in Ottilien ein neuer Erzabt gesucht wurde, fiel die Entscheidung auf den 37-jährigen Jungspund. Dabei war es ihm wichtig, den harten Drill und die Überwachung zu überwinden, um ein angstfreies Kloster zu schaffen. Die Freiheit und die Würde des Einzelnen sollten respektiert werden.
Über sich selbst sagt Wolf, er sei kein "Eventualist". Er überlege nicht, was in der einen oder anderen Situation sein werde. Vielmehr treffe er Entscheidungen, wenn sie anstünden. Als ihn nach 23 Jahren in Ottilien der Wechsel nach Rom als oberster Benediktiner ins Kloster Sant'Anselmo führen sollte, ging er genauso pragmatisch vor. Und auch wenn er nie bauen wollte, ist das Teil seiner Arbeit. Das Gebäude auf dem Aventin musste dringend renoviert werden. Wolf schaffte dafür eigens einen Kran an.
Ein gern gesehener Gast in den Talkshows
Genauso gehören Vorträge und Besuche bei Klöstern weltweit für Wolf zum täglichen Brot. Auch vor Ländern wie Nordkorea und China macht er nicht Halt. In beiden gelang es ihm, Krankenhäuser zu errichten. Fürs Erholen reicht Wolf ein Moment. Bleibt Zeit und findet sich irgendwo eine Bank, fällt er sofort in Tiefschlaf. Mit dabei hat er auf Tour stets eine Art Survival-Kit mit Tauchsieder, Zinnbecher und einer Ration Instantkaffee.
In Talkshows ist der Abtprimas, der mehrere Sprachen spricht, ein gern gesehener Gast. Auch seine Bücher werden gelesen, wobei er mit seinen "ketzerischen Gedanken zu Deutschland" für größere Aufregung sorgte. Als "rockender Abt" schätzt er den Auftritt mit den Jungs von "Feedback", einer ehemaligen Schülerband. 2008 erlebte Wolf in Benediktbeuern das Highlight seiner Musiker-Karriere, als er an der E-Gitarre mit "Deep Purple" ihren Megahit "Smoke on the water" spielte. Dabei ist er bekennender "Rolling Stones"-Fan. Vielleicht klappt noch irgendwann ein Auftritt mit Jagger und Co. Es muss ja nicht "Sympathy for the Devil" sein.