Schluss mit dem heiligen Aufschub
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Wir vertagen zu viele Entscheidungen – in der Kirche ebenso wie in der Gesellschaft. Wir warten. Auf den richtigen Moment, auf die göttliche Eingebung, auf die Heilige Geistkraft. Doch während wir warten, bröckeln Strukturen, schwindet Vertrauen, gehen Menschen verloren. Das gilt besonders für Frauen, die seit Jahrzehnten Geduld beweisen, hoffen, argumentieren, anpacken. Auf Dauer ist das ermüdend und erfordert extreme Kraftanstrengungen.
Das Warten hat System. In kirchlichen Prozessen heißt es, die Geistkraft brauche Zeit. In politischen Gremien: Man wolle noch prüfen, abwägen, diskutieren. Dahinter steckt oft Bequemlichkeit. So wird Verantwortung verschoben – aus Geduld wird Lähmung. Doch die Probleme sind akut: Gemeinden schrumpfen, Ehrenamtliche fehlen, junge Menschen wenden sich ab. In der Gesellschaft wächst Ungleichheit, Sorgearbeit bricht unter der Last zusammen, während Frauen weiter auf gleiche Teilhabe warten.
Und die Kirche? Sie reagiert, als hätte sie alle Zeit der Welt. Hat sie aber nicht. Bald ist kaum mehr jemand da, der noch zuhört, mitmacht, glaubt. Bitter für Frauen, die das Rückgrat kirchlicher Arbeit bilden, Verantwortung tragen, Gruppen leiten – und doch Bittstellerinnen bleiben. Immer wieder heißt es: Wir sind auf dem Weg. Doch dieser Weg scheint endlos, weil an jeder Kreuzung eine neue Kommission gegründet wird.
Natürlich gibt es Hoffnungsträgerinnen, die Reformen anstoßen, Öffentlichkeit schaffen, Mut machen. Sie erinnern daran, dass Veränderung möglich ist. Doch auch ihre Zuversicht braucht Nahrung: sichtbare Schritte, klare Entscheidungen. Es geht längst nicht mehr um Geduld, sondern um Glaubwürdigkeit. Eine Kirche, die zu jeder Frage "noch nicht" sagt, verliert an Bedeutung. Und eine Gesellschaft, die immer "später" sagt, ihre Zukunft. Warten ist kein Konzept, Warten ist Flucht.
Jetzt braucht es mutige Entscheidungen. Frauen müssen beteiligt werden – nicht nur beratend, sondern leitend. Macht teilen, Verantwortung übernehmen. Auch wenn es unbequem ist. Denn wer immer auf den perfekten Moment wartet, verpasst ihn. Die Geistkraft wirkt in Bewegung, nicht im Stillstand. Entscheidungen zu treffen ist ein Akt des Glaubens und der Verantwortung.
Die Autorin
Friederike Frücht leitet die Abteilung Kommunikation der kfd und ist Chefredakteurin der Mitgliederzeitschrift Junia.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.
