Die dunkle Seite wird erschüttert
Und sogar der dunkle Ritter, der sich anschickt, in die Fußstapfen des Superfinsterlings Darth Vader zu treten, bekennt seinem Meister, dass er trotz seines festen Vorsatzes, der dunklen Seite zu dienen, die Sirenenstimme der hellen Seite noch in sich spürt. Als er später dennoch die abscheulichste Gräueltat verübt, der sich je ein "Star Wars"-Schurke schuldig gemacht hat, tut er einem fast Leid, weil man weiß, dass er damit nicht zuletzt seine eigene, bessere Natur zu ermorden versucht.
Das grundlegend positive Menschenbild, das sich in solchen Charakterisierungen abzeichnet, ist einer der Aspekte, die die Science-Fiction-Fantasien von Regisseur J.J. Abrams so liebenswert machen. Selbst wo er in seinen "Star Trek"-Filmen und jetzt in "Star Wars: Das Erwachen der Macht" von düsteren Zuständen erzählt, vertritt Abrams den optimistischen Glauben daran, dass der Mensch einen instinktiven Hang zum Guten in sich trägt. Und lässt das Ganze auch noch bestechend gut aussehen: moralische Entwicklungen als spektakuläre Abenteuer in sternschimmernden 3D-Weltraumweiten, fein austariert zwischen augenzwinkerndem Humor und ganz großer Gefühlsoper.
Wo sich die "Star Wars"-Filme der Jahre 1999 bis 2005 damit überstrapazierten, noch mythischer sein zu wollen als die längst zum modernen Mythos gewordene Original-Saga (1977-1983), halten sich Abrams und sein Co-Drehbuchautor Lawrence Kasdan klugerweise zurück: Sie versuchen erst gar nicht, etwas von staatstragender Bedeutsamkeit zum "Star Wars"-Kosmos hinzu zu erfinden. Vielmehr lehnen sie sich deutlich an "Krieg der Sterne", den ersten "Star Wars"-Film aus dem Jahr 1977 an, um in diesem Rahmen umso kreativer alle Energie in die Ausgestaltung zu stecken.
Ohne die Jedis hat die dunkle Seite der Macht leichtes Spiel
Luke Skywalker, der letzte der Jedi-Ritter, ist verschwunden – so teilt es der Titelvorspann mit, und damit sind die Erzählprämissen gesetzt: Ohne die Jedis hat die dunkle Seite der Macht in neuer Gestalt die Herrschaft in der Galaxis an sich gerissen. Wieder gibt es mutige Rebellen, die gegen diese Diktatur aufbegehren, und wieder verschlägt es einen drolligen Droiden, der eine für die Freiheitskämpfer wichtige Botschaft trägt, auf einen gottverlassenen Wüstenplaneten, wo ein einfacher, aber doch ganz besonderer junger Mensch lebt, der seine (diesmal: ihre) Berufung zur guten Seite erst noch entdecken muss.
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So weit, so vertraut. Und so soll es auch sein: Han Solos Dialogzeile "Chewie, we’re home" ist ein Versprechen, das der Film einhält: Regisseur Abrams zelebriert das Franchise als fiktive Heimat, die er mit den Fans teilt. Allerdings ruht er sich nicht in Nostalgie aus, sondern schlägt mit gut entwickelten Figuren neue Funken aus dem alten Stoff.
Die in wenigen präzisen Sequenzen neu eingeführten Charaktere (die junge Wüstenplanet-Bewohnerin Rey, der Sturmtruppen-Deserteur Finn und der Rebellen-Pilot Poe) tragen dazu ebenso bei wie die bittersüße Fortschreibung der Beziehungsgeschichte von Leia und Han, die einst durch eine Tragödie auseinander gerissen wurden, sich nun aber wieder finden, um erneut den Kampf gegen die dunkle Seite aufzunehmen. Das Schmieden von Freundschaften und Allianzen, das Ringen der Helden mit der Last der Verantwortung, der tragische Schatten familiärer Verstrickungen: Sie sind der emotionale Zündstoff, der all den Weltraumschlachten und Abenteuern auf fremden Planeten erst den richtigen Drive gibt.