Im tiefen Loch des Banalen
Hape Kerkelings gleichnamiges Buch über seine Erlebnisse und Erfahrungen während seiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg war ab 2006 eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Zwei Jahre lang belegte es die Sachbuch-Hitliste – wohl in Ermangelung einer passenderen Kategorie, denn Kerkeling ging weder sachlich noch gar dokumentarisch mit seiner Reise um. Er beobachtete vielmehr betont persönlich, mal launig, mal nachdenklich, in jedem Fall aber sehr unterhaltsam das mehr touristisch als religiös geprägte Treiben um ihn herum. Um explizit christliche Pilger machte der seinerzeit ausgebrannte und erschöpfte Entertainer ohnehin einen Bogen, weil er sie nicht als lernfähig erachtete: Sie würden als "die gleichen Menschen die Reise beenden, als die sie sie begonnen haben".
Viel lieber beobachtete er die Sonderlinge wie auch das Besondere in den Details, die auf seinem Weg lagen und in denen sich seine eigene Befindlichkeit, seine Orientierungs- und Ratlosigkeit spiegelten. In Kerkelings sanften, betont "menschlichen" Betrachtungen über (Sinn-)Suche und Toleranz konnten sich Millionen von Menschen wiederfinden; sie lösten sogar einen angeblich messbaren "Kerkeling-Effekt" aus – das liebenswürdige Reisetagebuch soll zahlreiche Deutsche auf den Weg nach Santiago de Compostela geführt haben.
Wie aber lässt sich ein solch "luftiger" Stoff für die große Leinwand verfilmen? Vor allem, so lautete wohl die kategorische Strategie, sehr, sehr niederschwellig, damit sich auch ja keiner durch eine vom Buch abweichende visuelle oder narrative Eigenständigkeit düpiert fühlen könnte. Was im Endeffekt vor allem nur zu einem führte: zu einem gänzlich überflüssigen Kinofilm, der rein gar nichts zu erzählen hat, das Buch zwanghaft dekorativ bebildert und sich weder visuell noch thematisch irgendetwas Eigenes zutraut.
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Existenzielle Fragen nach Gott oder der eigenen Existenz, die, in welcher Weise auch immer, auf einen Urgrund oder auf religiöse Empfindungen zurückverweisen, formulieren sich im Rahmen koketter Bonmots und launiger Kalenderweisheiten, die stets haarscharf neben der von Kerkeling beabsichtigten Liebenswürdigkeit aufschlagen und ins tiefe Loch des Banalen stürzen. Die weiten Landschaften des Pilgerwegs werden von der Kamera stoisch links liegen gelassen, die Unbequemlichkeiten der "Massenabfertigung" geraten zu episodischen Aperçus, die Schicksale der Mitwanderer, besonders der am frühen Krebstod ihrer Tochter leidenden Stella, reichen für peinlich oberflächliche Rührseligkeiten, wie man sie aus "Traumschiff"-Fernsehserien kennt.
Dessen Publikum hat man wohl als Zielgruppe auserkoren, und spielt deshalb ebenso konsequent wie schamlos auf der Klaviatur kunstgewerblicher Nichtigkeiten, die nichts bewirken, außer dass sie Lebenszeit rauben. Bewundernswert ist allein die stoische Ergebenheit von Devid Striesow als Hape Kerkeling, der sich aus künstlichen Fettpolstern und wirrem Zottelbart "herauswandert" und mitunter verblüffend präzise Kerkelings Tonfalls trifft, ohne dabei unangenehm als deckungsgleiche Kopie aufzufallen. Allein Striesow hat der Film einen gewissen Charme zu verdanken – aber auch die Erkenntnis, wie sehr seine großartigen mimischen Talente in einer erschreckend zahnlosen Kommerzproduktion verbrannt werden, die das Wort "Kinofilm" nicht verdient.