Die ARD zeigt heute Abend einen außergewöhnlichen Polizeiruf 110

"Das lernt man nicht auf der Polizeischule"

Veröffentlicht am 28.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Rainer Gansera  – Lesedauer: 
Fernsehen

Bonn ‐ Am Sonntag zeigte die ARD einen herausragenden Polizeiruf. Die Story: Die Eigentümerin einer Münchner Möbelmanufaktur wird ermordet und anschließend rituell beerdigt. Wie der Film die Aufklärung des Falls erzählte, ließ selbst Krimi-Standardsituationen zum Ereignis werden.

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Die Handlung beginnt genregemäß mit dem Leichenfund. Zusammen mit ihrem Schoßhündchen ist die Eigentümerin einer Möbelmanufaktur ermordet und auf einer Waldlichtung im Münchner Umland nicht einfach verscharrt, sondern rituell beerdigt worden.

Einsame Kneipenbesuche

Faszinierend, wie bei Petzold Krimi-Standardsituationen zum Ereignis werden. Wenn Hauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) den Hauptverdächtigen, den Ex-Ehemann des Opfers (Justus von Dohnányi) verhört, schaut die neue Kollegin Constanze Hermann (Barbara Auer) gebannt zu und bemerkt "das Mäandern" seiner Fragen. Von Meuffels erklärt ihr dann: "Das lernt man nicht auf der Polizeischule, sondern bei einem Krimiautor wie Garry Disher!"

Die Dialoge im Auto – Petzolds Spezialität – haken nicht Informationen ab, sondern gewinnen dramatische Dichte. Wenn die Kollegin von ihrer früheren, mittlerweile bewältigten Alkoholsucht erzählt, antwortet von Meuffels, um sie aufzurichten und ihr seine Wertschätzung zu zeigen, mit einer Beschreibung der einsamen Kneipenbesuche, die auch er genau kenne: dieses An-der-Theke sitzen, das Drücken der Songs an der Music-Box... Und dann findet sich – so werden die Motive fortgesponnen – eine Music-Box im Arbeitskeller des Verdächtigen.

Ein Mann und eine Frau schauen in die gleiche Richtung
Bild: ©BR/Christian Schulz

Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Constanze Hermann (Barbara Auer) bei der Befragung der Belegschaft, wo die ermordete Fabrikantin nicht sonderlich beliebt war - nicht erst seit bekannt wurde, dass sie die Firma an ausländische Investoren veräußern wollte.

Petzold ist ein Regisseur der intimen Intensitäten. Mit Verfolgungsjagden und dem Auslegen falscher Fährten hält er sich nicht lange auf. Er konzentriert sich vielmehr auf sein Darsteller-Trio, setzt Brandt/Auer/Dohnányi brillant in Szene und zeichnet mit ihnen drei Varianten existenzieller Einsamkeit.

Die Taten der Gekränkten

Bewegend, wie sich zwischen von Meuffels und seiner neuen Kollegin in zarten Andeutungen eine Liebesgeschichte entspinnt, die keine werden darf. "Es heißt ja", erklärt Petzold dazu, "dass die Menschen Polizisten und Detektive im Kino und im Fernsehen so lieben, weil sie in alle Privaträume, auch in die verschlossensten, in die der Reichen und Armen, der Schönen und Verblühten, hineingelangen und wir uns dort mit ihnen aufhalten und umschauen können. Die Polizisten und Detektive finden hier die Taten der Gekränkten, der Vernachlässigten, der Neider, der Leidenschaftlichen und Erkalteten. Ihr Schicksal aber ist, dass sie selbst niemals verbrecherisch und leidenschaftlich sein dürfen. Sie gehen herum in den Tragödien anderer. 'Kreise' erzählt von diesen ausgeschlossenen, erschöpften, versehrten, einsamen, aber auch großartig erwachsenen Menschen."

Stellungnahme der Filmkommission

Die Eigentümerin einer Möbelmanufaktur und ihr Schoßhund wurden ermordet und auf einer Waldlichtung im Münchner Umland rituell beerdigt. Dringend tatverdächtig ist der Ehemann der Toten, den der ermittelnde Hauptkommissar gemeinsam mit seiner neuen, erfahrenen Kollegin einzukreisen beginnt. Brillant gespielter und inszenierter (Fernsehserien-)Krimi, der die gängigen Standardsituationen des Genres zu einem geheimnisvollen, schwebend-schönen Film über existenzielle Einsamkeit verdichtet und diese in drei verschiedenen Varianten durchspielt. Dabei ergänzen sich die emotionalen Befindlichkeiten der Protagonisten subtil zu einem bewegenden und intensiven Spannungsverhältnis. – Sehenswert ab 16.

Filmdienst

Die Filmkritik wurde katholisch.de vom Magazin "Filmdienst" zur Verfügung gestellt. Seit 1947 begleitet der Filmdienst wie kein anderes Magazin kritisch das Kinofilmgeschehen. Herausragende Porträts von Filmschaffenden stehen neben umfassenden Filmkritiken zu jeder Kinopremiere in Deutschland, spannende Debatten neben aufschlussreichen Interviews, Hintergrundberichte neben Neuigkeiten aus der Filmwelt. Die Beilage "Film im Fernsehen" informiert über sehenswerte Filme im Fernsehen. Die Datenbank CinOmat ist ein beispielloses Nachschlagewerk, das mehr als 250.000 Filmschaffende mit fast 75.000 Filmen verknüpft. Der Filmdienst ist darüber hinaus Herausgeber des "Lexikons des Film", zeichnet neue DVD/Blu-ray-Veröffentlichungen mit dem "Silberling" aus und verleiht gemeinsam mit dem Bundesverband Kommunale Filmarbeit jährlich den "Caligari-Filmpreis".
Von Rainer Gansera