Polen: Schwierige Annäherung zwischen Bischöfen und Betroffenen
In Polen pochen Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kirche weiter auf eine Suspendierung des Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz. Man begrüße, dass Erzbischof Tadeusz Wojda den Heiligen Stuhl gebeten hat, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu untersuchen. "Gleichzeitig möchten wir jedoch betonen, dass wir davon überzeugt sind, dass er gerade für die Zeit der Untersuchung dieser Vorwürfe von seiner Funktion als Vorsitzender suspendiert werden oder selbst davon zurücktreten sollte, was wir weiterhin fordern", heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Brief von mehr als 40 Missbrauchsbetroffenen. Wojda wird vorgeworfen, als Erzbischof von Danzig (Gdansk) nicht auf Briefe zweier Frauen geantwortet zu haben, die einen Priester angezeigt hatten. Der Kinderschutzbeauftragte des Erzbistums habe Aussagen der Frauen zum Teil verfälscht und manipuliert.
Die Betroffenen hatten sich vor wenigen Monaten zusammengetan und im Mai an die mehr als ein Dutzend Mitglieder des Ständigen Rates der Bischofskonferenz einen viel beachteten Brief mit acht Forderungen geschickt. Das jetzige Schreiben ist die Reaktion auf die Antwort. Die Zeichen stehen auf Dialog. Im November wollen sich Bischöfe am Rande ihrer Vollversammlung in Tschenstochau (Czestochowa) mit Vertretern der Missbrauchsbetroffenen treffen. Wer genau an dem Gespräch teilnehmen wird, steht noch nicht fest. Geht es nach den Geschädigten, sollte Wojda nicht mit dabei sein. Sie wollen aber keinen Rückzieher machen, wenn Wojda auf seiner Teilnahme an dem Gespräch bestehe. "Das Treffen ist nicht in Gefahr", sagte Jakub Pankowiak, einer der drei Initiatoren des Briefes an den Ständigen Rat der Bischofskonferenz, der katholischen Wochenzeitschrift "Tygodnik Powszechny". Er hofft, dass die Begegnung erfolgreich verläuft: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein direktes, persönliches Treffen viel mehr verändert als Forderungen, Briefe, Artikel. Jeder von uns hat mit Bischöfen gesprochen, von denen nicht alle von Anfang an davon überzeugt waren, dass es sich lohnt, uns zu vertrauen und für uns zu arbeiten." Aber dann seien sie dazu bereit gewesen. Nun seien diese Bischöfe "Verbündete". "Es sind nur wenige, aber sie versuchen, unsere Situation zu verstehen und mit uns zu verändern", so Pankowiak.
Keine "Anerkennungsleistungen" wie in Deutschland
Ein anderer Mitinitiator des Briefes, Robert Fidura, sagte der KNA, auf seinen ausdrückliche Bitte hin habe sich sein Ortsbischof zweimal mit ihm getroffen. In seinem Fall sei der Täter ein inzwischen verstorbener Ordensmann gewesen. Fidura kritsiert, dass er bis heute nichts von einer Entscheidung des Ordensgenerals wisse. Eine "Anerkennungsleitung" ähnlich der Kirche in Deutschland erhielt er nicht. "Als ich eine Psychotherapie brauchte, bat ich die Diözese um die Erstattung der Kosten und erhielt sie", erzählt er. "Die Hälfte wurde von der Diözese übernommen, die andere Hälfte von der Sankt-Jozef-Stiftung." Die Stiftung war dafür 2019 von den Bischöfen gegründet worden. Der Vatikan hat bereits etwa ein Dutzend Bischöfe, die meist emeritiert waren, wegen Fehlverhalten dazu verpflichtet, Geld an die Stiftung zu zahlen.
Mehrere Betroffene verklagten Bistümer und Ordensgemeinschaften bereits erfolgreich vor Zivilgerichten auf Entschädigung. Zu einem Umdenken der Bischöfe führte das bisher nicht. Wohl auch deshalb, weil die Kirche über weniger Geld als etwa Deutschlands Kirche verfügt. Bewegung kommt indes in die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Im November will die Bischofskonferenz nach eigenen Angaben dazu eine "Kommission unabhängiger Experten" ernennen, die sie schon im Frühjahr 2023 angekündigt hatte. Viele Fragen sind noch offen. Wird die Kommission unabhängig von der Bischofskonferenz arbeiten? Bekommt sie freien Zugriff auf alle Archive? Werden der Kommission auch Geschädigte angehören? Bislang zieht sich alles hin.
Neuer Bischof von Skandal-Diözese handelt schnell
Unterdessen handelte der neue Bischof der Skandal-Diözese Sosnowiec relativ schnell. Papst Franziskus ernannte im April den bisherigen Weihbischof in Tarnow, Artur Wazny (57), zum Nachfolger des im Oktober zurückgetretenen Bischof Grzegorz Kaszak (59). Im Juni kündigte Wazny zwei Kommissionen an. Die eine leitet eine pensionierte Staatsanwältin und soll Fälle untersuchen, "die sich in der Diözese Sosnowiec ereignet haben und die in letzter Zeit die öffentliche Meinung erregt haben". Die zweite Kommission soll sich mit den Themen Pastoral, Finanzen, Recht, Verwaltung und Personal befassen. Ergebnis offen.
Medienberichten zufolge beschuldigten 2010 mehrere Priesteranwärter den Rektor des örtlichen Seminars, sie sexuell missbraucht zu haben. Das Seminar wurde später geschlossen. Im September 2023 soll bei einer angeblichen Sexparty eines homosexuellen Priesters ein Callboy nach der Einnahme von Potenzmitteln ohnmächtig geworden sein. Der Geistliche soll Medien zufolge den alarmierten Sanitätern den Zutritt zu seiner Wohnung verwehrt haben; daraufhin hätten diese die Polizei gerufen. Kritiker sprachen von einem moralischen Verfall in der Diözese, den sie auch dem Bischof anlasteten. Fidura lobt, dass der neue Bischof Wazny eine Ordensschwester und eine Laiin zu Ansprechpartnerinnen für Missbrauchsbetroffene machte: "Das ist ein guter Ansatz. Denn so hat ein Geschädigter die Möglichkeit eine Person zu wählen, mit der er leichter reden kann."