40 Jahre "Ernietainment"
Libertäre Verfechter freier Lebensformen wie strenge Moralisten grübelten und grübeln darüber nach, ob das kunterbunte Paar eventuell mehr miteinander teilt als nur seine Gummientchen. Sogar eine Onlinepetition wurde schon auf den Weg gebracht, die den beiden eine gleichgeschlechtliche Eheschließung auf offener Sesamstrasse ermöglichen sollte. Unsinn, sagt dazu Gary Knell, ehemaliger Chef des amerikanischen Serienproduzenten Sesame Workshop, "sie sind nicht schwul und nicht hetero: Sie sind Puppen. Unterhalb der Gürtellinie existieren sie nicht."
Intolerabler Einbruch in heile deutsche Kinderwelten
Richtig gesprochen. In einer Zeit, in der selbst hochkarätige Bundes- und Landespolitiker nicht mehr befürchten müssen, wegen ihrer Homosexualität ihre Wahlchancen zu schmälern, dürfte die sexuelle Orientierung von ein paar Handpuppen aber ohnehin kaum noch der Rede wert sein. Vor vierzig Jahren, als am 8. Januar 1973 die Sesamstrasse in der ARD und mit deutschen Ergänzungen erstmals eine Abkürzung zu besserer Vorschulbildung versprach, war das indes anders. Damals galt ein stets missgelauntes Monster namens Oskar, das in höchst prekären Lebensverhältnissen seine Mülltonne bewohnte, noch als intolerabler Einbruch in heile deutsche Kinderwelten und der Bayerische Rundfunk wetterte gegen "unerträgliche Inhalte" und einen "Missbrauch pädagogischer Mittel".
Inzwischen sieht man die Sache selbst vor den mehr als nur sieben Bergen des bayerischen Alpenkamms anders. 'Edutainment' ist längst kein unbekanntes Fremdwort mehr, die Kinderprogramme im Fernsehen haben sich gewandelt und der pädagogische Zeigefinger ist einem einladenden Winken gewichen.
Das habt nicht zuletzt ihr erreicht, lieber Ernie, lieber Bert, lieber Oskar, lieber Kermit und wie ihr alle heißt. Vielleicht findet ihr ja heute noch Zeit, darauf anzustoßen. Eine Schachtel Kekse für den immer hungrigen Krümel sollten dabei aber auch drin sein…
Von Uwe Bork