Über 2017 hinaus denken
Das oberste Leitungsgremium der deutschen Protestanten wird auf jeden Fall deutlich anders aussehen als bisher - nur sechs der amtierenden Ratsmitglieder finden sich erneut auf der Kandidatenliste. Von ihnen sind drei seit Beginn der Amtszeit 2009 neu hinzugekommen, darunter auch der amtierende Vorsitzende, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Dessen Wiederwahl wird allgemein erwartet; für die 13 weiteren zu wählenden Ratssitze bleiben dann noch 22 Kandidaten.
Unter ihnen sind auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs und die westfälische Präses Annette Kurschus, außerdem der Berliner Bischof Markus Dröge, der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung sowie der Unternehmer Andreas Barner, der auch Präsident des Evangelische Kirchentags in Stuttgart war. Der 15. Platz gebührt kraft Amtes der Präses der Synode, der früheren Bundesministerin Irmgard Schwaetzer.
Kompliziertes Wahlverfahren
Die Wahlen sind für den vorletzten Tag der Sitzung angesetzt, und sie dürften wieder viel Zeit in Anspruch nehmen. 2009 in Ulm waren zwölf Wahlgänge nötig, dennoch konnte damals ein Platz nicht besetzt werden. Erforderlich ist für jeden Gewählten eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Synode und der Kirchenkonferenz. Kompliziert ist das Verfahren nicht zuletzt deshalb, weil neben der Persönlichkeit der Kandidaten auch Kriterien wie die regionale und konfessionelle Herkunft (lutherisch, reformiert, uniert) sowie das Verhältnis von Geistlichen und Laien sowie Frauen und Männern eine Rolle spielen.
Die vergangene Amtsperiode wird nicht zuletzt deshalb in Erinnerung bleiben, weil gleich zwei Ratsvorsitzende vorzeitig zurücktraten - zunächst nach nicht einmal 100 Tagen Margot Käßmann und im vergangenen Jahr wegen der Krebserkrankung seiner Frau Nikolaus Schneider. Dies ermöglichte die Wahl Bedford-Strohms, der nun mit einem gewissen Vorlauf die Ausgestaltung der Feiern des Reformationsjubiläums zu leiten hat.
Das Jubiläum ist auch ein inhaltlicher Schwerpunkt der Synodentagung: Unter dem Titel "Reformationsjubiläum 2017 - Christlicher Glaube in offener Gesellschaft" soll dazu eine "Kundgebung" beschlossen werden. Der den Synodalen dazu vorgelegte Entwurf ist allerdings so uninspiriert, als hätten die Autoren nie eine Zeile von Martin Luther gelesen; er dürfte in dieser Form kaum zur Verabschiedung kommen.
Im Zusammenhang mit dem Reformationsgedenken steht auch eine weitere Erklärung zum Thema "Martin Luther und die Juden". Dabei geht es um den Umgang der Protestanten mit dem "belastenden Erbe" des Antijudaismus bei Luther und anderen Reformatoren.
Das Gedenkjahr ist sicher zunächst die wichtigste "Baustelle" für den neuen Rat. Doch seine Amtszeit geht bis 2021, so dass der Blick über 2017 deutlich hinausgehen muss. Danach müssen wieder Themen auf den Tisch, um die es zuletzt still geworden ist, etwa der 2006 mit großem Aplomb gestartete EKD-Reformprozess "Kirche im Aufbruch". Die seinerzeit ausgemachten Krisenphänomene sind jedenfalls weiterhin aktuell und dürften auch durch das Reformationsgedenken nicht an Brisanz verlieren.
Ringen zwischen Liberalen und Konservativen
Auch der Prozess der Kirchengemeinschaft zwischen der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) und der EKD, der in Bremen wieder auf der Tagesordnung steht, ist noch nicht abgeschlossen und bedarf weiterer Schritte. In Bremen soll in der Grundordnung festgeschrieben werden, dass die EKD sich selbst als "Kirche" versteht.
Zwischen und innerhalb der 20 EKD-Gliedkirchen ringen immer wieder Liberale und Konservative um den richtigen Kurs, wie sich zuletzt bei der Wahl des sächsischen Landesbischofs und zuvor beim Streit um die "Orientierungshilfe" des Rates zum Thema Familie gezeigt hat. Hier muss der neue Rat eine integrierende Rolle spielen.