Frauen im Krieg: Ständige Angst, Flucht und schmerzhafter Neuanfang

Der Krieg in Europa im 21. Jahrhundert – so offen, so brutal. Niemand unter meinen ehemaligen Journalistenkollegen von "The Kyiv Independent", auch nicht die erfahrensten Kriegsreporter, hatte solch ein Szenario erwartet. Sie waren überzeugt, es sei ein Bluff – Putin wolle nur Angst verbreiten. Doch das war kein Bluff. Am 24. Februar 2022 wurde ich frühmorgens in Kiew von einem Geräusch geweckt, das ich nie zuvor gehört hatte – und das ich niemals vergessen werde.
Mit zitternden Händen und wirren Gedanken versuchte ich, das Nötigste in die Rucksäcke zu packen. Irgendwo im Herzen spürte ich ein eiskaltes Gefühl drohender Gefahr. Mein Mann rannte in die Apotheke, um Medikamente für uns und unsere drei Kinder zu kaufen, falls wir in Luftschutzbunkern oder im Wald Zuflucht suchen müssten. Die Regale leerten sich rasch, da eine Lawine von Menschen das Gleiche dachte. Panik ergriff uns, endlose Staus blockierten die Straßen in die entgegengesetzte Richtung von Russland. Die Sirenen heulten und die ständige Angst, dass wir jeden Moment sterben könnten, quälte mich.
Verzweiflung, Depression, Verwirrung
Für Millionen ukrainische Frauen, die wie ich das Land verlassen und ein neues Leben beginnen mussten, war dies ein schmerzhafter Bruch. Verzweiflung, Depression, Verwirrung – das sah ich in den Augen jeder Frau, die gezwungen war, ihr Heimatland zu verlassen. Nach Angaben des "Centre for Economic Strategy" leben derzeit rund 3,4 Millionen ukrainische Frauen als Flüchtlinge im Ausland, jede fünfte davon in Deutschland.
„Drei Jahre nach meiner Flucht nach Deutschland fühle ich mich sicherer und habe nur noch selten Albträume.“
Sie fliehen weiterhin aus dem Land, allerdings in der Hoffnung, dass der Krieg irgendwann endet und das Leben wieder heil wird. Ihr Schmerz und Leid sind nur ein weiteres tragisches Puzzleteil in der Welt, in der wir heute leben. Die Zahl der Frauen, die auch unter bewaffneten Konflikten in Afrika, Asien, Ozeanien oder Lateinamerika leiden, ist unvorstellbar. Laut dem jüngsten Bericht der Vereinten Nationen lebten im Jahr 2022 mehr als 600 Millionen Frauen und Mädchen in Kriegs- und Konfliktregionen – ein Anstieg von 50 Prozent im Vergleich zu 2017. Und eine andere Zahl sollten wir nicht vergessen: Während die Zahl der Zivilisten, die humanitäre Hilfe benötigen, auf einem Rekordhoch liegt, erreichten die Militärausgaben der Länder 2022 einen historischen Höchststand von 2,2 Billionen US-Dollar.
Jetzt, da die Beziehungen zwischen der Ukraine und dem strategischen Partner USA zerbrechen und US-Präsident Donald Trump die militärische Unterstützung aussetzen will, könnte der Krieg noch näher an die Grenzen der Europäischen Union heranrücken. Und was als nächstes kommt, mag sich niemand vorstellen.
Gefangen in einem mentalen Käfig
Drei Jahre nach meiner Flucht nach Deutschland fühle ich mich sicherer und habe nur noch selten Albträume. Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt, im Alltag Sprachkurse, Termine, die Schule meiner älteren Kinder und die Betreuung meines Jüngsten unter einen Hut zu bringen. Im Oktober vergangenen Jahres begann ich, als Volontärin bei der Pressestelle des katholischen Hilfswerks missio Aachen zu arbeiten. Es wurde mein Lebensretter, wie ein Hauch Luft in einer neuen Welt, in der ich zu ersticken drohte. Ich brauchte dringend meinen persönlichen Exodus aus dem mentalen Käfig, damit ich aufhören konnte, mich auf negative Gedanken über den Krieg und die Folgen für die Familie zu konzentrieren.
Für manche Frauen ist dieser Käfig immer noch real. Viele finden keinen Job, einfach weil die Sprachkenntnisse auch nach drei Jahren nicht ausreichen, und ehemalige Psychologinnen, Buchhalterinnen und Lehrerinnen stehen heute vor einem weiteren persönlichen Drama. Sie arbeiten jetzt in Fabriken, putzen Hotels oder bleiben einfach zu Hause, ohne Pläne für die Zukunft. Ich persönlich kenne diejenigen, die mit der Einnahme von Antidepressiva begonnen haben. Nur so können sie aufwachen und versuchen, weiterzuleben.

Nataliia Daskevytch, die Autorin dieses Textes, an ihrem Arbeitsplatz bei missio Aachen.
Da meine Arbeit mittlerweile eng mit verschiedenen missio-Hilfsprojekten verknüpft ist, wurde mir bewusst, wie dramatisch die Situation von Frauen weltweit ist, die unter Krieg, Terror, Gewalt und den Folgen von Flucht und Vertreibung leiden: im Osten der Demokratischen Republik Kongo, in Gaza, Israel, Syrien, Sudan und, und, und. Diese Frauen brauchen endlich unsere Solidarität.
Kürzlich war missio in Myanmar: Die Frauen und Mädchen dort gehören zu den verwundbarsten Opfern des Militärregimes. Ihre männlichen Verwandten oder Männer können jederzeit zum Militärdienst gezwungen werden. Sie leben in ständiger Angst, bombardiert zu werden. Sie müssen die Flucht nach Thailand organisieren. Und wenn sie dort sind, drohen neue Schicksalsschläge. Die Trump-Regierung hat das humanitäre US-Auslandshilfeprogramm eingestellt. Damit fällt beispielsweise die Gesundheitsversorgung in einigen Flüchtlingslagern aus. Wer leidet am meisten darunter? Kinder und schwangere Frauen. Obwohl missio für die nächsten drei Monate den Ausfall der US-Gelder für die Flüchtlingsarbeit seiner Projektpartner in Bangkok und in einem Flüchtlingslager überbrücken helfen kann, ist die Zukunft dieser Arbeit vollkommen offen.
Ein Abgrund von Hoffnungslosigkeit
Doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das weltweite Problem der militärischen Konflikte und der Flüchtlingskrise bleibt weiterhin ungelöst. Mehr noch: Vor 25 Jahren verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1325. Sie regelt den Schutz von Frauen und Mädchen in Kriegshandlungen. Im Osten des Kongos, in der Ukraine, in anderen Konflikten: Immer noch ist sexualisierte Gewalt gegen Frauen ein Kriegsmittel. Kaum noch jemand erinnert sich an diese Resolution oder hält sich daran. Es wäre ein erster politischer Schritt, ihr endlich Getung zu verschaffen.
Ich bin mir sicher, dass alle Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten, genau wie ich vor drei Jahren, in Verzweiflung leben und eine tiefe Einsamkeit empfinden. Sie verstehen nicht, warum sie das Schicksal erleiden mussten, aus ihrer Heimat gerissen und in einen Abgrund von Hoffnungslosigkeit gestoßen zu werden. Ich glaube auch, dass viele Frauen in Kriegsgebieten bereits vergessen haben, wie man lächelt, wie schön das Leben selbst sein kann, wie ruhig und glücklich man einschlafen kann.
„Nur durch den Glauben an eine bessere Zukunft können wir die Spirale des Leids durchbrechen.“
Die katholische Kirche ist die größte christliche Kirche der Welt, mit bis zu 1,4 Milliarden getauften Katholiken. Insgesamt zählen weltweit 2,4 Milliarden Menschen zum Christentum. Und ich frage mich: Warum herrscht in einer Welt, in der jeder dritte Mensch Christ ist, so viel Unsicherheit darüber, wie wir leben und wie unsere Kinder in Zukunft leben werden? Wenn die Menschen wirklich gläubig sind und nach der Frohen Botschaft Jesu Christi leben, warum ist das Böse dann heutzutage so riesengroß?
Christen als weltweite Friedensmacht
Die Antwort darauf ist schwer zu finden. Vielleicht müssen die Christinnen und Christen weltweit sich endlich darauf besinnen, dass sie eine weltweite Friedensmacht sein müssen. Heute schon stehen Ordensfrauen, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Priester, Bischöfe weltweit an der Seite der Frauen in Krieg und Vertreibung. Ich darf bei meiner Arbeit für missio so viele bemerkenswerte Menschen kennenlernen. Aber es müssen mehr werden und sie müssen mehr tun für die Frauen und Mädchen weltweit, die der Krieg in Gefahr bringt. Nur durch den Glauben an eine bessere Zukunft können wir die Spirale des Leids durchbrechen.
Die Geschichte wiederholt sich, und reine Geschäftsinteressen, "nichts Persönliches", bestimmen die Weltpolitik. Die biblischen Gebote von Güte, Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und dem Wunsch, die Welt zu verbessern, werden oft vergessen. Dieser Teufelskreis aus Hass und Tod muss durchbrochen werden, andernfalls wird die Menschheit sich eines Tages selbst vernichten.
Die Autorin
Nataliia Daskevytch (36) stammt aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Sie ist promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin und arbeitete als Wirtschaftsjournalistin für verschiedene Zeitungen in ihrer Heimatstadt, zuletzt bei "The Kyiv Independent". Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 flüchtete sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Die verheiratete Mutter von drei Kindern lebt heute im rheinischen Stolberg und arbeitet seit Oktober 2024 als Volontärin in der Pressestelle des katholischen Hilfswerks missio Aachen.