Passionsspiele im sächsischen Crostwitz haben begonnen

Das sorbische Oberammergau

Veröffentlicht am 14.09.2015 um 15:30 Uhr – Von Markus Kremser – Lesedauer: 
Kultur

Crostwitz ‐ Nach dem Oberammergauer Vorbild werden auch im sächsischen Crostwitz alle zehn Jahre Passionsspiele aufgeführt. Doch gibt es einen gravierenden Unterschied: In Crostwitz spricht Jesus sorbisch. Dolmetscher sorgen deshalb für Verständigung.

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Denn in Crostwitz sprechen sie alle sorbisch. Zum dritten Mal seit der Wende führt die dortige Pfarrgemeinde die Leidensgeschichte Jesu Christi auf – und zwar in der Muttersprache der Gläubigen. Die Sorben sind eine slawische Minderheit mit eigener Sprache und eigenen Traditionen. Sie leben hier schon länger als die deutschen Siedler, die im 11. und 12. Jahrhundert nach Sachsen kamen. Und die Sorben rund um Bautzen und Kamenz sind katholisch. "Für uns ist diese Darstellung nicht bloßes Theater oder ein religiöses Spiel", sagt Georg Spittank, der die Passionsspiele leitet. "Es ist ein Bekenntnis unseres Glaubens und die Verkündigung der Frohen Botschaft: Jesus ist von den Toten auferstanden. Er lebt."

Erleichtert ist der Jesus-Darsteller nach der Premiere am vergangenen Wochenende vor rund 600 Zuschauern. "Herrlich geht es mir jetzt. Ich war vorher schon sehr angespannt", sagt Marko Dzislaw nur Minuten nach der ersten Aufführung. "Jetzt fällt das alles von mir ab." Der Architekt und Vater von vier Kindern spielt zum ersten Mal Jesus. Neben ihm sind über 200 weitere Darsteller und Chorsänger mit dabei. Zwei Chöre haben sich extra für das Crostwitzer Passionsspiel zusammengetan: Damit stehen jetzt insgesamt 81 Sänger bei jeder Aufführung auf der Bühne. Aber auch dahinter helfen noch zahllose Freiwillige. Mit Musikern, Techniker oder Dolmetschern sind Abend für Abend rund 300 Menschen in Aktion. Seit November 2014 wird bereits geprobt.

Kreuzigungsgruppe
Bild: ©Markus Kremser

In Crostwitz finden Passionsspiele auf Sorbisch statt.

Die Dolmetscher sind eine Besonderheit dieser Passionsaufführung. Wer die sorbische Sprache nicht versteht, ist in den Vorstellungen an den Kopfhörern zu erkennen. Hier läuft der deutsche Text des Schauspiels. Mini-Radios übertragen die Simultanübersetzung der insgesamt zehn Übersetzer. Der Sächsische Ausbildungs- und Erprobungskanal sendet dafür lokal begrenzt auf wenige hundert Meter auf einer speziellen UKW-Frequenz. Für fünf Euro Pfand können Zuschauer die kleinen Radios mit Kopfhörern ausleihen.

Vom Sächsische Ausbildungs- und Erprobungskanal kommt auch Michael Ziesch. Zusammen mit Thomas Ziesch, Schauspieler am Deutsch-Sorbischen Volkstheater, hat er die Regie geführt und gegenüber der Fassung von 2005 einiges geändert. Zehn Jahre später gibt es auch alttestamentliche Szenen mit Abraham, Moses und Hiob, die als Vorausdeutung der Passion Christi verstanden werden können. Neu ist auch ein Dialog zwischen Petrus und Judas und eine Szene, in der das Versagen Petri thematisiert wird.

Requisiten aus Oberammergau

Eine Besonderheit sind die über 200 Kostüme. "Die sind aus der letzten Aufführung von 2010 in Oberammergau", sagt Jesus-Darsteller Dzislaw. Die sorbische Gemeinde hat sich den Großteil der Kleider bei den Veranstaltern der oberbayerischen Passionsspiele geliehen. Weitere Kostüme und fast einhundert Schals hat der Verein Arbeitslosen-Selbsthilfe im nahegelegenen Kamenz angefertigt. Das Bühnenpodest und die Kulissen sind bereits im August fertig gestellt worden. Für Licht- und Tontechnik wurden Hunderte Meter Kabel verlegt.

Auch der Rhythmus der Aufführungen verbindet Crostwitz mit Oberammergau. Seit 1995 wird alle zehn Jahre die Passion gespielt. Damit knüpft die Pfarrei an eine Tradition an, die zwar nicht wie in Oberammergau bis in das Jahr 1634 zurückreicht, aber erst nach der Wende wieder aufleben konnte. Mindestens 1936 und 1947 gab es bereits Passionsspiele in Crostwitz. Rund 4.000 Zuschauer können das Passionsspiel in diesem Jahr verfolgen. Drei Vorstellungen gibt es noch. Die enden, wie auch die Premiere, mit dem "Te Deum" auf Sorbisch. Schließlich ist es die Passion.

Crostwitzer Passionsspiele

Vorstellungen gibt es am 18., 19. und 20. September jeweils um 19:30 Uhr im Pfarrgarten der Pfarrei St. Simon und Juda, Zejlerstraße 2, 01920 Crostwitz Eintritt: Erwachsene: 9,50 € Schüler und Studenten über 14 Jahre: 5,- € Kinder von 6 bis 14 Jahren: 2,- € Für Kinder unter 6 Jahren ist der Eintritt frei.
Von Markus Kremser