Wie ein Benediktiner Kunst aus alten Gegenständen macht
"Dieser Nikolaus ist eines natürlichen Todes gestorben", sagt Pater Meinrad Dufner lachend und zeigt auf ein auseinandergefaltetes Nikolauspapier, das er in seinem Atelier angepinnt hat. "Das mache ich immer. Schokoladenpapier ausfalten. Da kommen oft interessante Formen heraus." Das ist ohnehin seine Arbeitsweise: "Alles, was man in die Finger bekommt, spielerisch behandeln. Und im Nu kommt eine neue Idee. Etwas, was der Kopf vorher nicht weiß.
"Vieles hat Pater Meinrad über die Jahre angesammelt. Geschenkpapier, Schachteln, Kaffeekapseln. Manches liegt für Jahre oder Jahrzehnte herum. "Natürlich muss man auch manchmal Dinge wegwerfen", meint er. "Aber ich schaue erst mal, was ich daraus machen kann."
Kunst als Erkenntnisweg
Das Atelier von Pater Meinrad auf dem Gelände der fränkischen Benediktinerabtei Münsterschwarzach gibt es schon seit den 1930er Jahren. Vor ihm haben hier andere gewerkelt, er nutzt es seit etwa 20 Jahren. Fertige und halb fertige Kunstwerke stapeln sich darin, Farben über Farben und eben viele Dinge, aus denen vielleicht noch einmal etwas wird.
Ein Ordensmann, der leidenschaftlicher Künstler ist: Wie ist es dazu gekommen? "Weil es mir Spaß gemacht hat." Er habe immer wieder etwas ausprobiert, sogar die Kapelle der Abteischule umgestaltet. Irgendwann habe ein Mitbruder ihm vorgeschlagen, Kunst zu unterrichten. "Aber studiert habe ich es nie, und da bin ich froh drüber. Ich muss die Dinge selber finden."
„Gott hat jedem Menschen die ihm wesentlichen Dinge ins Herz geschrieben. Die muss man lesen können.“
Studiert hat der 78-jährige Ordensmann und Priester Theologie: "Das war genug, um nachzusagen, was andere vor mir gesagt haben, und das ist gut." Bei der Kunst gehe es aber um etwas anderes: "Die Suche nach dem eigenen Selbst. Manche drücken es mit Literatur oder Musik aus. Meine Ausdrucksformen sind Malerei und Skulpturen." Für ihn auch eine Form von Erkenntnis – "die aus dem Herzen kommt. Denn Gott hat jedem Menschen die ihm wesentlichen Dinge ins Herz geschrieben. Die muss man lesen können."
Unter den Materialien, mit denen Pater Meinrad arbeitet, finden sich auch alte Kreuze oder nicht mehr gebrauchte Messgewänder. Besonders ins Auge fällt ein altes Messbuch, das kaum noch als solches erkennbar ist. Denn die Seiten sind in bunten Farben angemalt und nicht mehr lesbar. "So eine Seite muss zehn bis fünfzehn Mal übermalt werden", sagte Pater Meinrad und blättert andächtig im Buch. "Alle Worthaftigkeit, alles Zu-viel-Gebabbel ist hier weg."
"Geschichte, die wir nicht bearbeiten, wird tot"
Ganz vorn ist in hebräischen Buchstaben der Gottesname ausgeschnitten, dahinter eine goldene Seite. "Von dieser aus liest es sich goldig, dann kommt das Thema des Geheimnisses und dann nur noch monochrom", beschreibt er sein Werk. Die letzten Seiten kann man fast nicht mehr aufschlagen, auch nicht mehr anmalen, so dick ist das Buch durch die Farbe. Das stört den Künstler aber nicht: "Das hat sich eben so ergeben." Auch darin steckt für ihn Symbolik.
Ehemals sakrale Gegenstände zu verwenden, ist für ihn kein Problem: "So werden Dinge neu gesehen. Geschichte, die wir nicht bearbeiten, wird tot. Das ist meine Art, Theologie zu treiben." Demnächst möchte er Stücke aus alten Monstranzkoffern fertigen. Wo früher ein liturgisches Gerät aufbewahrt wurde, das die geweihte Hostie zeigt, sollen dann andere Dinge Platz finden: kleine Vasen, alte Schuhe, Besteck, Buchseiten. Er hat auch schon einen Titel dafür: Ehrfurcht.
Für Pater Meinrad bringt das vielleicht sogar mehr als theologische Diskussionen darüber, wie genau Hostien in den Leib Christi verwandelt werden: "Wenn wir nicht verständlich machen, wie Ehrfurcht anwesend sein kann, wie den Dingen ein Bedeutungswechsel zukommen kann, dann ist das theologische Gerede Luft. Das ist meine Methode. Dafür kämpfe ich wie ein Löwe."
Die Kunst müsse in der Kirche ihren Platz haben, ist der Ordensmann überzeugt. "Weil sie Sinnsuche und Herzensgeschichte ist, hat sie immer etwas mit dem Geistlichen zu tun." Viele Kirchen und Kapellen im In- und Ausland hat er schon gestaltet oder daran mitgewirkt."
Seine Kurse sind auf Jahre ausgebucht
Pater Meinrad bietet im Kloster auch Exerzitien an. Bewusst nennt er diese nicht Kunstexerzitien: "Weil die Leute sonst einen riesigen Anspruch haben. Das blockiert, weil man sich nicht mehr traut." Viele hätten im Kunstunterricht schlechte Erfahrungen gemacht: "Ich will ihnen die Angst vorm Gestalten nehmen." Er gibt auch kein Thema vor. "Ich sage nur zwei Dinge: 'Die Seele weiß'. Und: 'Die Weisheit der Hände'." Seine Kurse sind auf Jahre ausgebucht.
Zwischen Klosterbetrieb, Gebetszeiten und Kursen versucht der Benediktiner, einmal täglich in sein Atelier zu kommen. "Das ist mein Seelenort." Er stellt nicht mehr so viel aus wie früher, doch ab und an kann man seine Werke in der Halle nebenan bewundern. Eines macht Pater Meinrad bei seinen Ausstellungen aber nie: "Ich lege kein Buch hin, wo die Leute Feedback reinschreiben. Das verdirbt den Charakter."